Interview

Baudirektor Müller zum Ende seiner Amtszeit über den Faulen Pelz in Heidelberg und das Mannheimer Schloss

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Michaela Roßner
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Bernd Müller, Amtsleiter von Vermögen und Bau Mannheim und Heidelberg, im Besprechungszimmer des Amtssitzes in L 4. © Thomas Troester

Seit 2015 leitete Baudirektor Bernd Müller das Amt für Vermögen und Bau Mannheim und Heidelberg. Unter anderem war er für die Baustellen in den drei Schlössern in Mannheim, Heidelberg und Schwetzingen zuständig. Nun verabschiedet sich der leidenschaftliche Architekt in Pension.

Von Schloss bis Gefängnis, von Uni über Klinik bis Polizeipräsidium: Ihre Bauprojekte sind immer einzigartig. Gibt es eines, das für Sie ganz besonders war oder ist?

Bernd Müller: Wir haben für die Bundeswehr ein Verpflegungshaus in Afghanistan gebaut. Es war eine Ehre für Baden-Württemberg, dass der Bundesbau diesen Auftrag aus Berlin erhalten hat. Im Bundeswehrlager in Kundus sollte für mehr als 1000 Soldaten eine Art Mensa gebaut werden. Gesamtbaukosten: i 15 Millionen Euro. Es wurde eines der sichersten Gebäude in Afghanistan. Während Amerikaner und Kanadier dort mit Containerlösungen arbeiteten, haben wir ein erdbebensicheres Gebäude errichtet, das auch gut Granaten der Taliban aushalten konnte. In dieser Zeit gab es immer wieder Entführungen von ausländischen Fachkräften und von Mitarbeitern der Hilfsorganisationen. Ich konnte nicht zur Baustelle, das Risiko wollten meine Chefs in Stuttgart nicht eingehen. Aber wir haben den Bau geschafft mit einem Generalunternehmer aus der Türkei. Alles wurde von Heidelberg aus gesteuert, ich ließ mir regelmäßig Fotos und Videos schicken. Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel und der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg haben später dort gegessen. Und vor allem die Soldaten, die im Auslandseinsatz natürlich Anspruch auf ordentliche Verpflegung haben.

Was wurde aus dem Gebäude?

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Müller: Es wurde dem Bürgermeister von Kundus und dann wohl den Taliban übergeben. Ob die mit der komplizierten Gebäudeleittechnik und den super-modernen Hightech-Maschinen zurechtkommen, weiß ich nicht. Aber viele Jahre hat dieses Gebäude seine Funktion sehr gut erfüllt.

Gibt es weitere solcher Projekte?

Müller: Das zweite Herzensprojekt ist die baden-württembergische Landesvertretung in Brüssel – wenn man so will, die Botschaft des Landes bei der Europäischen Union. In Belgien bauen zu dürfen, war ebenso eine große Ehre und hielt interessante Erfahrungen bereit. Neben diesen „Exoten“ gab es Projekte im „normalen Bauen“, auf die ich besonders gerne zurückblicke: etwa die neue Chirurgie in Heidelberg, davor die Medizinische Klinik. Ein Krankenhaus der Maximalversorgung zu bauen, steht in seiner Komplexität dicht unter der Aufgabe, einen Flughafen zu realisieren. Am Herz lagen mir auch immer unsere schönen Schlösser. Das ist eine ganz andere Welt, in der der Zeitplan zurücktritt vor der Notwendigkeit, Kulturdenkmäler so gut wie möglich zu erhalten. Ich hatte einen Traumjob – und das in meiner Heimat, der Kurpfalz. Ich gehe absolut dankbar und erfüllt in Ruhestand.

Gibt es ein Projekt, das Sie gerne noch gebaut hätten?

Müller: Das Ankunftszentrum für Geflüchtete in Patrick-Henry-Village. So etwas wurde in Deutschland noch nie gebaut. Es gibt zwar Ankunftszentren etwa in früheren Kasernen. Aber dafür einen Neubau zu schaffen, ist einzigartig. Wie baut man für Menschen, die traumatisiert ankommen, für Frauen, die vergewaltigt wurden und Familien, die um Angehörige trauern, beschossen und traumatisiert wurden? Man muss ihnen eine Umgebung bieten, die ihnen Ängste nimmt und Geborgenheit bietet. Container oder Ähnliches kommen da nicht in Frage.

In Ihrem Büro liegen einige symbolische Schlüssel – sollten die nicht bei den Nutzern der Gebäude sein?

