Heidelberg. KI - Künstliche Intelligenz - wird bald aus keinem Winkel der Arbeitswelt mehr wegzudenken sein. Manche Visionen machen Angst, andere kann man sich noch gar nicht konkret vorstellen. Aber wie wäre es zum Beispiel, wenn KI uns als eher lästig empfundene Aufgaben abnimmt - etwa die Einhaltung von Hygieneplänen und -maßnahmen in Gesundheitseinrichtungen? Heidelberger Hygieneexperten denken gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Mannheim bereits intensiv über solche „Hygiene-KI“-Lösungen nach.
Wer steckt hinter der Idee? Silke Bublitz-Peters und Mark Peters (Praxismanagement Bublitz-Peters aus Heidelberg) sowie Professor Marcus Vetter (Hochschule Mannheim) und Dennis Pfisterer (DHBW in Mannheim) arbeiten an solchen KI-basierten Hygienesystemen. Als Unternehmensberatung im Gesundheitswesen widmete sich Praxismanagement Bublitz-Peters schon lange dem Thema Hygiene.
Bewährtes Heidelberger Hygene-Rating
Vor mehr als zwölf Jahren kam der inzwischen verstorbene ehemalige Leiter des Gesundheitsamts des Rhein-Neckar-Kreises, Martin Klett, auf die Heidelberger Unternehmensberatung zu und entwickelte mit ihr gemeinsam ein inzwischen bewährtes Heidelberger Hygiene-Rating. Doch wie schafft es ein auf hygienisches Arbeiten in seiner Organisation ausgerichteter Gesundheitsbetrieb, auch jeden Tag und jede Minute dem Thema gerecht zu werden?
Der traurige Hintergrund: Immer noch sorgen multiresistente Keime dafür, dass Patienten in Krankenhäusern unabhängig von ihrer Erstdiagnose erkranken. Von rund 600 000 solchen nosokomialen Infektionen (die bei einer medizinischen Behandlung eingefangen werden) gehen Experten jährlich in deutschen Krankenhäusern aus. Rund 15 000 Menschen sterben an den Folgen dieses Erregerkontakts jedes Jahr.
Handdesinfektion in der Klinik: 30 bis 60 Sekunden nötig
So gibt es zwar in jeder Klinik und jeder Praxis Hygienebeauftragte. Sie könnten aber letztlich nur schulen und ein Problembewusstsein schaffen, nicht aber kontrollieren, ob zum Beispiel die Hände-Desinfektion auch korrekt ausgeführt wird. Das dauere nämlich 30 bis 60 Sekunden, damit auch das letzte Fleckchen der Hand mit dem Desinfektionsmittel benetzt sei.
Die Künstliche Intelligenz hingegen könnte dies als sehr aufregende Aufgabe verstehen und gerne übernehmen: „Sie deckt auf innovative Weise Schwachstellen im Hygieneverhalten während medizinischer Behandlungen auf und erweitert den Horizont der herkömmlichen Wissensvermittlung“, sagt Peters.
Eine scheinbar saubere Oberfläche oder Hand ist nicht zwangsläufig keimfrei. Dank der KI ist es nun jedoch möglich, die Wege der Kontamination zu visualisieren
Es gibt mehrere Ansätze für die KI auf dem Weg zu mehr Hygiene in einer Klinik oder Praxis: „Eine scheinbar saubere Oberfläche oder Hand ist nicht zwangsläufig keimfrei. Dank der KI ist es nun jedoch möglich, die Wege der Kontamination zu visualisieren“, nennt Mark Peters ein Arbeitsgebiet. Das bedeutet: Bei einer möglich Infektion wäre zurückzuverfolgen, ob die Handdesinfektion korrekt ausgeführt wurde - zudem ein wichtiger Schritt in Richtung Prävention, findet Peters.
Wie würde die Heidelberger Idee funktionieren?
Doch wie würde das genau funktionieren? Die KI würde zunächst anhand der Beobachtung der Hände von 1000 Menschen „lernen“, wie eine richtige Handdesinfektion funktioniert. Dann könnte sie in Form eines Kästchens „wie ein Feuerlöscher“ in einem Behandlungszimmer hängen und sich mit Alarmtönen melden, wenn die Handdesinfektion auf dem Weg zum nächsten Patienten vergessen oder im Stress auf die Schnelle ausgeführt wird.
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„Big Brother“ im Behandlungszimmer also? Nein, nicht mittels Kameras, sondern mit Sensoren, die allein auf die Hände und deren spezielle Bewegungen ausgerichtet sind, würde das funktionieren, verweist Peters auf die selbstverständliche Einhaltung der Datenschutzverordnung.
Hat die Corona-Pandemie die Menschen „hygiene-müde“ gemacht? Für die Heidelberger Experten für Praxismanagement und Hygiene-Audits Peters ist das auf jeden Fall der Fall: „Seit der Ankunft von Covid-19 ist eine gefährliche Erscheinung aufgetreten: Hygienemüdigkeit.“ Zu diesem Schluss kommt eine Studie der SRH Hochschule Heidelberg unter der Leitung der Professoren Frank Musolesi und Andres Steffanowski.
SRH Hochschule Heidelberg erneuert Handwasch-Studie
Die Untersuchung, an der 1000 Personen teilnahmen, ist 2018 zum ersten Mal durchgeführt worden. Die Ergebnisse nun zeigen, dass die Bereitschaft, seine Hände zu säubern, seither noch zurückgegangen ist: Vor fünf Jahren wurden nur sieben Prozent „Wasch-Verweigerer“ festgehalten. „Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass die Notwendigkeit einer gründlichen Handhygiene dringender ist denn je.
Obwohl wir wieder steigende Corona Fallzahlen verzeichnen und umfassende Aufklärungsmaßnahmen durchgeführt wurden, waschen immer noch zehn Prozent der Menschen ihre Hände nach dem Toilettengang nicht“, gibt Musolesi das nicht nur Hygieneexperten erschreckende Ergebnis wieder.
Die SRH-Replikationsstudie hat außerdem Geschlechter-Unterschiede festgestellt: Frauen achten offenbar mehr auf Hygiene als Männer. Denn während lediglich sechs Prozent der Männer ihre Hände korrekt wuschen, praktizierten immerhin 15 Prozent der beobachteten Frauen ein vorbildliches Händewaschverhalten, teilen die Studienleiter mit.
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