Heidelberg. Leonie F. grinst. Immer wieder versucht sie, einen neutralen Gesichtsausdruck aufzusetzen, hält sich die Hände schützend vor das Gesicht, während Staatsanwältin Lea Weinmann-Lange am Heidelberger Landgericht schwere Vorwürfe gegen die 17-Jährige erhebt.
Am 7. Januar soll Leonie F. gemeinsam mit ihrem Bekannten Sascha S. ihren Ex-Freund schwer verletzt haben. Weinmann-Lange rekonstruiert in ihrer Anklageverlesung, was sich am 7. Januar 2022 nach Ansicht der Staatsanwaltschaft in Neckargemünd zugetragen haben soll: Leonie F., die Anfang des Jahres 16 Jahre alt war und aus Mauer stammt, soll ihren Ex-Freund auf das verlassene Areal des Kümmelbacher Hofes im Wald am Rande der Neckargemünder Weststadt gelockt haben. Ihr Komplize Sascha S. habe sich dort hinter einem Baum versteckt und auf den jungen Mann gewartet. Als das Opfer sich ihm näherte, habe er sein Versteck aufgegeben und sich von hinten auf sein Opfer gestürzt. Er soll es getreten und geschlagen haben. Immer wieder trafen die Hiebe das Opfer im Gesicht, bevor S. seine Hände um den Hals des Mannes gelegt haben und ihn gewürgt haben soll.
Weinmann-Lange beschreibt in der Anklageverlesung, wie der damals 24-Jährige dem verletzten Mann sein Handy abgenommen habe. Wie Leonie F. ein Küchenmesser aus ihrer Tasche gezogen und Sascha S. dem Mann damit in den Oberschenkel und in die Nierengegend gestochen habe. Wie dieser am Boden lag, schwer verletzt, mit gebrochener Nase und einer Fraktur der Augenhöhle, blutendem Oberschenkel und einer durchbohrten Niere.
Leonie F. und Sascha S. sollen ihr Opfer dann liegengelassen haben, in der Annahme, „dass der Geschädigte bereits verstorben ist oder es tun werde“, resümiert Weinmann-Lange. Doch der Mann habe sich in Sicherheit bringen können, und sei im Krankenhaus behandelt worden.
Die Staatsanwaltschaft klagt F. und S. wegen versuchten Totschlags, schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung an. Sascha S. drohen zwischen fünf und 15 Jahren Haft. Bei Leonie F. greift im Falle einer Verurteilung das Jugendstrafrecht. Ihr könnten bis zu zehn Jahre Haft drohen – die Höchststrafe im Jugendstrafrecht.
Weitere Vorwürfe
Die Kammer hat 25 Zeugen und drei Sachverständige geladen, acht weitere Verhandlungstage angesetzt, um zu prüfen, was am 7. Januar tatsächlich geschehen ist. Auch eine Verurteilung wegen versuchten Mordes schließt der Vorsitzende Richter André Merz nicht aus. Im Zuschauerraum wechseln Angehörige Blicke. Eine Frau weint, putzt sich die Nase. Die Stimmung im Gerichtssaal ist angespannt, der Prozess hat erst mit eineinhalb Stunden Verzögerung begonnen. Freunde und Angehörige haben vor dem Gerichtsgebäude und im Verhandlungssaal ausgeharrt, weil der Transporter, der Leonie F. aus der U-Haft in Schwäbisch Gmünd zum Gerichtsgebäude bringen sollte, im Stau stand.
Der erste Prozesstag endet mit der Verlesung einer zweiten Anklageschrift. Leonie F. soll dabei gewesen sein, als ein weiterer Mensch verletzt wurde. Wenige Monate vor dem Zwischenfall in Neckargemünd soll eine Bekannte am Mannheimer Hauptbahnhof einer jungen Frau in den Rücken getreten haben. Leonie F. soll die Frau dabei derb beschimpft und sie mit Alkohol überschüttet haben – um das Opfer zu demütigen. Der Blick der 17-Jährigen wandert durch den Zuschauerraum. Sie bemüht sich, ihre Gesichtszüge zu kontrollieren. Dann grinst sie wieder.
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