Heidelberg. Sie wird später mit 17,50 Metern Höhe fast so hoch sein wie das neue Kongresszentrum gegenüber: In der Bahnstadt, an der Einsteinstraße, entsteht eine Kältezentrale. Sie verschafft Passivhäusern wie Büros und dem neuen Hotel am Hauptbahnhof in der warmen Jahreszeit Kühlung. Im Frühjahr 2022 soll sie in Betrieb gehen.
Alle Häuser in der Bahnstadt - auch die Feuerwache, das Kino und Gartenmärkte - sind auf den Passivhausstandard verpflichtet. Das bedeutet , dass möglichst keine Energie für Wärme zugeführt werden muss. In privaten Wohnungen wird das durch eine besondere Gebäudedämmung und Wärmegewinnung aus der Lüftung geschafft. In Büros und anderen gewerblichen Einheiten sorgen aber technische Geräte wie etwa Computer dafür, dass deutlich mehr Wärme in den Räumen produziert wird als abgeschöpft werden kann - sie benötigen Kühlung.
Passivhaus
- Unter einem Passivhaus versteht man ein Gebäude, das wegen Dämmung und Wärmetauscher Lüftungswärmeverluste verhindert und weitgehend ohne eine Heizung auskommt.
- Das Passivhaus Institut in Darmstadt – es wurde vom Bauphysiker Wolfgang Feist gegründet – gibt als Definition vor: Der Heizwärmebedarf darf nicht höher sein als 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter in einem Jahr. Das entspricht der Energie aus 1,5 Liter Heizöl.
- Charakteristisch für ein Passivhaus ist, dass sich die Innentemperatur kaum verändert.
- Die Heidelberger Bahnstadt gilt als weltweit größte Passivhaussiedlung.
Ab Frühjahr 2022 soll die neue Kältezentrale sie liefern, klimaschonend dank Photovoltaik. Das Projekt der Heidelberger Stadtwerke startet dann mit einer Leistung von sechs Megawatt im Grundausbau. Später soll sie etwa neun Megawatt Leistung bringen. Die Erdarbeiten haben begonnen.
Ein „Nicht-Gebäude“ entsteht
„Es ist eigentlich ein ,Nicht-Gebäude‘“, erklärt Carsten Hindenburg, der das Energieunternehmen bei den Projekt berät. Warum? „Es hat kein Dach“, ergänzt Baubürgermeister Jürgen Odszuck mit Verweis auf die Definition von Gebäuden in den Baugesetzbüchern. „Alle Technik ist in Modulbauweise in Containern verpackt“, nennt Georg Stier, bei den Stadtwerken zuständig für die Kältezentrale, weitere Details.
Kältezentrale erzeugen mit Absorptionskältemaschinen kühles Wasser, das - analog zur Fernwärme - per Leitung im Boden an die Kunden geliefert wird. Idealerweise müssen dafür keine großen Wegstrecken zurückgelegt werden. Daher werden Gebäude in der Nachbarschaft versorgt.
Die Bauweise der Kältezentrale in der Einsteinstraße ist schlicht und spart damit Geld: Eine Stahlkonstruktion dient als Sichtschutz. Die komplette Fassade wird über einem sechs Meter hohen Betonsockel mit anthrazitfarbenen Photovoltaikelementen besetzt. Sie sollen in der Spitze 130 Kilowattstunden produzieren - im Jahr 1000 Megawattstunden.
Hinter der Fassade werden Kühltürme in Modulen zusammengefügt. Als Kältespeicher dient Eis - es wird in Containertürmen gelagert, bis die Kühlung benötigt wird.
Die ersten Kunden der Kältezentrale stehen schon fest: Benachbarte Büros des Sky-Angle-Komplexes möchten genauso mit Kühlung versorgt werden wie die gerade in den Himmel wachsenden Gebäude auf dem Europaplatz. Dort baut die Gustav Zech Stiftung Management GmbH unter anderem ein elfgeschossiges Hotel. Sie hat bereits fünf Megawatt geordert - also 5000 Megawattstunden.
Weitere Anlage im Kino
Neben der neuen Kältezentrale in der Einsteinstraße betreiben die Stadtwerke Heidelberg bereits seit 2017 im Luxor-Kino der Bahnstadt eine eigene Kältezentrale. Ferner wird aktuell im angrenzenden Heidelberg Innovation Park (hip) eine weitere große Kältezentrale mit insgesamt rund 12000 Kilowatt Kälteleistung errichtet. Auch dort setzen die Stadtwerke auf die klimaschonende Kälteerzeugung mit Kälte aus Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung und einem großen Kältespeicher sowie eine fast 600 Kilowatt große Photovoltaikanlage.
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