Heidelberg. Der bundesweit renommierte Insolvenzverwalter Jobst Wellensiek ist im Alter von 90 Jahren gestorben. Der Heidelberger hat in fünf Jahrzehnten mehr als 900 Verfahren als Liquidator, Insolvenzverwalter und Treuhänder geführt. Er starb, wie jetzt bekannt wurde, nach kurzer, schwerer Krankheit am 4. November.
Zu seinen bekanntesten Fällen zählen die Bremer Vulkan-Werft, die bayerische Maxhütte, Klöckner und der Küchengerätehersteller Neff. Sein Motto war „Sanieren statt liquidieren“, sein Ehrgeiz, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu retten. So sollte Neff nach der Pleite von AEG geschlossen werden. Wellensiek aber kämpfte mit der Belegschaft ums Überleben von Neff. Der gebürtige Mannheimer hat in Heidelberg studiert, ließ sich 1960 dort als Rechtsanwalt nieder und wurde zu einer Größe der Branche. Auch in der Region hat seine Kanzlei mehrere Unternehmen, die in Schieflage geraten waren erfolgreich restrukturiert – etwa den Mannheimer Containerbauer Graeff. Wellensiek war von 2001 bis 2002 auch Liquidator der Hannover Expo. „Überheblichkeit in der Chefetage“ nannte er als häufigste Ursache für das Scheitern von Unternehmen.
Wellensiek hat Steffi Graf unterstützt
Wellensiek war vielfach ehrenamtlich engagiert, war Präsident der Rechtsanwaltskammer Karlsruhe, förderte in der Metropolregion Projekte in Wissenschaft und Sport. Unter den vielen Auszeichnungen finden sich das Bundesverdienstkreuz und die Staufermedaille des Landes Baden-Württemberg in Gold.
Beim Richtfest für das neue Konferenzzentrum in Heidelberg trat Wellensiek im Juni 2022 noch ans Mikrofon. Er plauderte über die komplizierte Suche nach einem Standort für ein Konferenzzentrum in der Stadt. Als die Situation komplett verfahren schien, hatte man ihn, den Experten für Ausgleich und Auswege, um Hilfe und Moderation des Verfahrens gebeten. Er erinnere sich gut an den Anruf aus Heidelberg, der ihn 2012 in den USA erreichte, erzählte er lächelnd. In den folgenden sechs Jahren habe es allein 49 Treffen mit den Beteiligten gegeben, um das Konzept der Bürgerbeteiligung zu entwickeln. Danach ging die Arbeit weiter – unter anderem in 13 öffentlichen Veranstaltungen. Ein Kraftakt, den er offenbar spielend bewältigte.
Auch an seine 2015 im Alter von 56 Jahren verstorbene Frau Annelie bleibt die Erinnerung in Heidelberg lebendig: Zum 1. November 2020 nahm das Annelie-Wellensiek-Zentrum für Inklusive Bildung (AW-ZIB) an der Pädagogischen Hochschule seine Arbeit auf und erinnert weiterhin an seine frühere Rektorin. Annelie und Jobst Wellensiek waren 25 Jahre verheiratet gewesen.
Sein verschmitztes Lächeln war typisch für ihn, mit dem konnte er auch geschäftlich überzeugen. Und er hatte auch ein Gespür für Talente: Tennis-Star Steffi Graf hatte Wellensiek schon als Jugendliche in seiner Eigenschaft als langjähriger Präsident des Heidelberger Tennis-Clubs unterstützt, in dem Graf spielte.
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