Interview

Erfolgreiche Chor-Sängerinnen: „Wir lieben es, auf den Punkt hinzuarbeiten“

Leiterin Heike Kiefner-Jesatko führt den 4x4 Frauenchor der PH Heidelberg erneut zum Deutschen Chorwettbewerb im Juni in Hannover. Sie erzählt von ihrer Arbeit, den Sängerinnen und den Wettbewerben

Von 
Raimund Frings
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Heike Kiefner-Jesatko lehrt Musiktheorie und leitet zwei Chöre in Heidelberg. © Johannes Vogt

Heidelberg. Am 4. Juni um 14.45 Uhr hat der 4x4 Frauenchor der Pädagogischen Hochschule Heidelberg beim Deutschen Chorwettbewerb in Hannover seinen großen Auftritt. Innerhalb von 20 Minuten werden die 23 Sängerinnen fünf Werke aufführen. Werden sie vor der Jury wie schon 2014 den ersten Preis in der Kategorie „Frauenchöre“ erringen? Beim Landeschorwettbewerb im November in Böblingen haben sie sich gegenüber der Konkurrenz eindrucksvoll mit der besten Punktzahl aller teilnehmenden Erwachsenenchöre durchgesetzt. Wir haben uns mit der Gründerin und Leiterin Heike Kiefner-Jesatko unterhalten.

Sie gelten als reiselustiger Chor. Steht bei Ihnen das Fernweh oder das Singen im Vordergrund?

Heike Kiefner-Jesatko: Es geht darum, dass wir den Wettbewerb suchen. Wir lieben es, auf Ziele zuzusteuern, auf den Punkt hinzuarbeiten. Am Zusammenklang, an der Intonation, uns in Details immer weiter zu verbessern, daran haben alle - mich eingeschlossen - große Freude.

Die jungen Frauen sehen es als Auszeichnung, im 4x4 Frauenchor mitzusingen.
Heike Kiefner-Jesatko Leiterin 4x4 Frauenchor

Den 4x4 Frauenchor haben Sie 2004 gegründet. Sozusagen als Arbeitsgemeinschaft an der PH Heidelberg, wo Sie als Dozentin ohnehin unterrichten und Lehramtsstudierende ausbilden.

Kiefner-Jesatko: Wir proben jeden Freitagmittag zwei Stunden, meistens mehr. Bei uns kann man keine Creditpoints erwerben. Hier geht es nur um die Leidenschaft am Singen und an der Chormusik. Die jungen Frauen sehen es als Auszeichnung, im 4x4 Frauenchor mitzusingen.

Und die Leistungsfähigkeit, spielt die keine Rolle? Gibt es kein Vorsingen?

Kiefner-Jesatko: Natürlich. Ich höre mir jede Stimme vorher an. Ich möchte wissen, ob die Stimme klanglich in den Chor passt, ob wir gut zusammenarbeiten können, ob unsere Sprache die gleiche ist. Dass die Studentinnen sich weiterentwickeln, darauf lege ich großen Wert. Die Stimmbildung spielt in jeder Probe eine große Rolle. Und wir arbeiten an den Stücken zusätzlich intensiv während unserer Probenwochenenden. Gerade liegt eines hinter uns mit gleich zwei Konzerten, mit denen wir uns auf die Wettbewerbssituation eingestellt haben.

In knapp 20 Jahren haben sie einige Generationen an Studentinnen erlebt…

Kiefner-Jesatko: Ja, es gibt immer wieder einen Wandel. Nach ihrem Studium verlassen die Sängerinnen den Chor wieder und es kommen neue hinzu. Doch der Klang bleibt, weil wir mit Hingabe und dem gleichen Qualitätsanspruch proben und auftreten.

Wie viele Stimmen haben Sie gerade beisammen?

Kiefner-Jesatko: Der Name 4x4 kommt aus unseren Anfangszeiten, als wir uns tatsächlich einen Stamm von jeweils vier Stimmen pro Lage erarbeitet hatten. Momentan sind wir 23 Sängerinnen. Diese Anzahl ist auch notwendig, weil wir in Hannover ein achtstimmiges Werk aufführen werden.

Haben Sie sich für den Deutschen Chorwettbewerb ein Ziel gesteckt? Möchten Sie wie 2014 auf den 1. Platz gewählt werden?

Kiefner-Jesatko: Wir werden eine starke Konkurrenz in Hannover haben. In unserer Kategorie stehen wir sieben anderen Ensembles gegenüber. Wir wissen, dass diese auch hervorragend vorbereitet sind und große Qualität besitzen. Es wird sicherlich nicht leicht werden. Ich freue mich aber, wenn wir weit vorne landen. Und ich hoffe, dass alle Sängerinnen gesund bleiben.

