Heidelberg. Innovation im Heidelberger Krankenhaus Salem: Mit einer neuen Methode wird im Kreißsaal der Klinik das zur Schmerztherapie eingesetzte Lachgas aufgespalten. So wird der Ausstoß des Treibhausgases verringert. Somit könnten die werdenden Mütter ohne zusätzliche Belastung für die Umwelt von dieser Schmerztherapie profitieren.
Außerdem werde das Personal im Kreißsaal zusätzlich geschützt, da der berufliche Kontakt mit Lachgas reduziert werde. Das Heidelberger Krankenhaus ist nach eigenen Angaben die erste Klinik in Deutschland, die eine solche Cracking-Unit einsetzt und sei damit „ein Pionier auf dem Sektor klimafreundlicher Kreißsaal“.
Lachgas wird in Krankenhäusern zur Schmerztherapie genutzt und kommt unter anderem im Kreißsaal bei Geburten zum Einsatz. Es erleichtert den Geburtsverlauf, in dem es entspannt und die Schmerzen reduziert. Die Vorteile von Lachgas, gerade bei Geburten, liegen auf der Hand: „Die Wirkung setzt nach wenigen Atemzügen ein, sodass jede Wehe abgefangen werden kann.
Ebenso schnell lässt die Wirkung auch wieder nach. Andere Schmerzmittel, zum Beispiel in Tablettenform oder auch per Schmerzkatheter, brauchen sehr viel länger, um ihre Wirkung zu entfalten und sind nicht in jeder Phase der Geburt einsetzbar“, sagt Stephanie Snyder-Ramos, Klimamanagerin der Klinik und Fachärztin für Anästhesiologie. Sie hat die neue Methode gemeinsam mit Petra Beuter-Winkler, der Leitenden Oberärztin in der Gynäkologie und Geburtshilfe, in Salem eingeführt.
Lachgas hat 300-fach stärkere erderwärmende Wirkung als CO₂
Für die Schmerztherapie wird über eine Maske im Gemisch aus 50 Prozent Sauerstoff und 50 Prozent Lachgas verabreicht. Dadurch sei eine sichere Therapie möglich, ohne dass relevante Nebenwirkungen bei der Mutter auftreten. Eine Gefahr für das Kind bestehe durch das Gas ebenfalls nicht. „Gerade durch das schnelle Abfluten und die gute Steuerbarkeit von Lachgas ist das Kind nicht beeinträchtigt. Studien haben gezeigt, dass Kinder, deren Mütter Lachgas unter der Geburt erhalten haben, genauso fit sind wie Kinder ohne Lachgas“, erklärt Beuter-Winkler.
Allerdings hat Lachgas auch einen Nachteil: „Es handelt sich um ein Treibhausgas mit einer fast 300-fach stärker erderwärmenden Wirkung als CO₂. Es hat eine atmosphärische Verweildauer von über 120 Jahren und greift die schützende Ozonschicht in der Stratosphäre an“, weiß Snyder-Ramos. Somit stecke man in einem ethischen Dilemma: „Einerseits der Benefit der Schmerztherapie, andererseits die Klimaschädlichkeit, was die Zukunft des Kindes gefährdet, sprich die Klimagerechtigkeit für kommende Generationen beeinträchtigt.“
Andere Krankenhäuser hätten Lachgas aufgrund seiner Klimaschädlichkeit sogar ganz aus dem Sortiment genommen. Die Lösung für das Problem stellt eine sogenannte Cracking-Unit dar. „Diese fängt das überschüssige Lachgas über die Maske wieder ein und spaltet es mittels thermischer Katalyse, also durch Hitze, in seine Bestandteile Sauerstoff und Stickstoff auf. Dadurch wird das Lachgas unschädlich gemacht“, erklärt Snyder-Ramos.
Cracking-Unit in Skandinavien, Kanada und Australien schon länger im Einsatz
Als Klimamanagerin in Salem suche sie stetig nach Maßnahmen, die geeignet sind, den CO₂-Fußabdruck der Klinik zu senken und im Krankenhaus eine nachhaltige Transformation voranzutreiben. Und da rund 30 Prozent des medizinisch verwendeten Lachgases aus der Geburtshilfe stamme, sei hier die Reduktion der Emissionen besonders wichtig. Ohne die Cracking-Unit werde pro Minute Lachgastherapie drei Kilogramm CO2ä freigesetzt – das entspreche durchschnittlich 273 Kilogramm COä pro Anwendung/Geburt.
Mit der Cracking Unit werde dies auf rund ein Fünftel reduziert, also auf rund 55 Kilo COä pro Anwendung. Die Abkürzungen CO2ä oder CO2e stehen für „CO₂-Äquivalent“ und sind eine Maßeinheit, die verwendet wird, um die Auswirkungen verschiedener Treibhausgase auf das Klima zu vergleichen und zu quantifizieren. „Über Klimaschutzorganisationen und medizinische Fachliteratur war mir bekannt, dass in skandinavischen Ländern sowie in Kanada und Australien schon länger Cracking-Units eingesetzt werden. Allerdings war es nicht leicht, einen entsprechenden Anbieter in Deutschland zu finden“, erinnert sich Snyder-Ramos.
Seit Mitte Mai werde das Gerät nun in der Heidelberger Klinik eingesetzt – bislang mit guter Resonanz. „Aktuell führen wir eine Anwendungsstudie durch, um die Praxistauglichkeit, die Therapieeffektivität und die Anwenderfreundlichkeit der Cracking-Unit evidenzbasiert zu überprüfen. Dafür verwenden wir einen standardisierten Fragebogen und messen demnächst auch die Lachgaskonzentration in der Raumluft während der Therapie. Dies dient unter anderem dem Schutz des Personals, das dem Lachgas berufsbedingt chronisch ausgesetzt ist“, informiert Beuter-Winkler.
Und das aus gutem Grund: „Studien zeigen, dass es bei einer Langzeittherapie mit Lachgas zu Beeinträchtigungen des Immunsystems und des Blutbildes kommen kann – vor allem dann, wenn bereits ein Mangel an Vitamin B12 besteht. Auch kann es zu neurologischen Störungen kommen, wenn eine chronische Exposition besteht. Deshalb ist die Cracking-Unit auch ein wichtiger Beitrag zum Schutz der Gesundheit des Personals.“
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