Landgericht

Mordprozess in Heidelberg: Rentner schweigt zu Vorwürfen

Der 66-jährige Sinsheimer steht wegen Mordes an seine Frau vor dem Heidelberger Landgericht, zu den Vorwürfen schweigt er im Gerichtssaal

Von 
Michaela Roßner
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Der 66-jährige Angeklagte vor dem Heidelberger Landgericht © miro

Heidelberg. Das Porträt zeigt eine blonde, lächelnde und jung wirkende, gepflegte Seniorin. Vor gut einem halben Jahr verschwindet die Ehefrau und Mutter aus Sinsheim plötzlich. Einen Tag später wird ihre Leiche in ihrem Wagen, auf einem Parkplatz abgestellt, gefunden. Nun muss sich jener Mann wegen Mordes vor dem Heidelberger Landgericht verantworten, mit dem sie 43 Jahre verheiratet war. Er schweigt zu den Vorwürfen. „Sie war die Liebe meines Lebens“, berichtet der Angeklagte unter Tränen schluchzend am ersten Prozesstag. Auch die beiden erwachsenen Kinder des Paares zeichnen das Bild eines liebenden Paares, dem die Familie die Welt bedeutete.

Spätestens in der Nacht des 23. Juni 2022 habe G. den Entschluss gefasst, seine Frau zu töten, formuliert Oberstaatsanwältin Kerstin Anderson. Am Morgen habe er sich der arglosen Gattin im Keller genähert, habe ihr den Mund zugehalten und ihr mit einem schweren Gegenstand auf den Kopf geschlagen – vermutlich einem Hammer. Den offenen Bruch am Kopf überlebte die Rentnerin nicht. Sie verlor die Besinnung und erstickte an Erbrochenem. Das Motiv des mutmaßlichen Mörders aus Sicht der Anklagebehörde: G. habe es auf die Hinterbliebenenrente seiner Frau abgesehen. Die Leiche wird Stunden später im Kofferraum des Kleinwagens der Frau auf einem Parkplatz im Gewerbegebiet gefunden. Drei Wochen später wird der 66-Jährige verhaftet.

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Persönlichkeit rätselhaft

G. trägt ein jeansblaues Hemd unter dem auberginefarbenen Pulli. Sein weißes Haar wirbelt nach „Einstein-Art“ um sein fahles Gesicht, ein grauer zierlicher Schnauzbart verstärkt diese Ähnlichkeit. Doch ist dieser Sinsheimer aus eher kleinbürgerlichen Verhältnissen ein eiskalter Mörder? „Ich muss glauben, dass ich 31 Jahre lang einen anderen Menschen als Vater hatte“, lässt der entsetzte Sohn das Schwurgericht unter dem Vorsitz von Joachim Herkle an seinen Gedanken teilhaben.

Im gut gefüllten Gerichtssaal sitzen offensichtlich viele Menschen, die in und um Sinsheim leben. Zum Teil kopfschüttelnd verfolgen sie, wie sich das scheinbar untadelige Leben der vorbildlichen Familie vor ihnen ausbreitet. „Man kannte meine Mutter“, beschreibt die 39 Jahre alte Tochter die Persönlichkeit der Verstorbenen, die schnell Kontakt zu Mitmenschen gefunden habe. Die gelernte Frisörin hatte neben Hausarbeit und Kindererziehung unter anderem als Kassiererin und Reinemachfrau mehr als 40 Jahre lang gearbeitet. Als sie – kurz nach ihrem Mann – in Rente ging, habe es sich das Paar „richtig schön gemacht und die gemeinsame Zeit in Haus und Garten und vor allem mit den Enkeln genossen“: „Das habe ich Ihnen so gegönnt, sie hatten beide ihr Leben lang hart gearbeitet.“

Beim Tanzen lernte der gelernte Schlosser die Frau kennen, die bald seine wurde. Sie habe „Leben ins Haus gebracht“, während der Vater immer „der Ruhige“ gewesen sei, charakterisiert die Tochter weiter. Alle 14 Tage habe er „der Liebe seines Lebens“ einen Blumenstrauß mitgebracht, „als Dankeschön für all das, was sie geleistet hat“, erzählte der Witwer unter Tränen.

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„Wir haben eine sehr gute Ehe geführt, hatten nie groß Streit, höchstens mal wegen der Kinder“, unterstreicht der Angeklagte. „Dann haben wir uns über die Probleme sachlich unterhalten. Schreien bringt ja nichts.“ Von Debatten oder gar Handgreiflichkeiten berichten auch die inzwischen nicht mehr im Haus lebenden Kinder nichts. Während eine 70-köpfige Soko nach Anhaltspunkten für einen Täter sucht, versucht die Familie das Unfassbare durchzustehen. Offenbar auf unterschiedliche Art: Während die Tochter gesteht, „wir gehen gerade durch die Hölle des Lebens, wir funktionieren nur noch“, scheint der Vater aus ihrer Sicht „recht schnell wieder zur Normalität zurückkehren zu wollen“: Der Rentner bestellt sich Kleidung im Internet – davor eine Passion seiner Frau –, taucht ungewohnterweise im Erlebnisbad auf und wird offenbar ausweichend, wenn seine Kinder mit ihm darüber sprechen wollen, wer ihrer Mutter so etwas angetan haben kann.

Kleine Seltsamkeiten

Im Nachhinein erinnern sich die Angehörigen nun an seltsame Ereignisse, die am Glanzbild des bescheidenen und ganz auf das Wohl der Kinder und Enkel ausgerichteten Familienoberhaupts kratzen: So habe er einmal Geld von Omas Konto abgehoben und einen ganzen Tag lang geleugnet, dass er es war, erinnert sich die Tochter. Zwei Tage nach dem Leichenfund habe ihr Vater sie außerdem überraschend gebeten, beim Entsorgen eines Staubsaugers zu helfen.

Ein stichfestes Alibi scheint der 66-Jährige nicht zu besitzen: Er gab der Polizei gegenüber an, an jenem Vormittag spazieren gegangen und ansonsten alleine daheim gewesen zu sein. Am Abend des Verschwinden schwärmen die Kinder und Freude aus, die Vermisste zu suchen. „Mein Vater hat gesagt, er bleibt daheim und passt auf meine Kinder auf“, erinnert sich die Tochter.

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