Geschichte

Kurpfälzer Wurzeln der Queen

Unsere Region hat enge Beziehungen zum englischen Königshaus: Wer in London den Thron besteigen will, muss Nachfahre von Sophie, Tochter des Heidelberger Regenten des 17. Jahrhunderts, sein – so bestimmt es ein noch heute gültiges britisches Gesetz.

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Konstantin Groß
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Prinz William mit Ehefrau Kate im Juli 2017 in Heidelberg vor der Kulisse des Schlosses (links) auf der Alten Brücke. „Das ist der Boden, auf dem meine Vorfahren agierten“ – ob er das gerade sagt, wissen wir nicht. Doch er könnte es mit Recht tun. © dpa

Es ist der 20. Juli 2017. Seine Königliche Hoheit, Prinz William, Herzog von Cambridge, und seine Frau Kate besuchen Heidelberg. Sie zeigen sich auf dem Marktplatz, überqueren die Alte Brücke, sehen von dort hoch zum Schloss, rudern sogar auf dem Neckar. Für den künftigen britischen König und seine Gemahlin wie für die Kurpfalz ist es ein – um es in der Sprache der Gäste zu sagen – „Back to the Roots“, zurück zu den Wurzeln. Denn die sind kurpfälzisch.

Die Verbindung zwischen den rheinpfälzischen Geschlechtern und dem englischen Königshaus reichen zurück bis ins 12. Jahrhundert und damit in die legendären Dynastien der Tudors und Stuarts. Weltpolitisch relevant wird eine solche Verbindung nach der Reformation 1517 im Zeitalter der Glaubensspaltung.

Seit der Amtszeit von Königin Elizabeth I. (1558 bis 1603) ist es Ziel Londoner Politik, eine protestantische Front zu schmieden – von der Kurpfalz über Hessen bis nach Böhmen. Dadurch sollen eines Tages in ganz Mitteleuropa die katholischen Habsburger entmachtet werden.

Heirat als Machtpolitik

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts ist es der englische Kronprinz Henry, der dieses Ziel energisch verfolgt und daher seine zwei Jahre jüngere Schwester Elisabeth mit Friedrich V. von der Pfalz verkuppelt. Zwar wird Henry von politischen Kräften, die dies verhindern wollen, vergiftet; die Hochzeit findet dennoch statt.

Im Februar 1613 heiraten Friedrich und Elisabeth (beide 16) in der Kapelle des Londoner Whitehall-Palastes. Es folgt die triumphale Fahrt auf dem Rhein in die Kurpfalz. 35 Schiffe transportieren Kleidung und Geschirr, Kunstgegenstände und Mobiliar – für das Volk an den Hängen der Rebenlandschaft im Rheintal natürlich ein Ereignis. Die Frischvermählten sind für damalige Verhältnisse also Medienstars, wie es heute die jungen Royals sind.

In Oppenheim geht der Tross an Land, fährt durch die Pfalz und über Ladenburg nach Heidelberg. Auf einer Schiffsbrücke über den Neckar vom Neuenheimer zum Bergheimer Feld hält die von sechs Schimmeln gezogene Staatskarosse Einzug in der Universitätsstadt. Über den Kornmarkt geht es hinauf zum Schloss, das aus diesem Anlass erstmals illuminiert wird – Beginn einer bis heute bestehenden Tradition.

Die komplizierten Regeln zur Thronfolge

Alle englischen Monarchen seit 1727, die heutige Queen Elizabeth II. eingeschlossen, sind direkte Nachfahren von Georg I., der wiederum Sohn von Sophie von der Pfalz ist, Tochter des Kurfürsten Friedrich V. und seiner englischen Ehefrau Elisabeth.

Das englische Gesetz von 1701 be-stimmt, dass Katholiken von der Thronfolge ausgeschlossen sind. Die Vorgabe gilt in diesem Punkt seit mehr als 300 Jahren unverändert.

Es gab jedoch eine Änderung 2015: Damals wurde bestimmt, dass die Thronfolge unabhängig vom Geschlecht erfolgt, Frauen also nicht länger benachteiligt werden. Allerdings wirkte sich diese Neuregelung erst auf hinteren Rängen aus: Senna Lewis (geboren 2010), bislang Rang 29, tauschte den Platz mit ihrem Bruder Tane (geboren 2012), bislang 28.

