Heidelberg. Sieben Meter tief ist die Grube, an deren Grund riesige hydraulische Zylinder die Kanalrohre in einen Tunnel pressen. Über ein Gerüst, welches am Spritzbeton der Wände verankert ist, gelangen die Teilnehmenden des Pressetermins am Freitag in der Heidelberger Speyerer Straße nach unten. Dort angekommen klettern sie zwischen den Zylindern hindurch, bevor der Blick in den 160 Meter langen Tunnel frei wird. In ihm hängen alle paar Meter Lampen an der Decke - ebenso ein dickes Bündel aus Kabeln und Leitungen. Die Atmosphäre ähnelt der eines Mienenschachts.
Infrastruktur für Bahnstadt
Die Baumaßnahme gehört zur neuen Infrastruktur in der Heidelberger Bahnstadt, die zurzeit gebaut wird. „6.800 Menschen sollen hier einmal wohnen. Dafür braucht es die nötige Infrastruktur - über und unter der Erde“, erklärt Erster Bürgermeister Jürgen Odszuck. Der neue Großkanal verläuft von der Speyerer Straße bis zur Einsteinstraße und damit unter der noch nicht vorhandenen Newtonstraße. Diese wird erst in etwa acht Jahren gebaut. Dagegen sind die unterirdischen Arbeiten bereits in vollem Gange.
Den Anschein einer großen Baustelle machen der Kran und die Container auf dem kleinen Parkplatz und der Speyerer Straße jedoch nicht. „Man kriegt von der Baustelle nichts mit“, erklärt auch Klaus-Peter Hofbauer, Amtsleiter des Tiefbauamts der Stadt Heidelberg. Durch das angewandte Verfahren des Schildbohrens konnten Straßensperrungen und Verkehrsbehinderungen verhindert werden. Erst der Gang durch die im Durchmesser zwei Meter große Röhre gibt die Dimensionen der Arbeiten frei. Dennoch sind die Arbeiten schnell vorangeschritten: Die Bohrung hat erst am 6. Dezember begonnen.
„Wir haben in zwei Schichten Tag und Nacht gearbeitet“, erklärt Benjamin Spiess, der die Bauleitung des Projekts übernommen hat. Dass alles reibungslos verlaufen ist, sei auch dem erfahrenen Bohrmeister Ingo Osel zu verdanken, sagt Stefan Ambiel vom Albrecht Ingenieurbüro, die an der Planung beteiligt sind. „Wir haben nur acht Zentimeter Gefälle auf der gesamten Länge von 160 Meter“, sagt Ambiel. Diese Schwierigkeit plus der Fakt, dass der Tunnel gerade verläuft, haben die Aufgabe nicht leicht gestaltet. Osel merkt an: „Gerade zu bohren ist schwieriger als eine Kurvenfahrt.“ Der Grund hierfür sei, dass die Abweichungen, die durch die Beschaffenheit des Bodens entstehen, stets manuell erfasst und korrigiert werden müssen. Dennoch sei es zu maximalen Abweichungen von nur zwei Zentimetern gekommen - laut offizieller Toleranz hätten es bis zu fünf werden dürfen.
Trockenwetterrinne folgt
Damit das Mischwasser, wie das Abwasser genannt wird, auch ohne Regen ausrechend Fließgeschwindigkeit hat, wird die Röhre vor Inbetriebnahme mit einer Trockenwetterrinne ausgestattet. Diese verengt den Boden des Kanalrohres, sodass es durch die erhöhte Geschwindigkeit nicht zu Ablagerungen kommt. „Bei Starkregen ist aber auch das ganze Rohr gefüllt“, weiß Uwe Ludwig vom Abwasserzweckverband Heidelberg, die das Projekt als Bauherren in Auftrag gegeben haben.
Alter Kanal im Weg von Neubauten
Der bisherige Großkanal verläuft unter Privatgrundstücken von der Gottlieb-Daimler-Straße bis zur Max-Jarecki-Straße. Auf einigen dieser Grundstücke wird ab 2023 von der Max-Jarecki-Stiftung gebaut. Aus statischen Gründen können die geplanten Hochbauten jedoch nicht auf einem Großkanal stehen. Deshalb hat sich die Stadt dazu entschieden, den neuen Kanal zu bauen und den alten zuzuschütten. Bis Oktober kommenden Jahres sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein. „Bisher hat alles erstaunlich gut geklappt“, blickt Hofbauer auf den zweiten Bauabschnitt der zukünftigen Newtonstraße zurück. Der Bürgermeister bestätigt: „Wir sind zurzeit vor dem Zeitplan und auch bei den Kosten sind wir im Rahmen.“ 2,8 Millionen Euro wird die Maßnahme von der Planung bis zur Durchführung kosten. Insgesamt rechnet die Stadt mit Investitionen in Höhe von 300 Millionen Euro alleine für die Infrastruktur in der Bahnstadt.
Im nächsten Bauabschnitt wird ein zweiter Kanal unter der Speyerer Straße bis zur Gottlieb-Daimler-Straße gebaut. Dieser hat eine Länge von 65 Metern. Anschließend werden noch zwei kleinere Kanäle an den Großkanal angebunden - allerdings in offener Bauweise. Danach sind die Tunnel Teil des 500 Kilometer langen Systems in Heidelberg.
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