Heidelberg. Zwei stilisierte Frauen, zwei Männer, die um ein Auto schleichen? Auf den ersten Blick sagt das neue Schild kaum jemandem etwas. Doch wer es ignoriert, riskiert einen Strafzettel: „Zusatzzeichen1010-70“, wie das quadratische Schild mit weißem Hintergrund und schwarzen Piktogrammen offiziell heißt, reserviert Parkplätze für Car-sharing-Fahrzeuge.
Sonntagabend in der neuen Heidelberger Südstadt: Ein Ehepaar aus dem Rhein-Neckar-Kreis hat sich mit Freunden verabredet, die seit einiger Zeit hier wohnen. Treffpunkt ist der neue Karlstorbahnhof, die Freunde sind neugierig, wollen das städtebauliche Vorzeigeprojekt und den Anderen Park besichtigen. In der John-Zenger-Straße gibt es sogar ein paar freie Parkplätze. Das Paar stellt sein Auto dort ab.
„Darf man hier parken?“, fragt es die Insiderin. Mit den kürzlich aufgetauchten Schildern kann auch sie nichts anfangen. Da sich in der Nähe Arztpraxen befinden, vermutet sie, dass hier Patienten rausgelassen werden können. Aber parkt man dann? Und sonntags sind die Praxen sowieso geschlossen. Ihr Partner hingegen ist sich sicher, dass dies ein Platz ist, um Kinder, die zur Schule gehen, aussteigen zu lassen. Aber warum sind nur Erwachsene abgebildet, keine Kinder? Und ist es nicht ein bisschen weit bis zur nächsten Schule? Warum schließlich hängt ein blaues Parken-Schild darüber? Weder Halte- noch Parkverbotsschilder sind zu sehen. Es ist nicht viel los. Die Gruppe beginnt ihren Rundgang, der rund drei Stunden später, nach einer gemeinsamen Einkehr in einem der neuen Restaurants, mit einer bösen Überraschung endet: „Sie haben eine Ordnungswidrigkeit begangen“, steht auf einem Zettel, der hinter dem Scheibenwischer klemmt. Verdutzte Blicke, ein Scherz?
Nein, bestätigt ein Sprecher der Stadt: „Bei unberechtigtem Parken auf einem Parkplatz für Carsharing-Fahrzeuge wird ein Verwarnungsgeld in Höhe von 55 Euro fällig.“ Diese Verstöße würden „ordnungsrechtlich verfolgt, auch das Abschleppen von Fahrzeugen ist nicht ausgeschlossen“. Das Verkehrszeichen „Carsharing“ sei im Jahr 2020 in den Katalog der Verkehrszeichen aufgenommen worden: „Es wird als Zusatzzeichen zum Verkehrszeichen ,Parken’ verwendet und bedeutet in der Kombination auf dem Foto, dass das Parken nur für Carsharing-Fahrzeuge erlaubt ist“, erklärt der Stadtsprecher weiter. Die Schilder seien im April aufgestellt worden und würden bald auch in anderen Stadtteilen zu finden sein. In Ludwigshafen werden die Schilder ebenfalls bereits aufgestellt.
Was bedeutet Carsharing?
Unwissenheit schützt vor Strafe nicht – dieser juristische Grundsatz, den schon die alten Römer formulierten, gilt auch hier und heute. Mit Kulanz wegen Nichtwissens ist nicht zu rechnen: „Ab vier Tagen nach Aufstellung der Schilder muss mit Kontrollen gerechnet werden“, sagt der Sprecher. Die noch ungewohnten Schilder – vorübergehend – mit der schriftlichen Ergänzung „Carsharing“ zu versehen, sei nicht möglich, „da das Schild selbst diese Aussage beinhaltet. Eine Doppelbeschilderung ist nicht erlaubt. Ein Zusatzzeichen mit dem Text ,Carsharing’ ist im Verkehrszeichenkatalog nicht vorgesehen“.
Carsharing bedeutet wörtlich übersetzt, dass ein Auto geteilt wird: Über einen (Abo-)Vertrag sichern sich die Kunden die Möglichkeit, nach Bedarf ein Auto zur Verfügung zu haben, ohne eines zu besitzen. Wenn man das weiß, versteht man auch, warum das schwarze Auto in der Mitte des Schildes durchbrochen – geteilt – ist. „Wahrscheinlich dürfen hier nur Halblinge parken“, frotzelt hingegen ein Teilnehmer im sozialen Netzwerk. Insgesamt bleibt die Erkenntnis: Ortskenntnis umfasst nicht nur Sehenswürdigkeiten.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg_artikel,-heidelberg-carsharing-in-heidelberg-ein-schild-das-man-kaum-versteht-_arid,2246212.html