Kultur

Kinonacht soll Lust auf Filme wecken

60 bis 70 Prozent weniger Kinogänger während der Pandemie: Das Publikum kehrt nur langsam zurück in die Vorführsäle. In Heidelberg gibt eine Kinokonzeption Tipps, wie sich das ändern lässt

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Michaela Roßner
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Das „Gloria“-Kino in der Hauptstraße ist eines von noch drei Kinos in Heidelberg. Wie dieses und andere Filmhäuser gefördert werden, zeigt eine Studie. © Philipp Rothe

„Monsieur Claude“ feiert sein großes Fest, Emma Thompson erlebt schöne „Stunden mit Leo“ und in „Corsage“ wird „Sisi” neu erfunden. Das Problem: Nur wenige Zuschauer wollen dabei sein. Nach der Pandemie-bedingten Schließung erleben die Kinos landauf, landab einen Besucherrückgang. 60 bis 70 Prozent weniger Kinogänger zählt die Branche im Vergleich von 2019 und 2021. In Heidelberg hat die Stadt im vergangenen Jahr eine Situations- und Potenzialanalyse in Auftrag gegeben.

Das Ergebnis liegt nun gedruckt vor und soll ab Herbst in den Gemeinderatsgremien diskutiert werden. Bürgermeister Wolfgang Erichson, Kulturamtsleiterin Andrea Edel und die Autorin der Studie, die Soziologin und Kulturwissenschaftlerin Morticia Zschiesche, stellten die Ergebnisse nun vor. Mit einer Kinonacht am 2. Oktober soll die Szene im Herbst unter anderem wachgeküsst werden.

„Die Krise des Kinos ist auch eine Krise des öffentlichen Raums“, fasst Zschiesche zusammen. Das Publikum altert, die Konkurrenz von Streamingdiensten und anderen audiovisuellen Angeboten ist groß. Reguläre Programme haben es zwischen Blockbustern schwer. Corona hat die Situation der Kinos verschärft. Und den Investitionsstau vergrößert. Aber: Sie seien wie keine anderen Einrichtungen „Orte der gesellschaftlichen Zusammenkunft sowie der kulturellen und demokratischen Bildung“, betont Zschiesche. Filmtheater böten über das Medium Film einen „niedrigschwelligen Zugang zu unzähligen Sprachen, Milieus und Kulturen in allen Film-Genres“.

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Vom modernen Multiplex über kleinere Arthouse- und kommunale Kinos gebe es in Heidelberg an vier Kinostandorten das gesamte Spektrum an Kinoangeboten. Sie müssten gestützt werden. Beispiel kommunale Kinos: „Die nicht zuletzt durch Budgetmangel entstandenen, ehrenamtlichen Strukturen von Vereinen sind an Grenzen gekommen und führen zu hoher Fluktuation“, analysiert die Autorin der Kinokonzeptionsstudie und empfiehlt professionelle Strukturen.

Akteure befragt

Von November 2021 bis Juni 2022 hatte sie unter anderem 17 von 21 Akteuren der Kinoszene gefragt - vom Kinobetreiber bis zur Leiterin des Montpellierhauses. Am Ende ihres Berichts nennt die Film- und Sozialwissenschaftlerin sechs Handlungsempfehlungen. So solle die Film- und Kinokultur in allen städtischen Bereichen und vor allem der Stadtplanung automatisch mitgedacht werden - etwa so, wie schon jetzt die jeweiligen sozialen, ökonomischen oder ökologischen Aspekte miterörtert werden. Ganz konkret nannte die Autorin Leerstände in der Innenstadt als Chance, Filmkultur etwa durch die Einrichtung eines ständigen Festivalcafés zu fördern.

In Heidelberg haben seit 2005 mehrere Kinos geschlossen. Im bis dahin größten Lichtspielhaus „Harmonie/Lux“-Kinocenter in der Altstadt werden seit November 2011 keine Filme mehr gezeigt; das Kino ist zu einem Supermarkt umgebaut worden. Immerhin öffnete vor fünf Jahren das „Luxor“-Kinocenter im Stadtteil Bahnstadt. Doch auch Inhaber Jochen Englert sieht seinen Betrieb in der Existenz bedroht, wenn die Kinolust nicht wieder zunimmt. Eine Kampagne „Heidelberg ist Kinostadt“, ein gemeinsamer Filmkulturkalender oder eine digitale Informationsplattform, kostenfreie Flächen für Werbung sowie die öffentliche Förderung von mobilen Kinoformaten und Film-Open-Airs, auch als Werbefenster für Heidelberger Kinos und Festivals, sind weitere Vorschläge zur Wiederbelebung des Interesses bei den Kinogängern.

Festivals erfolgreich

Groß bleibe das Interesse an Filmfestivals, das empfiehlt die Autorin der Studie zu nutzen - als Imageträger und Marktplatz zum Beispiel. In „fachlich kuratiertem Kino mit Event-Charakter“ sieht die Expertin ebenfalls großes Potenzial - und hier kämen auch Institutionen wie die Universität als Veranstalter hinzu, etwa mit Filmreihen zu wissenschaftlichen Themen.

Am 20. Oktober soll die Kinokonzeption im Kulturausschuss des Gemeinderats diskutiert werden - rechtzeitig zu den Haushaltsdiskussionen, bei denen auch die Gelder für die Kulturarbeit verteilt werden.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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