Schwerpunkt auf Frauenchorliteratur des 20. und 21. Jahrhunderts

  • Der Frauenchor 4x4 der Pädagogischen Hochschule Heidelberg ist 2004 von seiner musikalischen Leiterin Heike Kiefner-Jesatko gegründet worden. Das junge Ensemble besteht derzeit aus 23 Lehramtsstudentinnen. Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Frauenchorliteratur des 20. und 21. Jahrhunderts.
  • Der Frauenchor hat beim Landeschorwettbewerb am 12. November 2022 in Böblingen in der Kategorie „Frauenchöre“ den ersten Preis erhalten. Mit diesem Ergebnis ist er zum Deutschen Chorwettbewerb in Hannover im Juni 2023 weitergeleitet worden. 2014 hat er diesen Wettbewerb bereits gewonnen.
  • Das Ensemble hat bereits zahlreiche Preise erhalten, so erhielt es 2019 beim Grand Prix of Nations in Göteborg als einziger deutscher Chor eine Goldmedaille. Gewinner waren 4x4 beim Xinghai Prize International Choir Championships in Guangzhou, China (2012) oder bei Chorwettbewerben in Venedig (2011) oder in Budapest (2007).
  • Heike Kiefner-Jesatko studierte an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Schulmusik und Geschichte. Während ihres Studiums war sie Assistentin des Mainzer Bachchores. Es folgte ein Dirigierstudium mit Schwerpunkt Chorleitung an der Musikhochschule Frankfurt (Prof. Wolfgang Schäfer).
  • Von 1998-2001 war sie Chordirektorin des Theaters der Stadt Heidelberg. Seit 2001 ist sie Akademische Oberrätin an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, unterrichtet dort Musiktheorie, Dirigieren und leitet den Hochschulchor und den Frauenchor 4x4 der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Sie ist Stipendiatin der Richard-Wagner-Stiftung. Seit Juni 2006 ist sie Musikalische Leiterin der Konkordien-Kantorei Mannheim.

Das ist wohl nicht selbstverständlich in diesen Zeiten…

Kiefner-Jesatko: Covid hat uns in den letzten Jahren schon sehr ausgebremst. Immer wieder waren mehrere von uns krank. Viele haben sich in den Lockdowns vereinzelt gefühlt. Wir haben jetzt mit viel Teambuilding daran gearbeitet, nicht nur gesanglich sondern auch als Gruppe zusammenzufinden. Jetzt stimmen Mischung und Zusammenhalt wieder. Und wir blicken voller Vorfreude auf den Chorwettbewerb…

...auf dem sie welche Stücke singen werden?

Kiefner-Jesatko: Vorgegeben sind ein Volkslied (einstimmig) nach Wahl, eine Motette aus der Renaissance und ein modernes Pflichtstück, das besonders aufmerksam bewertet wird. Die Juroren prüfen hier mit der Stimmgabel die Tonhöhen, achten auf die richtige Dynamik und Phrasierung. Der Sopran beginnt zweistimmig im Sechsachteltakt, die Alti ziehen zweistimmig im Zweivierteltakt nach. Das Pflichtstück hat so seine Tücken.

Aber Sie halten auch einige gehaltvolle Perlen für den Wettbewerb in Hannover bereit…

Kiefner-Jesatko: Oh ja, zum Beispiel Robert Schumanns „Der Wassermann“, das hintergründig von männlichen Übergriffen handelt. Da haben wir viel diskutiert und uns Expertinnenrat geholt, um das Lied hier auch mit entsprechender Haltung und adäquatem Ausdruck zu interpretieren. Schließlich singen wir vier Nummern aus den „7 Zaubersprüchen“ von Wolfram Buchenberg (geboren 1962), einem zeitgenössischen Komponisten, dessen Werke wir schon mehrfach in unsere Programme aufgenommen haben.

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Was zeichnet diesen Komponisten aus?

Kiefner-Jesatko: Buchenberg hat eine eigene, unverwechselbare Klangsprache. Ko 4x4 seine Fähigkeiten voll entfalten. Darauf freuen wir uns besonders.

Da liegt es auch nicht fern, an choreographische Elemente zu denken…

Kiefner-Jesatko: Genau. Wir haben einige Stücke mit choreographischen Elementen im Repertoire, die wir allerdings nicht in Hannover aufführen. Die Sängerinnen finden selbstständig passende Elemente - sie können das viel besser als ich. Natürlich singen wir auch (fast) alles auswendig. Das hat den Vorteil, dass der Chor auf der Bühne als zusammenhängender Klangkörper agieren kann.

Und nächstes Jahr gibt es zum 20-jährigen Bestehen ein besonderes Konzert?

Kiefner-Jesatko: Das wissen wir noch nicht. Unser ganzes Augenmerk liegt in der Gegenwart, auf dem Chorwettbewerb in Hannover. Und auf den vielen Begegnungen dort, die wieder neue Kreativität entfachen werden….

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