Interview - Songwriter Gregor Meyle im Interview

Gregor Meyle: „Ich verkaufe zurzeit mehr Wein als Platten“

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Gregor Meyle freut sich auf die Tour und Heidelberg. © Schoenenberg

Songwriter Gregor Meyle spricht vor seinem Auftritt am 1. Mai in Heidelberg über tägliche Tests auf Tournee, die Rückkehr der Arena-Platzhirsche, alternative Geschäftsfelder, die TV-Show „Playlist Of My Life“ und Xavier Naidoo.

Herr Meyle, Sie sind auf Tournee - wie läuft es?

Gregor Meyle: Wir sind froh, dass es wieder losgeht. Wenn die Regelungen in den Bundesländern dann einheitlicher wären … Aber wir werden als Band auf Tour täglich Tests machen, schon allein, weil wir den ganzen Tag zusammen im Bus sitzen.

Wie viele Konzerte konnten Sie seit Pandemiebeginn spielen?

Meyle: Etwa 50. Die Hälfte davon waren Charity-Konzerte, für die Branche und zuletzt für die Ukraine. Ansonsten ein paar Streaming-Sachen und 2021 haben wir alles gemacht, was irgendwie geht - teilweise für zehn Prozent unserer normalen Gage. Weil ich einfach wollte, dass wir unterwegs sind und die 15 Familien dahinter über den Sommer ein Einkommen haben. Ich selbst komme ja immer durch, weil ich an meinen Autorenrechten etwas verdiene oder mit meinem Umlaut-Promi-Bekanntheitsgrad in irgendwelchen Quizshows auftreten kann. Das macht auch total Spaß.

Und jetzt wird gepowert?

Meyle: Dieses Jahr werden es 60 Konzerte, und wir hoffen, dass wir alle gesund bleiben. Wir haben ja von verschobenen Konzerten etwa 40 000 Tickets noch offen, die wir abspielen müssen. Das Geld ist ja zurückgelegt. Wir freuen uns natürlich, dass wir schon 2019 so viele Karten verkauft haben - denn danach ist nichts mehr passiert. Wer jetzt von vorne anfängt, hat ein Problem.

2022 scheint mir auch das eigentliche Krisenjahr zu sein - mit den Terminen von zweieinhalb Jahren, sinkender Kaufkraft und irgendwann auslaufenden Staatshilfen.

Meyle: Ja, und was dazukommt: Ich bin ja häufig mein eigener Veranstalter. Und merke: Jetzt tauchen die Platzhirsche wieder auf und spielen Arena-Konzerte, die schnell ausverkauft sind: Ed Sheeran, Backstreet Boys, Shawn Mendes. Die KölnArena hat 300 Termine in diesem Jahr. Und sehr viele in der Branche, in der etwa 1,4 Millionen Menschen beschäftigt waren, haben in der Krise nicht Hartz 4 beantragt, sondern den Job gewechselt. Das musst du mal mit der Pharmaindustrie machen. Wir hatten und haben keine Lobby in der Politik.

Gregor Meyle in der Halle02

  • Der Sänger, Songwriter und Gitarrist wurde am 13. Oktober 1978 in Backnang geboren und wuchs in Jagsthausen auf. 2007 wurde Gregor Meyle bei einer Castingshow von Stefan Raab Zweiter. Danach erreichte sein Debütalbum „So soll es sein“ (2008) Platz 8 der Charts. Der große Durchbruch folgte durch „Sing meinen Song – das Tauschkonzert“ 2014.
  • Er spielt am Sonntag, 1. Mai, 19 Uhr, in der Heidelberger Halle02. Karten ab 46,35 Euro plus Gebühren unter gregormeyle-tickets.de (zum Einlass offizieller Schnelltest nötig). 

Ihre stets positive Grundhaltung kommt ja auch in der Musik zum Ausdruck. Kamen Sie zuletzt nicht auch mal an Ihre Grenzen, etwa als am 24. Februar Russland den Ukraine-Krieg anzettelte - oder sind sie mental unverwüstlich?

