Justiz - Im „Likör-Prozess“ hat die Staatsanwältin lebenslange Haftstrafen für zwei Frauen gefordert

„Ein fast perfektes Verbrechen“

Von 
Christoph Rehm
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Schlaftabletten im Likör setzten das Opfer außer Gefecht. Anschließend sollten ihm die Pulsadern durchtrennt werden. © Simone Jakob

Heidelberg/Angelbachtal. „Der Tathergang könnte auch das Drehbuch eines Kriminalfilms sein“ – so fasste Staatsanwältin Christiane Vierneißel die Vorgänge zusammen, die sich im Mai vergangenen Jahres in der 5000-Seelen-Gemeinde Angelbachtal ereignet haben sollen.

Ausgerechnet am Muttertag habe Laura P. (Namen von der Redaktion geändert) von der neuen Lebensgefährtin ihres Noch-Ehemannes, dem 59-jährigen Martin P., erfahren. Tief gekränkt sei sie durch diese Nachricht gewesen, gedemütigt, wütend und eifersüchtig. Mehr noch: In die Enttäuschung habe sich die Sorge gemischt, dass sie im Falle einer Scheidung finanziell leer ausgehen könne.

Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft gab diese Furcht vor dem wirtschaftlichen Ruin den Ausschlag für jenes Mordkomplott, das sie noch am selben Abend mit der 58-jährigen Brigitte K. in die Tat umgesetzt haben soll: Die beiden Frauen hätten zunächst Schlaftabletten zerstoßen und in einen Likör gemischt, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Als „dein Lieblingslikör aus Spanien“ soll Laura P. ihrem abtrünnigen Ehemann das Getränk bei einem abendlichen Besuch angepriesen haben.

Dieser habe bereits nach dem zweiten Glas über Kopfschmerzen geklagt, sich nach dem dritten Glas kaum noch auf den Beinen halten können und sei daher von Laura P. zu Bett gebracht worden.

Pulsadern aufgeschnitten

Gegen Mitternacht soll sich dann Brigitte K. durch ein offenes Badfenster Zutritt zu dem Haus des Opfers verschafft und dem gelernten Stuckateur die Pulsadern aufgeschnitten haben. Durch den fingierten Selbstmord hätten sich beide Frauen erhofft, an das Vermögen des Opfers – unter anderem mehrere Immobilien – zu kommen.

„Geplant war das perfekte Verbrechen, das auch um ein Haar gelungen wäre“, führte Vierneißel in ihrem Schlussplädoyer aus. Dass der Plan nicht aufgegangen sei, habe man dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass Martin P. aufgrund des schmerzenden Unterarms unerwartet aufgeschreckt sei und Hilfe holen konnte. Gleichwohl sieht die Staatsanwaltschaft die Mordmerkmale der Heimtücke und Habgier erfüllt und fordert für beide Angeklagten eine lebenslange Freiheitsstrafe – auch, weil der Mordanschlag minutiös geplant gewesen sein soll: „Die Durchführung der Tat erforderte eine hohe kriminelle Energie“, so Vierneißel.

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Während der Beweisaufnahme hatten beiden Frauen die jeweils andere als Drahtzieherin des Mordanschlags ausgemacht. Entsprechend fielen am letzten Verhandlungstag die Plädoyers ihrer Verteidiger aus: Brigitte K. habe sich nur aus Furcht vor den unberechenbaren Wutausbrüchen Laura P.s an dem Überfall beteiligt, erklärte Anwältin Elke Nill.

Zudem habe ihre Mandantin nicht nur ein Geständnis abgelegt, sondern auch aufrichtige Reue gezeigt. Beides müsse ebenso strafmildernd berücksichtigt werden wie die Tatsache, dass die Angeklagte psychisch labil sei – dies habe maßgeblich zu einer Tatbeteiligung beigetragen. Ein rechtspsychologisches Gutachten hatte der Angeklagten zuvor ein Borderline-Syndrom attestiert. Laura P. hatte bereits zu Prozessbeginn jegliches Mitwissen verneint und ihre Mitangeklagte als alleinige Täterin benannt.

Folglich forderte Rechtsanwalt Markus Schwab einen Freispruch für die 36-Jährige: Eine mögliche Scheidung hätte keine negativen, finanziellen Auswirkungen für Laura P. gehabt, es fehle an einem Motiv.

Glas am Tatort vergessen

Dass mit dem Likörglas zudem ein zentraler Bestandteil des Verbrechens im Haus vergessen worden sei, passe nicht zu jenem, sorgfältig durchdachten Tatplan, wie er seiner Mandantin vorgeworfen werde.

Bei ihrem Schlusswort äußerte Laura P. ihre Hoffnung, nun bald ihre Tochter wiedersehen zu können. Brigitte K. betonte derweil nochmals ihre Reue: Sie könne nicht rückgängig machen, was passiert sei – aber das Vorgefallene tue ihr „herzlich leid“.

Ein Urteil in dem Verfahren wird für kommenden Mittwoch, 28. April, erwartet.

Freier Autor Politikwissenschaftler und Historiker, M.A.

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