Heidelberg

"ArabsAsk": Antisemitismus per Tiktok und Instagram bekämpfen

Eigentlich sind sie Studierende an der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg. Doch seit dem 7. Oktober sehen sie sich antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt. Auf Instagram, Tiktok und co. treten sie dem nun entgegen

Von 
Jakob Walter
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Antisemitische Anfeindungen auf einer Mahnwache für die Opfer in Israel, wie hier am Paradeplatz, waren der Auslöser für das Projekt. © Thomas Tröster

Heidelberg. Zwischenmenschliche Brücken bauen - genau das hat sich die Studentin und Friedensaktivistin Rawan Osman zur Aufgabe gemacht. Gemeinsam mit einer Gruppe von Studierenden und Mitarbeitenden der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg (HfJS) will sie muslimischen Antisemitismus bekämpfen - auf Arabisch. Das Angebot soll dabei so niedrigschwellig wie möglich sein. Durch Kurzvideos auf sozialen Netzwerken wie Instagram, Tiktok, X (ehemals Twitter) und Co. sollen junge Arabisch sprechende, in Europa lebende Menschen angesprochen werden. Das Projekt nennt sich „ArabsAsk“ und ist vor einigen Wochen gestartet.

Die Studierenden und Mitarbeitenden David Lüllemann (v.l.), Rawan Osman und Lukas Stadler sind die Köpfe hinter dem Projekt „ArabsAsk“. © HfJS

Neben Osman stehen der Promotionsstudent und wissenschaftliche Mitarbeiter Lukas Stadler sowie der Historiker und Masterstudent David Lüllemann hinter dem Vorhaben. „Es ist kein Geheimnis, dass Antisemitismus in den europäischen Gesellschaften nach wie vor weit verbreitet ist. Rechter und zum Teil auch linker Antisemitismus sind bereits gut erforscht worden. Der spezifische, moderne muslimische Antisemitismus ist erst in jüngerer Zeit in den Blick der Forschung gerückt“, schreiben sie in ihrer Projektbeschreibung.

Rawan Osman erlebte antisemitische Erziehung

Osman ist mit dieser Problemstellung bestens vertraut. Sie ist im Libanon aufgewachsen und hat die antisemitische Erziehung in arabischen Ländern selbst erfahren. Sie erzählt, dass Israel und das Judentum als außerirdische Entität im mittleren Osten beschrieben werden. Jüdinnen und Juden würden dort nicht hingehören und sollen dahin zurück, von wo sie gekommen sind, schildert sie auf Englisch ihre Erfahrungen. „Das ist, was wir lernen. Es sei ein Krebs, und die Hamas helfe, diesen zu entfernen“.

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Dieser Propaganda will Osman mit ihrem Projekt entschieden entgegentreten. Sie wolle die Menschen ermutigen, zu reflektieren. „Kritisches Denken wird im arabischen Schulsystem nicht gefördert“, erklärt sie. Deshalb solle sich das Projekt vor allem auf diejenigen fokussieren, die ihre Heimat in Richtung Europa verlassen haben. „Wenn man hier für ein besseres Leben ist, dann ergibt es keinen Sinn, den IS oder die Hamas zu unterstützen“, fasst Osman den Denkanstoß zusammen, den sie bei der Zielgruppe auslösen möchte.

Diesen bestärkt auch Lüllemann. „Unser Ziel ist es, in der arabischsprachigen Community das Tabu des Sagbaren aufzubrechen und zu zeigen, dass Rawan - potenziell aber auch andere - mit Wurzeln in Libanon und Syrien sich ändern und kritisch nachfragen können“, erklärt er. Im Prinzip wolle man durch das Projekt neue Rawans erschaffen, fügt er lachend hinzu. Dabei soll das Informationsangebot so niedrigschwellig wie möglich greifbar gemacht werden.