Müller: Die Schlüssel werden immer von unseren Azubis gefertigt. Sie sind in der Form jeweils den neuen Gebäuden nachempfunden und werden bei der symbolischen Schlüsselübergabe überreicht. Die Nutzer könnten sie mitnehmen. Doch sie werden regelmäßig vergessen. Wenn wir dann nach der Feier aufräumen, finden wir immer wieder einen – und ich habe sie gerne in meinem Büro gesammelt. Mal sehen, was nun mit ihnen passiert.

Vielleicht freut sich Ihr Nachfolger darüber. Wer wird es sein?

Müller: Das weiß ich leider nicht. Darüber brütet man gerade im Finanzministerium – ganz oben, in der Hausspitze. Die Entscheidung ist vermutlich nicht einfach, denn es ist das größte der 13 Ämter für Vermögen und Bau im Land. Da will man den Richtigen oder die Richtige auswählen. Ich hätte ihm im März gerne alles schön übergeben. Angekündigt hatte ich im Mai, dass ich in Pension gehen möchte – nach drei Verlängerungen. Jetzt muss mein Stellvertreter kommissarisch leiten.

Wie kamen Sie dazu, Chef von heute 240 Mitarbeitern im Amt Vermögen und Bau zu werden?

Müller: Es war mein Traum, das „Kurpfälzer Bauamt“ zu leiten. Es steht in der Tradition der Kurpfälzer Hofbaumeister und der großherzoglichen Baumeister. Sie haben für den Großherzog gebaut, wir bauen für die Demokratie. Ab 2010 wurde ich in Mannheim Amtsleiter – und damit auch für die Schlösser in Mannheim, Heidelberg und Schwetzingen zuständig. Die Vielfalt des Amtes hat mich immer gereizt.

2015 wurden Sie dann Leiter von zwei Ämtern in zwei Städten…

Müller: Das Amt Mannheim deckte den gesamten baden-württembergischen Teil der Kurpfalz ab, denn der Amtsbezirk sind die Städte Mannheim und Heidelberg sowie der Rhein-Neckar-Kreis. Auch die Landeseinrichtungen in Heidelberg - Justiz, Polizei, Finanzamt, Schloss – wurden immer von Mannheim aus betreut. Das Universitätsbauamt in Heidelberg war allein für die Gebäude der Pädagogischen Hochschule und Universität zuständig. 2015 ging der damalige Leiter Rolf Stroux in Pension. Es war klar, dass die Ämter zusammengelegt würden. Man fragte mich, ob ich bereit wäre, die Leitung zu übernehmen. Von März bis Juli 2015 habe ich die beiden Ämter zunächst Parallel geführt. Im Juli 2015 kam die Zusammenlegung.

An zwei Standorten gleichzeitig zu sein war sicher schwierig?

Müller: Es war nie eine Last und ich habe es nie als Problem empfunden. Ich gebe zu, ich fahre auch gerne Auto. Ich bin manchmal zwei oder drei Mal an einem Tag hin und hergefahren.

Wie ging es Ihnen als Wandler zwischen den beiden unterschiedlichen Welten Mannheim und Heidelberg?

Müller: Das habe ich sehr positiv erlebt. Das war sogar entspannend! Wenn ich hier in Mannheim oder in Heidelberg eine wichtige Besprechung hatte, wo es vielleicht sogar um Probleme oder Ärger ging, konnte ich mich ins Auto setzen und zwanzig Minuten in die eine oder andere Richtung fahren. Diese Fahrt habe ich zum Nachdenken genutzt – am Schreibtisch hätte ich sie mir nicht genommen. Und wenn es ganz wild kam, bin ich nach Schwetzingen gefahren und eine halbe Stunde in meinem Schlosspark spaziert. Er strahlt eine wunderbare Gelassenheit aus.

Sie sind ein leidenschaftlicher Architekt. Wie sah Ihr Arbeitsalltag seit 2015 aus?

Müller: Zwei oder drei Stunden auf einer Baustelle zu verbringen wie früher war nicht mehr möglich. Der Anteil an administrativen Dingen und Personal- und Finanzplanung wurde sehr groß. Es gab jeden Tag Projektbesprechungen. Wichtig war mir, dass wir am Ende Qualität produziert und uns um die Baukultur gekümmert haben. Was bleibt schließlich, wenn man sich eine Stadt anschaut? Nehmen wir die Elbphilharmonie in Hamburg: jahrelang riesiger Ärger. Heute fragt danach niemand mehr. Was bleibt, sind nicht das Verfahren, der Kostendruck, die Personalprobleme. Sondern das, was Menschen in einer Stadt angenehm und schön finden. Wir Architekten haben eine riesige Verantwortung: Wir schaffen Gebäude, an denen Menschen jahrzehntelang vorbeigehen, mit denen sie leben und – ob man will oder nicht – beeinflussen sie unser Unterbewusstsein.

