Heidelberg.
Der braune Jagdhund sitzt brav Modell, scheint den Betrachter anzuschauen – und trägt eine Krawatte, auf der das Porträt von Alexander Gauland zigfach abgedruckt ist. „Time for a change (Zeit für eine Veränderung)“ hat Christina Hermainski ihr Plakat überschrieben. Es spielt humorvoll mit der Vorliebe des AfD-Politikers für Krawatten, auf denen Hundekonterfeis gedruckt sind. Das Bild ist eines von 30 Entwürfen des zehnten Plakatwettbewerbs „Mut zur Wut“. Bis Ende August sind sie an 500 Stellen im Stadtgebiet verteilt zu sehen.
Der Bundesadler hat zugenommen: „Dickes Deutschland“ hat Amélie Le Boëdec ihre Grafik getauft. Das Wappentier trägt die umgedrehte Tüte einer Imbisskette auf dem Kopf. Politisch müssen die Aussagen der Entwürfe sein für diesen Wettbewerb, gibt Initiator Götz Gramlich vor. Passt das in die Räume einer unabhängigen Justiz? Aber ja, betont Landgerichtspräsident Hans Jörg Städtler-Pernice bei der Vernissage die Notwendigkeit der Auseinandersetzung und eingängige Formulierung „kluger Gedanken“. Das Internet habe als Medium der Vielfalt versagt, seit „soziale Roboter“ mit Masseneinträgen Stimmung machen. „Plakate verdichten Aussagen“ und regen zum Nachdenken an, sieht der Hausherr den Ausstellungsort „ausgesprochen gut gewählt“.
Insgesamt 100 Plakate werden bis Ende September im Justizgebäude an der Kurfürstenanlage ausgestellt. Einen Tag lang hat eine fünfköpfige Jury aus dem ganzen Land und dem benachbarten Ausland die digital eingereichten Arbeiten gesichtet und bewertet. Für die 30 Sieger gibt es zwar keinen Geldpreis. Aber ihre Plakate werden professionell gedruckt, sind in der Ausstellung und im Stadtgebiet zu sehen und machen sich auch gut im Lebenslauf der angehenden Designer.
Tim Würz ist einer von ihnen. Er studiert in Mainz Grafikdesign und hat drei Plakate eingereicht. Nun steht er – „mit einer guten Portion Stolz“ sowie Neugier auf die Besucherreaktionen – im Flur vor seinem Werk „Hallo Welt“. Es thematisiert das weltweite Müllproblem. Mehr als drei Wochen habe er an den Entwürfen gearbeitet, erzählt der 21-Jährige, mehr als die Hälfte der Zeit investierte er in das ausgewählte Motiv. Gut gefallen hatte ihm auch das zweite Motiv, das sich mit dem Thema Datenschutz beschäftigte. Aber vielleicht sei die Aussage auch etwas sperrig gewesen, überlegt Würz, warum die Jury nicht diesen Entwurf ausgewählt haben könnte.
Wie schon im vergangenen Jahr gibt die Flüchtlingssituation einen Themenschwerpunkt vor. „Sea Holidays“ ist das auf den ersten Blick sehr gefällig und urlaubsbunte Bild von Bianca Consiglio benannt. Auf den zweiten Blick treiben neben den Sonnenhungrigen die Leichen von Verzweifelten. Auch die Themen Umwelt und Klimaschutz haben viele Einsender beschäftigt. Die lustige Biene Maja, die ob giftiger Dämpfe ohnmächtig gen Boden segelt, ist ein Beispiel dafür. Eine Eistüte von Lea Boberschmidt hält das Gletschersterben vor Augen. Und Sebastian Schellenbergers „Happy Holidays“ lässt einen startenden Urlaubsflieger grauen Dunst über den Traumstrand legen.
Internationale Beteiligung
Zehn Mitglieder hat der Verein „Mut zur Wut“. Vor zehn Jahren startete Gramlich mit Marcello Lucas den Wettbewerb, in dem 15 Gestalter eingeladen wurden, ein sozialkritisches Thema zu erarbeiten. „Wir haben so starke Rückmeldung bekommen, dass wir den Verein gegründet haben“, erzählt Gramlich. Inzwischen ist ein internationaler Wettbewerb daraus geworden. In den nächsten Tagen wird „Mut zur Wut“ besonders stark in den öffentlichen Blick rücken: Weil einige Kultureinrichtungen nun in die Sommerpause gehen und ihre Plakatflächen freigeben, wird ordentlich nachplakatiert. An 500 Stellen im Stadtgebiet – auch den ganz großen Stellflächen – werden die 30 Siegerarbeiten verteilt. Zwar bekommt der Verein auch städtische Unterstützung – bezahlt werden müssen die Flächen dennoch. „Ein Kraftakt für unseren kleinen Verein“, gibt der Initiator zu.
Wettbewerb „Mut zur Wut“
- 3120 Plakate von 1520 Teilnehmern aus 66 Ländern sind zur zehnten Ausgabe des Wettbewerbs „Mut zur Wut“ eingereicht worden.
- Der Heidelberger Grafikdesigner Götz Gramlich hat ihn initiiert.
- Eine Jury (Ariane Spanier, Julia Kahl, Verena Panholzer, Eduardo B. Arambarri und Steffen Knoell) hat die 30 Gewinner ausgewählt.
- Bis Ende August hängen die Siegerplakate im Stadtgebiet verteilt. Im Foyer des Justizzentrums sind 100 Plakate bis Oktober zu sehen.
- Der Katalog (39,90 Euro) „Zehn Jahre Mut zur Wut“ kann über den Verein (www.mutzurwut.de) bestellt werden. (miro)
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