Mannheim. Beim ersten Mal werden sie zunächst nicht reingelassen: 1906, der Mannheimer Rosengarten ist gerade mal drei Jahre alt, will die SPD hier einen Parteitag abhalten. Das stößt erst auf Widerstand, aber dann wird dort hier doch das „Mannheimer Abkommen“ geschlossen. Und das ist einer der vielen historischen Momente der deutschen Parteien- und Demokratiegeschichte, die in diesem Kongresszentrum stattfinden.
1906 zählt die SPD in Mannheim 4600 Mitglieder, ein Drittel ihrer gesamten badischen Anhängerschaft. Daher soll in der Quadratestadt dieser bedeutende Parteitag stattfinden. Aber zeitweise müssen die Sozialdemokraten den Rosengarten verlassen, weil er – angeblich – für den Großherzog benötigt wird. Nach Protesten und Verhandlungen genehmigt der Stadtrat der SPD die Rückkehr in den Rosengarten, doch in der Zwischenzeit tagen die Delegierten im – dafür viel zu engen – privaten Apollo-Theater in G 6.
Beschlossen wird das zuvor mühsam ausgehandelte „Mannheimer Abkommen“. Es regelt die Zusammenarbeit der damals von August Bebel geführten Partei mit den Gewerkschaften, die danach im Kampf um soziale Gerechtigkeit grundsätzlich gleichberechtigt („Seit’ an Seit’“) sind. Die SPD sieht die Gewerkschaften nicht länger nur als ihren verlängerten Arm an, sie stehen „an Wichtigkeit hinter der sozialdemokratischen Partei nicht zurück“, wie es in dem Papier heißt. Als Erinnerung hat die IG Metall 1986 die „Mannheimer Medaille“ gestiftet, sie aber nach dem heftigen Streit zwischen SPD und Gewerkschaften um Gerhard Schröders Agenda 2010 ab 2006 nicht mehr verliehen.
Für die CDU werden schmalere Tische gebraucht
1975 finden dann gleich zwei bedeutsame Parteitage im Rosengarten statt. Der ist kurz zuvor um dem Mozartsaal erweitert worden, Mannheim Gastgeber der Bundesgartenschau und auch daher ein attraktiver Ort für bedeutende Kongresse. Zunächst kommt im Juni die CDU zum Bundesparteitag – wobei aber für den Rosengarten noch schnell schmalere Tische beschafft werden müssen, um alle Delegierten unterzubringen. Da die Mannheimer Hotels nicht reichen, schlafen einige Christdemokraten in Heidelberg, Viernheim und Frankenthal.
Inhaltlich ist es für die CDU ein bedeutender Parteitag, weil sie da ihre programmatische Erneuerung, ja Modernisierung nach dem Verlust der Regierungsverantwortung 1969 abschließt. Mit der „Mannheimer Erklärung“ reagiert sie auf die Entspannungspolitik der sozialliberalen Koalition, pocht weiter auf die Deutsche Einheit und stellt erstmals die „Neue Soziale Frage“ zur Armut bei Alten und Alleinstehenden; ein vom späteren Generalsekretär Heiner Geißler geprägter Begriff.
Zudem fasst sie zum ersten Mal einen Beschluss zur Situation der Frauen, fordert Erziehungsgeld und Partnerrente – damals revolutionär. Das sind wichtige Ausgangspositionen für den Bundestagswahlkampf 1976, und für den stärkt die CDU ihrem damaligen Kanzlerkandidaten und rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Helmut Kohl mit 98 Prozent der Stimmen und Jubel bei der Wiederwahl als Parteichef demonstrativ den Rücken.
Parteitagsprotokolle werden für die SPD beim „MM“ gedruckt
Mannheim wird danach für die „perfekte Organisation“ gedankt, und es ist von „Bonner Bundeshaus-Atmosphäre“ im Rosengarten die Rede. Das wiederholt sich im September 1975, als die SPD hier ihren Bundesparteitag abhält. Im Druckhaus des „Mannheimer Morgen“ werden fünf Tage lang jede Nacht hunderte Seiten Parteitagsprotokolle gedruckt, damit sie die Delegierten morgens druckfrisch auf dem Tisch haben.
Festgehalten sind da etwa kontroverse Debatten über die Mitbestimmung und mit der FDP in der sozialliberalen Koalition nötige, aber an der Basis höchst unbeliebte Kompromisse. Bundeskanzler Helmut Schmidt bittet daher um „Augenmaß“ bei den Beschlüssen. Die Parteispitze residiert im „Mannheimer Hof“, an einem Abend speisen Parteivorstand und Parteirat im Rittersaal. Auch die Mannheimer haben etwas von dem Großaufgebot sozialdemokratischer Prominenz: In Eisstadion gibt es eine Kundgebung mit dem SPD-Vorsitzenden Willy Brandt, dem 3500 Zuhörer zujubeln.
1980 schreibt Mannheim christdemokratische Parteiengeschichte. Ende August findet im Rosengarten der erste und bisher einzige gemeinsame Kongress von CDU und CSU statt. Er beschließt das „Mannheimer Manifest“ als gemeinsames Papier für die Bundestagswahl im Oktober 1980, bei der der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß (CSU) als Kanzlerkandidat für die Union antritt. Es ist sein dritter – groß gefeierter – Auftritt in dem Jahr im Rosengarten. Zuvor spricht er bereits bei der Union der Vertriebenen und bei den CDU-Sozialausschüssen, wo es bei „Stoppt Strauß“-Aktionen zu Tumulten kommt.
Am 16. November 1995 kommt es schließlich gegen 10.45 Uhr nach heftigen Debatten zu einem historischen Moment für die deutschen Sozialdemokraten im Rosengarten. Erstmals in ihrer Geschichte wählt die SPD einen amtierenden Vorsitzenden ab. Rudolf Scharping wird von Oskar Lafontaine, dessen Rede die Delegierten zuvor von den Sitzen gerissen hat, herausgefordert.
Von Intrige, Putsch und dramatischen Stunden ist die Rede, wobei die entscheidenden Gespräche in der Nacht vorher in der Bar des damaligen Maritim-Parkhotels geführt worden sein sollen. „Du mußt es machen“, soll Gerhard Schröder da Lafontaine gedrängt haben. 1999 zerstreiten sich beide aber, und Lafontaine verlässt die SPD.
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