Heidelberg/Angelbachtal. Im Verfahren um den versuchten Mord an einem Familienvater aus Angelbachtal hat auch die zweite Angeklagte eine Haupttäterschaft abgestritten. In einer von ihrem Anwalt verlesenen Erklärung gab die 36-jährige Laura P. zu Protokoll, sich niemals an einem Mordkomplott gegen ihren Ehemann beteiligt zu haben. Gleichzeitig beschuldigte sie ihre Mitangeklagte, die 58-jährige Brigitte K., den Mordversuch alleine geplant und durchgeführt zu haben. Motiv sei das Privatvermögen des getrennt lebenden Partners von Laura P. gewesen. Zuvor hatte bereits ihre mutmaßliche Komplizin eine Hauptverantwortung für die Tat abgelehnt und die Ehefrau des Opfers als Drahtzieherin beschuldigt.
Den beiden Frauen wird vorgeworfen, den Mann von Laura P. im Mai 2020 einen Likör mit Schlaftabletten verabreicht zu haben. Laut Anklage soll anschließend Brigitte K. durch ein geöffnetes Fenster in die Wohnung gelangt sein, um dem schlafenden Opfer die Pulsadern aufzuschneiden. Durch den inszenierten Selbstmord hätten die beiden Freundinnen eine mögliche Verringerung der finanziellen Zuwendungen an Laura P. verhindern wollen. Allerdings sei der Plan nicht aufgegangen: Durch den Schnitt entlang des Unterarms sei das Opfer aufgeschreckt und habe sich stark blutend zu den Nachbarn retten können, wie Staatsanwältin Vierneißel zu Prozessbeginn ausgeführt hatte. Ein Notarzt rettete den Mann.
In den ersten Verhandlungstagen wurde die ambivalente Beziehung der beiden Angeklagten deutlich. Als Laura P. im Jahr 2019 eine Hilfskraft für ihr Reinigungsunternehmen suchte, meldete sich die arbeitslose Brigitte K. bei ihr. Die beiden Frauen verstanden sich auf Anhieb gut, wurden schnell Freundinnen. Was Laura P. zu diesem Zeitpunkt offenbar nicht wusste: Brigitte K. war mehrfach vorbestraft. In ihrem polizeilichen Strafregister finden sich über 35 Einträge – Diebstahl, Betrug und immer wieder Einbruch.
Zu Beginn der Corona-Pandemie ließ Laura P. ihre Mitarbeiterin bei sich einziehen – damit diese in Zeiten der Kontaktbeschränkung nicht mehr so viel Bus fahren müsse. In das gegenseitige Vertrauen mischte sich allerdings auch eine zunehmende Abhängigkeit: Die an Multipler Sklerose leidende Laura P. war auf Unterstützung angewiesen. Und Brigitte K. fühlte sich im Kreise ihrer Wahlfamilie wieder nützlich, kümmerte sich um den Haushalt, überschüttete die zehnjährige Tochter ihrer Freundin mit Liebe.
Tätlicher Angriff
So sahen die beiden Frauen auch über manche Eigenarten der anderen hinweg. Dass Brigitte K. immer wieder die falschen Putzlappen verwendete. Dass Laura P. wiederum sauer wurde, wenn sie beim Spielen auf dem Handy gestört wurde. Selbst als sie von der Mitangeklagten tätlich angegangen worden sei, habe sie die gemeinsame Wohnung nicht verlassen wollen, so Brigitte K. – zu groß sei ihre Bindung an das zehnjährige Mädchen gewesen.
Was schließlich den Ausschlag zu dem Verbrechen in der 5000-Seelen-Gemeinde Angelbachtal kam, blieb in den ersten Verhandlungstagen noch unscharf. Brigitte K. gab zunächst an, sich aus Angst und Loyalität an dem Plan ihrer Freundin beteiligt zu haben. Dieser Darstellung widersprach nun Laura P. in der verlesenen Erklärung. Völlig unklar sind zudem noch die Hintergründe einer mutmaßlich fingierten Entführung, mit der die Angeklagten laut Staatsanwaltschaft den Verdacht von sich lenken wollten.
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