Meyle: Mir ist immer allgegenwärtig, wie extrem gut es uns geht. Ich komme nicht aus armen Verhältnissen, meine Eltern waren beide Lehrer. Aber meinen Job musste ich immer rechtfertigen. Ich hatte mit 17 eine eigene Wohnung, und meine Berufe als Musiker und Veranstaltungstechniker gab es damals quasi nicht. Deswegen musste ich immer rebellisch, gutgläubig, positiv nach vorne gucken. Das heißt: Als Musiker hast Du im Januar einen Job - und im Mai weißt Du nicht, was Du machst. Diese Grundvoraussetzung, positiv mit Ausnahmezuständen umzugehen - damit sind wir in der Kreativ- und Eventbranche quasi aufgewachsen. Erschreckend war es, als man gar nichts machen durfte. Da war ich dankbar, dass ich bei „The Masked Singer“ wenigstens ins Drachenkostüm schlüpfen durfte, während die ganze Welt im Lockdown war.

Mit Jeanette Biedermann stellen Sie in der ARD die „Playlist Of My Life“ von Kollegen wie Laith Al-Deen oder Cassandra Steen vor. Mit 30 Minuten sind die Shows sehr kurz für den vielversprechenden Titel, und sie laufen sehr spät.

Meyle: Ja, da wurde sehr zackig geschnitten. Die Ausstrahlung mehrerer Folgen nach Mitternacht ist wohl nur ein Bonus, damit es in der Mediathek stehen kann.

Bislang haben Sie alle zwei Jahre ein neues Album veröffentlicht. In der Pandemie nicht - warum?

Meyle: Erstens: Ein Album kostet richtig Asche, und wenn du kein Geld verdienst, dann produzierst du nichts. Außerdem konntest Du nicht rumfahren, Promo machen und Konzerte geben. Zweitens: Ich habe in der Pandemie alles versucht, um über Wasser zu bleiben. Da schreibst du keine Friede-Freude-Eierkuchen-Songs. Ich habe noch nie so viel im Büro gesessen und vor verschlossenen Türen gestanden. Das war nicht inspirierend. Aber wir haben das schön verpackte Best-Of-Album „Tutto andrà bene““veröffentlicht, auf dem neue Arrangements unter anderem mit dem Solis String Quartett aus Neapel zu hören sind. Zuletzt haben wir den neuen Song „Komm kurz rüber“ rausgehauen. Das neue Album ist also in Arbeit.

Dafür gibt es Kochbücher von Ihnen und Sie verkaufen Wein, selbst kreierte Cuvées. Erfolgreich?

Meyle: Ja, um das alles ein bisschen auszugleichen (lacht). Die drei Kochbücher haben wir schon länger. Die ganze Band kocht, so entstand das Ganze. Ich finde es immer schade, dass das ganze Netz voll ist über mich und über die Band weiß man nicht viel. Deshalb gibt es neben Rezepten etwa auch die Geschichten, wie ich alle kennengelernt habe. Und wir haben jetzt fünf Weine im Angebot. Zurzeit verkaufe ich mehr Wein als Platten. Das ist ein Hobby, das weit zurückgeht: Ich bin mit Weinbergen hinterm Haus aufgewachsen und habe bei der Lese geholfen. Mein Bruder ist Sommelier. Ich weiß also, wie viel Liebe und Know-how bei Winzern dahintersteckt. Die Grundweine kommen aus Duttweiler, direkt unterm Hambacher Schloss, vom Weingut Nett.

Gehen Sie dann irgendwann mal als Gregor Meyle Palazzo auf Tour?

Meyle (lacht): Über so eine Idee haben wir tatsächlich schon mal mit dem Starkoch Nelson Müller gesprochen, der ja auch singt. Aber dann hatten sich die Hygieneregeln schon wieder geändert.

Ihr Freund Xavier Naidoo hat Ihrer Karriere bei „Sing meinen Song“ den entscheidenden Kick gegeben. Er scheint aus der Verschwörungswelt zurückzukehren. Haben Sie ihn schon gesprochen?

Meyle: Ohne Xavier würde es meine Karriere nicht geben, klar. Aber wir hatten seit vier Jahren keinen Kontakt mehr. Er hat ihn zu uns allen abgebrochen. Es wäre schön, wenn sich das alles normalisieren würde.

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