Die Liste der Thronfolger umfasst mehr als 500 Namen. Auf Platz 1 steht der älteste Sohn der Queen, Prinz Charles (69). Ihm folgt sein Sohn William, auf den Plätzen drei bis fünf dessen Kinder George (geboren 2013), Charlotte (geboren 2015) und der vor kurzem geborene Louis. Auf Platz 6 steht Williams Bruder Harry und auf Platz 7 der zweite Sohn der Queen, Prinz Andrew (der Ex-Mann von Fergie).

Aufgrund der verwandtschaftlichen Verhältnisse sind auch Monarchen anderer Staaten Thronfolger, allerdings erst auf weit hinteren Rängen: Harald V. von Norwegen auf Platz 73, König Carl XVI. Gustaf von Schweden auf Platz 283 und Königin Margrethe II. von Dänemark auf Platz 321. Der erste Anwärter aus Deutschland steht auf Rang 159 und gehört dem Adelshaus Leiningen an. -tin

Elisabeth bewohnt Räume, die den Palästen in London kaum nachstehen – mit prächtigen orientalischen Teppichen und kunstvoll geschnitzten Möbeln. Gobelins an den Wänden schildern in dramatischen Szenen Heldenschicksale der Antike und aus der Bibel. Der Festsaal bietet Marmorboden und monumentale Gemälde von Rubens. Im Außenbereich wird das felsige Gelände planiert, aufgeschüttet und als Terrasse angelegt. Erst durch diese Veränderung im Westen des Bauwerks wird die Festung wirklich zum Schloss.

Mehrere Monate lang gastiert eine Truppe aus William Shakespeares legendärem „Globe Theatre“ im Schloss. Unter dem Eindruck dieser Aufführungen lässt der Kurfürst im „Dicken Turm“ einen Saal für Theatervorstellungen errichten.

Das Glück ist perfekt, als am Neujahrstag 1614 Kronprinz Heinrich, das erste von 13 Kindern des Paares, das Licht der Welt erblickt. In London ruft der König das Parlament zusammen, um dem kleinen Pfälzer feierlich einen Platz in der englischen Thronfolge zuzuerkennen. Als Geschenk zur Taufe erhält der Säugling eine Badewanne aus Gold – benetzt mit Wasser der Themse.

Doch dunkle Zeiten deuten sich an. 1618 wird über der Kurpfalz ein Komet gesichtet, dessen Schweif angeblich auf das Heidelberger Schloss zeigt. Im gleichen Jahr beschließt der aufständische protestantische Adel in Prag, Kurfürst Friedrich, dem Repräsentanten des Protestantismus in Deutschland, die böhmische Königswürde anzutragen. Friedrich ist unschlüssig, Elisabeth rät ihm zu, ermuntert vom missionarischen Erzbischof von Canterbury.

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Im Herbst 1619 bricht der kurpfälzische Hofstaat nach Prag auf. Mit einem Hofball auf der Schlossterrasse verabschieden sich Friedrich und Elisabeth, bereits in den Prunkgewändern des Königs und der Königin von Böhmen, aus ihren kurpfälzischen Stammlanden. Elisabeth ahnt nicht, dass sie Heidelberg niemals wiedersehen wird.

Am 31. Oktober 1619 trifft der 100 Wagen und 500 Personen starke Tross in Prag ein. Hoch zu Ross überquert der neue König die Brücke über die Moldau, während seine Gemahlin in der Kutsche folgt. Glücklich werden sie hier nicht. Nicht nur, weil dem Hradschin, der Prager Burg, das blühende Umfeld des Heidelberger Schlosses fehlt. Vielmehr markieren die Thronbesteigung und die Reaktion der katholischen Habsburger darauf eine Serie von Auseinandersetzungen, die als Dreißigjähriger Krieg (1618 bis 1648) in die Geschichte eingehen sollen.

„Unglückspaar“ der Geschichte

Vor dem Hintergrund dieser dramatischen historischen Ereignisse gerät das Schicksal des Paares aus Heidelberg in den Hintergrund. Im Schneetreiben muss Friedrich aus Prag fliehen, geht daher unter dem durchaus höhnischen Beinamen „Winterkönig“ in die Annalen ein. Auf der Flucht bringt Elisabeth in einer preußischen Festung ihr nächstes Kind zur Welt. Erst im protestantischen Holland findet das Paar etwas Ruhe.

