Die Plakate zur Ausstellung werben mit Banksys bekannten Motiven. Eines davon zeigt seine vielleicht populärste Arbeit: „Mädchen mit rotem Ballon“, bekanntgeworden auch deshalb, weil sich das Bild mithilfe eines im Rahmen verborgenen ferngesteuerten Schredders kurz nach der Versteigerung im Londoner Auktionshaus Sotheby’s größtenteils selbst zerstört hat. Gleich neben dem Motiv, deutlich kleiner als der Titel, prangt der Schriftzug „An unauthorized exhibition“.
Diese Ausstellung in der Heidelberger Halle 02 ist also nicht autorisiert, schon gar nicht vom britischen Street-Art-Künstler Banksy. Das sollte wissen, wer sie besucht. Andererseits ist diese Einschränkung aber nicht verwunderlich, denn der Star der internationalen Kunstszene, dessen Werke, falls sie zur Versteigerung kommen, Millionenerlöse erzielen, ist bis heute anonym. Und er tut viel dafür, damit es so bleibt.
Niemand weiß, was er als Nächstes plant. Und immer wenn irgendwo, meistens in Großbritannien, ein neues Werk von ihm an irgendeiner Hauswand entdeckt wird oder ein Bild in einer Galerie auftaucht, gilt das als Sensation, die weltweit Verbreitung und Interpreten findet. Banksy macht ein Geheimnis um sich. Deshalb und wegen des medialen Hypes, den er ausgelöst hat, heißt die ähnlich auch in München und Berlin aufgebaute Schau „The Mystery of Banksy“. Ob man das Phänomen als „Mysterium“ bezeichnen mag, ist Geschmackssache. Man kann es auch als werbliches Wortgeklingel empfinden, ebenso wie das dem Titel beigefügte „a Genius Mind“. Mehr Information für potenzielle Besucher steckt in dem Umstand, dass hier Kopien beziehungsweise Replikate - Drucke, Graffitis, Fotos, Ölbilder, skulpturale Nachbauten - ausgebreitet sind.
Infos zur Ausstellung
- Die Schau wird am Samstag, 1. Mai, eröffnet.
- Alle für dieses Wochenende verfügbaren Karten sind schon ausverkauft.
- Die Ausstellung soll bis 12. September zu sehen sein.
- Infos unter www.mystery-of-banksy.com
Insgesamt mehr als 100 Exponate umfasst die Schau, die eher als Show angelegt ist. Besonders deutlich wird letzteres an einer Videoinstallation, die weniger über Banksys Kunst informiert als vielmehr versucht, ihr bunt und laut zu entsprechen. Ob nicht viele, die auf die Schau aufmerksam werden, vermutlich anderes erwarten als Replikate? Oliver Forster, Geschäftsführer des Veranstalters Cofo Entertainment aus Passau, widerspricht. Noch kein Besucher habe sich beschwert. In München, wo die ähnliche Schau aktuell ebenso wie in Berlin coronabedingt geschlossen ist, habe man bislang 30 000 Besucher verzeichnet. Die Resonanz sei ganz überwiegend positiv. Wie das erwähnte Plakat bestätigt, behauptet ja keiner, eine echte Banksy-Schau zu zeigen - was auch immer das unter den bekannten Voraussetzungen bedeuten könnte.
Man macht gewissermaßen aus der Not eine Tugend. Die „Hommage“, so heißt es in einer Pressemitteilung, folge Banksys Motto „Copyright is for losers“; nur Verlierer hielten also am Urheberrecht fest. Seine Popularität verdankt der Anonymus auch solchen Standpunkten. Er rebelliert gegen offizielle Kunst und deren Status so gut wie gegen den entfesselten Kunstmarkt mit seinen absurd hohen Verkaufserlösen. Eine starke sozial- und kapitalismuskritische Note ist seiner Arbeit ohnehin eigen. Falsche Tatsachen vorspiegeln würde er nicht, die Ausstellung tut es letztlich auch nicht. Ironie ist bei Banksy allerdings schon im Spiel. Und auch dem versucht man in der Schau zu entsprechen, von der Forster sagt, sie richte sich vor allem an „Einsteiger“. Die Austellung ist ein Erlebnisparcours. Hier wird das Meiste zitiert und in Szene gesetzt, was man in den vergangenen 20 Jahren schon mal von Banksy gehört, über ihn gelesen oder auf irgendwelchen medialen Abbildungen gesehen hat. Natürlich ist auch das Ballon-Mädchen dabei, in heilem Zustand und als das, was der Schredder übrig ließ. Ein Video dokumentiert die Versteigerung und die erstaunten Reaktionen auf die Aktion. Der Mann, der wie einen Molotow-Cocktail einen Blumenstrauß wirft, ist da, oder der Junge, der hinter einem zielenden Scharfschützen gleich auf eine aufgeblasene Papiertüte schlagen wird. Solche Wandbilder sprüht Banksy nach Kartonschablonen, die sich leicht nachschneiden lassen.
Kate Moss in der Art von Warhols Marylin-Monroe-Porträt ist ebenso dabei wie die große verfremdete Parlamentsszene mit Schimpansen als Akteuren. Man sieht die Michelangelos David nachgestaltete Skulptur, die mit Gesichtsmaske und Sprengstoffgürtel zum Selbstmordattentäter mutiert ist, oder eine gekrümmte, gleichsam sterbende rote Telefonzelle. Immer wieder sind die oft von Banksy gestalteten Ratten präsent. In einem hier nachgebauten U-Bahn-Wagen hat er mit ihnen auch die Corona-Pandemie kommentiert: Die Nager tragen Gesichtsmaske, versprühen Desinfektionsmittel. Und auch Banksys humanitäres Engagement ist dokumentiert. Das von ihm finanzierte Rettungsschiff ist als Modell ebenso zu sehen wie eine handgeschnitzte Nachbildung des anklagenden „Flüchtlingsboots“. Auf verschiedene Facetten ist man durchaus bedacht. Und zum Phänomen Street-Art passt der Charme des Ausstellungsortes, der Lagerhalle des ehemaligen Heidelberger Güterbahnhofs, durchaus.
Hier wird knapp kommentiert, aber doch ausführlich dokumentiert ein Phänomen gefeiert. Kein Zufall, dass der zugehörige Souvenirshop recht geräumig ausgefallen ist. Das Begleitbuch zur Schau ist indes recht sachlich und informativ. Und noch etwas erinnert an eine eigentliche, große Kunstausstellung: der ziemlich stattliche Eintrittspreis von regulär bis zu 18 Euro. Ob er es wert ist, muss jeder selbst entscheiden.
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