Justiz

Mutmaßlicher Geldautomatensprenger vor dem Heidelberger Landgericht

Die Aufgaben sind offenbar klar verteilt: In Sekundenschnelle sprengen aus dem Ausland eingereiste Banden Geldautomaten und verschwinden meist mit fetter Beute. Nun startet ein Prozess zu einem Vorfall in Rauenberg

Von 
Michaela Roßner
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Im Juli 2021 – zehn Monate nach der Automatensprengung bei der Volksbank in Rauenberg – knackte eine Bande einen weiteren Automaten im Ort. © René Priebe

Jeder der drei Männer kommt offenbar mit einer genauen Aufgabenstellung zum Tatort: Im Vorraum der Bank das Bedienteil weghebeln, über einen Schlauch Gas ins Innere des massiven Geldschranks leiten, ein Stromkabel hineinlegen. Dann entfernt sich das Trio, das schwarz gekleidet ist, Sturmhauben und Handschuhe trägt. Kurz darauf erschüttert eine Explosion das Gebäude der Volksbank im Rauenberger Zentrum. Der Rest dauert ebenfalls nur ein paar Sekunden: wieder in das Bankinnere gehen, das Geld einpacken - und in einer dunklen Limousine davonsausen. Seit Dienstag muss sich ein Mann vor dem Heidelberger Landgericht verantworten, der bei einem solchen Coup am 30. September 2020 dabei gewesen sein soll. Beute: 117 205 Euro. Der 25-Jährige schweigt zum Prozessauftakt vor Gericht.

Um 4.36 Uhr explodiert der Geldautomat in Rauenberg in jener Septembernacht vor mehr als zwei Jahren. Obwohl der Alarm ausgelöst wird, Polizei und Bankmitarbeiter sofort zum Tatort eilen und Zeugen den Überfall verfolgen, entkommen die Täter zunächst unerkannt. Seit mehreren Jahren gibt es solche Explosionen regelmäßig auch in der Region. So explodierten am 13. Juli 2022 im Mannheimer Stadtteil Feudenheim ein Selbstbedienungsgeldschrank und am 23. Februar 2022 ein Geldautomat in der Heidelberger Bahnstadt. Am 8. April und 3. Juli des selben Jahres schlugen Banden zudem im Rhein-Neckar-Zentrum Viernheim zu.

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Aus den Niederlanden

Um diese letztgenannten Fälle geht es im aktuellen Prozess vor dem Heidelberger Landgericht indes nicht, auch wenn die Staatsanwaltschaft dem 25-jährigen Angeklagten vorwirft, sich spätestens 2015 mit anderen Personen zusammengetan zu haben, um mit der Sprengung von Geldautomaten eine Einkommensquelle zu erschließen. Zur Bank in den Kraichgau fuhren die Täter laut Anklage aus den Niederlanden, wo die Ermittler schon länger eine auf Geldautomaten spezialisierte Bandenstruktur vermuten. Anfang Februar hat es in den Niederlanden eine Razzia gegeben. Die dabei Festgenommenen werden mit mehr als 50 gesprengten Geldautomaten und 5,2 Millionen Euro Beute in Verbindung gebracht.

„Unser Mandant war an der Tat nicht beteiligt“, gibt Verteidiger Christoph Pawlowski zu Protokoll. Der Angeklagte, der mit dunklem Brillenrand und akkurat gegeltem Haar eher den Eindruck eines Studierenden macht als den eines schweren Kriminellen, sagt nichts. Über Kopfhörer bekommt er jedes Wort ins Niederländische übertragen, dafür sorgen zwei Dolmetscherinnen, die gegenüber auf der Tischseite der Anklägerseite sitzen.

Der am Tattag mit gestohlenen Kennzeichen ausgestattete Fluchtwagen soll später in den Niederlanden sichergestellt worden sein. Darin fanden die Ermittler offenbar für den Angeklagten belastendes DNA-Material.

Mehrere Tatvorwürfe

Schwerer Bandendiebstahl, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, Sachbeschädigung und Urkundenfälschung wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vor. Eine Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr sieht das Strafgesetzbuch allein für das Auslösen einer Explosion vor. Ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe stehen auf schweren Bandendiebstahl.

Drei Videosequenzen, die der Vorsitzende Richter Jochen Herkle abspielt, haben Kameras im Bankvorraum aufgezeichnet. Sie belegen, wie gezielt und schnell die Tat sich abgespielt haben muss. „Vor dem Eingang lagen zwei Geldscheine und ein Geißfuß“, erinnert sich ein Polizeibeamter, der als erster zum Tatort kommt.

Gegenüber der Bank liegt eine Bäckerei, das Kreditinstitut befindet sich in einem kleinen Hof. „Auf geht’s“ soll ein Täter gerufen haben, als er mit einem Komplizen nach der Tat in den Fluchtwagen stieg, sagten Zeugen ihm.

Teile der Decke hängen herab

Der Filialleiter berichtet von einem stark beschädigten Innenbereich: „Wände und Türen waren zerstört, teilweise hing die Decke herunter.“ Eine Glas-Schiebetür war mit einer Axt zertrümmert worden, heißt es in der Anklage weiter - offenbar gelangten die Täter so an die Hinterseite des Tresors, der zu dem Geldautomaten gehörte. Auf rund 56 000 Euro wird der Schaden am Gebäude der Bank beziffert.

Es habe „fast ein Jahr“ gedauert, bis die Folgen des Überfalls restlos beseitigt und ein neuer Geldschrank funktionstüchtig gewesen sei, erinnert sich der Filialleiter. Fünf weitere Verhandlungstermine sind für den Prozess eingeplant, insgesamt acht Zeugen haben die Richter zunächst geladen.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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