Porträt (mit Fotostrecke und Video)

Joar Berge tauscht Partyleben gegen Kuhstall: Der Lebenshof in Mörlenbach

Joar Berge ist so etwas wie ein Kuh-Flüsterer. Warum er für die Rinder sein prickelndes Leben auf den Partys der Welt eintauschte und nun jeden Tag im Stall beginnt

Von 
Michaela Roßner
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Joar Berge mit Ochse Mogli: Warum der IT-Experte sein Partyleben gegen Stall und Weide eintauschte, hat er in seiner Biografie „Kühe kuscheln“ aufgeschrieben. Das Buch erscheint am 3. Mai. © Friedrich Kopetzky

„Am liebsten“, erzählt Joar Berge, „sitze ich auf einer Picknickdecke auf der Weide und schaue ihnen einfach zu.“ Liebevoll gleitet dabei der Blick des 40-Jährigen über seine kleine Kuhherde, die genüsslich Heu mampft und sich vom Besuch nicht stören lässt. Neun Kühe leben auf dem Lebenshof in Mörlenbach, den Berge und der Verein betreiben. Dazu kommen Ziegen, Schweine, Hühner, Puten und andere so genannte Nutztiere. Alle Wesen dürfen ein langes Leben führen, ohne Fleisch, Milch oder andere Produkte liefern zu müssen. Sich um sie zu kümmern, ist für Berge und seine Mitstreiter, die den Verein Lebenshof Odenwald gegründet haben, zum schönsten Hobby und auch zum Lebensinhalt geworden.

Schon als Kind fasziniert

Kühe haben auf den gebürtigen Norweger, der mit seinen Eltern und 13 Geschwistern im ländlichen Teil Hessens aufwuchs, schon immer eine besondere Faszination ausgeübt. Unvergessen Rexi, das Kalb, das vier Jahre lang die beste Freundin des Jungen war. Seine freie Zeit verbringt der Junge mit dem Tier, reitet auf ihm über die Weide und vertraut ihm alle Kindersorgen an.

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Joar Berge wechselt Partyleben gegen Stallluft

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Bis Rexi zum Schlachter muss: Schon nach einem Kalb sei klar gewesen, dass das Tier nicht als Milchkuh rentabel gewesen sei. Dem Kind zuliebe gab der Bauer, dem Rexi gehörte, ihr noch eine zweite Chance in Form eines weiteren Kalbs. „Aber dann war klar, dass sie keine Zukunft hatte.“ Das habe nicht nur ihm, sondern auch allen Erwachsenen, die diese Tier-Mensch-Freundschaft kannten, sehr weh getan, glaubt Berge heute. Rexi behielt immer einen Platz in seinem Herzen und er denkt heute vor allem mit Dankbarkeit an die Zeit zurück. Er wird erwachsen, zieht in die Welt.

Stall statt Partyleben

Der IT-Experte lebt im Mannheimer Stadtteil Käfertal und in der Neckarstadt-Ost, er geht nach Köln - und ist irgendwie auf der ganzen Welt zuhause. „Ich habe ein richtiges Partyleben geführt“, blickt er zurück - und vermisst doch überhaupt nichts. Zuletzt lebt er dort, wo andere Traumurlaube verbringen: in Antibes, an der Côte d’Azur, in der Glitzerwelt der Schönen und Reichen.

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Video: Kleine Kuhherde Mörlenbach

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Aber Berge spürt auch zunehmend eine Leere in sich. „Ich war eigentlich die ganze Zeit auf der Suche“, analysiert er heute. Noch von der französischen Mittelmeerküste aus kauft er sich 2019 die beiden Kälber Dagi und Emma und bereitet seine Rückkehr in den Odenwald vor. „Ich wusste plötzlich, was ich eigentlich die ganze Zeit über vermisst hatte - und dass ich eigentlich immer mit Kühen leben wollte.“ Von einem auf den anderen Tag habe sich sein Leben damit komplett verändert.

Auf einem Bauernhof gründet er mit Freunden den Verein Lebenshof Odenwald, der inzwischen nach Mörlenbach umgezogen ist. Berge wohnt auf dem Hof. Bevor er seine Arbeit als IT-Experte im Homeoffice beginnt, versorgt er mit den anderen zusammen die Tiere. Ausmisten, füttern, mit den Tieren sprechen und erforschen, ob ihnen etwas fehlt - es gebe immer etwas zu tun.

Zwei Kälber

Gerade sind die beiden Kälber Rosi und Wilma auf den Lebenshof gezogen. „Wir bekamen sie von einem Landwirt in Norddeutschland, der seinen Nutztierbetrieb umstellt auf einen Lebenshof“, erzählt Berge. Der Nachwuchs ist noch etwas scheu, bekommt noch Milch aus einem Eimer mit Nuckelsauger und darf erst einmal „ankommen“ in der gemütlich mit Stroh ausgelegten, geschützten Stall-Ecke. Direkt daneben interessieren sich Minischweine auch sehr für die Milch: Die schnüffeln an der Holztür und würden zu gerne zu den Neuankömmlingen hinein.

Tiere zu essen kommt für Berge längst nicht mehr in Frage - er ist Veganer. „Das ginge gar nicht anders - auf ganz natürliche Weise“, sagt er, und betont doch gleich, dass es ihm nie in den Sinn käme, andere wegen ihres Fleischkonsums missionieren zu wollen. Wie reagierte das Umfeld auf den krassen Lebens-Wechsel? Es habe schon Menschen gegeben, die das nicht nachvollziehen konnten, sagt Berge nachdenklich. Aber die allermeisten fänden es toll, dass er nun „so zufrieden und glücklich“ wirke. Und die wirklich guten Freunde schauten auch regelmäßig vorbei - oder seien ohnehin bereits mit auf dem Lebenshof engagiert.

Bei aller Idylle des Landlebens: Bei jedem Wetter die Tiere zu versorgen und ihre Zukunft zu sichern sei auch eine große Verantwortung. Dazu gehöre, dass die Zahl der Tiere auf dem Lebenshof streng begrenzt bleibt - obwohl nahezu täglich Hilferufe den Hof erreichten. Über Spenden und Tierpatenschaften finanziert der Verein das Hofleben.

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Gerade wenn eines der Tiere krank wird, kann das schon einmal schnell mehrere 100 Euro auf einmal an Tierarztkosten verschlingen. Berges Aufgabe ist es, etwa in den sozialen Netzwerken vom Lebenshof und seinen Bewohnern zu berichten und den Tieren so eine Stimme zu geben.

Beobachten und seine vierbeinigen Freunde in Bildern und Videos festhalten, das macht Joar Berge ohnehin am liebsten. „Im Sommer verbringe ich viel Zeit auf der Weide, dort haben wir auch einen Bauwagen stehen. Mein Buch habe ich ebenfalls dort geschrieben“, erzählt der 40-Jährige. Und zwischen dem Schreiben blieb natürlich viel Zeit, die Tiere zu kraulen - Kühe kuscheln eben.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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