Es ging nicht immer um bauen. Sie mussten auch viel modernisieren.

Müller: Neubau kommt erst zum Schluss, wenn kein passendes Gebäude vorhanden ist. Eine Grundregel lautet: Sanierung geht immer vor Neubau.

Die Masterplanung für das Neuenheimer Feld hat Sie über Jahre beschäftigt. IBA-Chef Braum kritisierte , dass innovative Ideen wie etwa eine Seilbahn nicht mehr verfolgt werden. Wie erklären Sie das?

Müller: Ich verstehe, dass man enttäuscht sein kann – weil man vielleicht auch zu hohe Erwartungen hatte. Uns war die harte Realität der Rahmenbedingungen immer vor Augen. Eine Seilbahn müsste man in zehn bis 15 Metern Höhe führen – wie sollte man mit Aufzügen oder Rolltreppen jeden Morgen und jeden Abend Tausende von Menschen hinaufbringen? Und das ist nur ein Grund. Die Masterplanung ist in ganz anderer Hinsicht ein riesiger Erfolg: Damals, auf dem Tiefpunkt der Beziehungen zwischen Stadt, Land und Universität – als das Gerichtsurteil gegen die Straßenbahnerschließung fiel – hat man gedacht: Die Seiten kommen nie wieder zusammen. Die große Leistung des Masterplans ist, dass über Jahre hinweg, durch sachliche Arbeit und maximale Kommunikation, eine gewisse Befriedung eingetreten ist. Es hat in ganz Deutschland noch nie einen Prozess der Bürgerbeteiligung in dieser Komplexität und diesem Umfang gegeben. Am 17. März wird dieses Konzept – hoffentlich – im Gemeinderat verabschiedet. Es bildet die Vorlage für alle künftigen Detailpläne. Das ist für mich die große Leistung der Masterplanung.

Zuletzt gab es Ärger um den „Faulen Pelz“ in Heidelberg: Das Sozialministerium möchte das leerstehende Gefängnis für den Maßregelvollzug nutzen. Die Stadt ist dagegen. Ist es richtig, dass schon Bauarbeiten dort stattfinden?

Müller: Wir planen seit einiger Zeit die Nachnutzung durch die Universität und sind schon sehr weit. Aber wir können nicht vor 2025 bauen. Ein leerstehendes Gebäude altert sehr viel schneller als ein genutztes. Uns ist es recht, wenn der Faule Pelz zwischengenutzt wird. Man kann sich aber darüber unterhalten, ob es Sinn macht, dort, an dieser Stelle in der Altstadt genau dieses Klientel unterzubringen. Wir sind dort aber nur Eigentümer. Das Sozialministerium ist Bauherr und macht im Moment Voruntersuchungen. Dafür haben sie die Schlüssel bekommen – und mehr nicht. Mir ist nicht bekannt, dass dort Bauarbeiten stattfänden. Dafür bedürfte es eines Baurechts, das erteilt die Stadt. Vielleicht stellt man aber auch nach den Voruntersuchungen fest, dass das Gebäude gar nicht geeignet ist.

Wäre der Faule Pelz aus Ihrer Sicht geeignet?

Müller: Es gibt zwei Gebäude aus den Jahren 1848 und 1910. Das jüngere ist in besserem Zustand und bietet in etwa Standards, die in etwa unseren anderen Gefängnissen auch entsprechen und die vermutlich mit geringerem Aufwand hergerichtet werden könnten. Im Altbau müsste man möglicherweise mehr investieren.

Das Mannheimer Schloss hat eine Verjüngungskur erlebt. Ist das viele Geld gut investiert?

Müller: Natürlich. Wer hat schon eine Schlossuniversität! Es gilt, sich Flügel für Flügel durchzuarbeiten bei der Sanierung. Jetzt sind wir am Ehrenhof Ost. Katakomben und Aula sind schon fertig. Auch die Business School haben wir im ehemaligen Kohlenkeller untergebracht. Ein Beispiel dafür, dass es möglich sein muss, an einem historischen Monument wie dem Barockschloss zeitgemäß etwas zu verändern. Sonst würden wir nur noch konservieren und museal erhalten. Aber das Mannheimer Schloss lebt ja. Die Architektur der Business Scholl ist preisgekrönt. Als nächstes gehen wir an den Ehrenhof West und den Ostflügel mit dem Rektorat. Aber es ist erforderlich, dass wir vorher Ausweichflächen haben. Deshalb bauen wir zwei Fakultätsgebäude am Rande des Friedrichsparks – mit zusammen geringerer Versiegelung und einem maximalen Standard, was Klimaschutz angeht.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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