Kurfürst Friedrich V. und seine Gemahlin Elisabeth im Ornat der Königswürde von Böhmen, die so schicksalhaft für sie werden sollte. © Kurpfälzisches Museum Heidelberg

Doch die Schreckensnachrichten reißen nicht ab. 1622 wird Heidelberg von den Katholiken erstürmt, die Bibliothek, die berühmte „Palatina“, aus dem Schloss nach Rom geschafft und dem Papst zum Geschenk gemacht. 1629 ertrinkt Kronprinz Heinrich mit 15 Jahren bei einem Schiffsunglück unter schauerlichen Umständen; als seine Leiche gefunden wird, ist die Wange am Mast festgefroren, sind die Glieder durch die Takelage zertrümmert.

Und 1632 erliegt schließlich auch Kurfürst Friedrich mit nur 36 Jahren einer Pest-Infektion. In stürmischer Fahrt wird sein Sarg, der dabei mehrfach vom Wagen fällt und sich öffnet, zunächst in die Pfalz überführt, muss dann jedoch Richtung Westen in Sicherheit gebracht. In Sedan verliert sich seine Spur; das Herz wird gerettet und in der Katharinenkirche von Oppenheim bestattet.

Erst 1648 hat das Drama für das gesamte Land und für Elisabeth ein Ende. Als Folge des Westfälischen Friedens wird ihr Sohn Karl-Ludwig Kurfürst einer verkleinerten Pfalz. Sie selbst kehrt ein Jahr vor ihrem Tode 1661 nach England zurück, wo sie mit einem Staatsbegräbnis in der Westminster-Abbey beigesetzt wird.

Historische Bedeutung erhält ihre jüngste Tochter, Sophie, geboren 1630. 1658 heiratet sie auf dem Heidelberger Schloss Ernst August Herzog von Braunschweig. Als der Pfarrer ihre Hand in die ihres Gemahls legt, da erfüllt Kanonendonner das gesamte Neckartal.

Gemäß Tradition folgt der kirchlichen Trauung die feierliche „Copulatio“, zu der das Brautpaar unter Fanfarenklängen zum Hochzeitslager geführt wird. „Was sie da getan haben, wissen sie beide am besten“, schreibt Kurfürst Karl Ludwig am Tag danach vieldeutig: „Heute sind sie um halb zwölf aufgestanden.“

Dem Paar wird denn auch reicher Nachwuchs beschert – sechs Söhne und die Tochter Sophie Charlotte; sie heiratet den Preußen-Prinzen Friedrich; ein Nachfahre ist der spätere König Friedrich der Große.

Doch historisch bis zum heutigen Tage prägend wird ihre Wirkung auf das englische Königshaus. Um den Protestantismus als Staatsreligion dauerhaft zu etablieren, verabschiedet das englische Parlament 1701 den „Act of Settlement“. Gemäß diesem Thronfolgegesetz sind Katholiken von der Königswürde auf Dauer ausgeschlossen. Und Sophie von der Pfalz ist zu jenem Zeitpunkt die nächste protestantische Verwandte.

Unerfüllte Hoffnung auf Thron

Königin wird Sophie dennoch nicht. Sie verstirbt in ihrem 84. Lebensjahr während eines Spaziergangs im Garten von Schloss Herrenhausen bei Hannover am 8. Juni 1714 – 64 Tage vor der englischen Königin Anne, die sie doch hätte beerben können.

So kommt erst Sophies Sohn zum Zuge. Denn da die nächsten Verwandten von Queen Anne katholisch sind, besteigt er als Georg I. 1714 den Thron in London. Allerdings bleibt er Herzog von Braunschweig, weshalb der Beginn seiner Herrschaft von patriotischen Kräften in England als eine Art feindliche Übernahme empfunden wird. Zumal Georg so oft es geht nach Hannover zurückfährt, wo er 1727 auch stirbt und sogar begraben wird.

Und dennoch ist er Stammvater einer Dynastie, die noch heute regiert (Queen Elizabeth II. ist seine direkte Nachfahrin). Und das wird auch so bleiben. Denn das Gesetz von 1701 gilt noch immer.

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