Tiktok-Projekt "ArabsAsk": Aufklärung auf Augenhöhe

Deshalb entschieden sich die drei für kurze Videos in den sozialen Netzwerken. „Wenn man junge Menschen zwischen 16 und 35 erreichen möchte, dann sind Instagram und Tiktok geeignete Kanäle, nicht zuletzt, weil juden- und israelfeindlichen Inhalten dort oft keine Counterspeech (Gegenrede, Anm. der Redaktion) entgegengesetzt wird“, heißt es dazu in der Projektbeschreibung. Die Videos sollen laut Stadler gesehen werden, ohne dass danach gesucht wird und ohne dass das Gefühl aufkommt, sie kämen vom deutschen Staat. Ein prägnantes Stichwort ist dabei Augenhöhe. „Wir glauben, dass das eher was bringt, als wenn man in Schulen Unterrichtsstunden veranstaltet“, erklärt Stadler. Das Projekt soll sich an die Aufmerksamkeitsspanne des jungen Publikums anpassen.

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Doch was war die Initialzündung für „ArabsAsk“? „Wir waren auf einer Kundgebung in Mannheim und sind alle antisemitisch angepöbelt worden, und dann haben wir gemerkt, wir können was dagegen tun. Die machen das, weil sie in Europa noch nicht erreicht worden sind“, erinnert sich Stadler. Lüllemann ergänzt, dass der Antisemitismus seit dem 7. Oktober extrem sichtbar geworden sei. „Auch verbal und brachial auf deutschen Straßen, wo es in bestimmten Kontexten gefeiert worden ist, wenn Jüdinnen und Juden ermordet worden sind“, führt er aus.

Nicht nur positive Resonanz für "ArabsAsk"

Durch das Projekt machen sich die drei Initiatoren nicht nur Freunde. Vor allem Osman erreichen zahlreiche Hassnachrichten - oder wie sie zynisch umschreibt: „Loveletters“ - Liebesbriefe. Sicherheitsbedenken haben sie, gerade weil der eigens für das Projekt gegründete Verein Post7October e.V. seinen Sitz in der Hochschule hat. Deshalb wolle man sich beraten lassen, ob und welche Sicherheitsvorkehrungen man treffen könne, erzählt Lüllemann. „Die Hassnachrichten, die vor allem Rawan bekommt, sind nicht unerwartet, aber in ihrer Intensität und Häufigkeit so viel, dass wir es mindestens dokumentieren müssen und eine Risikoscheinschätzung brauchen“, fasst er zusammen.

Doch das hält die Drei nicht auf. Den Erfolg könne man nach kurzer Zeit zwar noch nicht bemessen, doch schon jetzt gibt es auf einige Videos zahlreiche Reaktionen. Erfreulich findet Osman Kommentare, in denen jüdische Menschen arabische Freunde markieren und zum Reflektieren anfordern. „Warum sollte es nicht funktionieren?“, gibt sie sich zuversichtlich.

Antisemitismusbeauftragter Blume sichert "ArabsAsk" will unterstützen

Dafür brauche es jedoch finanzielle Unterstützung. Das Projekt erhielt eine Anschubfinanzierung in Höhe von 10 000 Euro von der europäischen Rechtskanzlei Kesher Law. Im Zuge eines Besuchs von Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) und dem Antisemitismusbeauftragten Michael Blume im November 2023 stellten die Drei zudem einen ersten Entwurf vor. Vor allem Blume zeigte sich von diesem sichtlich angetan. „Die Förderung digitaler Bildungsarbeit und die Bekämpfung von Desinformation und Antisemitismus auf Tiktok, auch in arabischer Sprache, halte ich für außerordentlich wichtig“, betonte er auf Anfrage. Einen entsprechenden Finanzierungsantrag habe der Verein kürzlich eingereicht, erzählt Lüllemann. „Wir sind zuversichtlich, dass wir zumindest eine Teilförderung bekommen.“

„ArabsAsk“ ist auf Instagram, Tiktok, Facebook und Youtube

Redaktion Online-Redakteur, zuständig für redaktionelle Videos

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