Umwelt

Streitfall Mühltal: Wie sollen die Wälder in Heidelberg bewirtschaftet werden?

Von 
Bernhard Zinke
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Die Baumfällarbeiten im Mühltal bei Handschuhsheim sorgten einmal mehr für Diskussionsstoff. © Philipp Rothe

Heidelberg. Der Klang von ratternden Motorsägen, krachendem Holz und surrenden Seilkränen gibt den akustischen Hintergrund für einen spannungsgeladenen Waldspaziergang durch das Mühltal hinter Handschuhsheim im nasskalten Schneeregen. Mit von der Partie: Mitglieder des Aktionsbündnisses „Waldwende Heidelberg“ um den streitbaren Speyerer Forstwirt Volker Ziesling auf der einen Seite, Ernst Baader, Leiter des Heidelberger Landschafts- und Forstamtes, und seine Mitarbeiter auf der anderen Seite. Im Fokus stehen die Pflegemaßnahmen, die seit Ende November hier laufen und jetzt kurz vor dem Abschluss stehen.

Die Mitstreiter des Waldwende-Bündnisses sind gar nicht einverstanden mit den aus ihrer Sicht viel zu massiven Eingriffen in die Natur zwischen Talweg und Jagdhausweg. Bei diesem Vor-Ort-Termin wetzen beide Seiten die verbalen Messer. Die Aktivisten sprechen von Wortbruch, die Förster von Markierungen an Bäumen, die plötzlich verschwunden sein sollen, um Bäume vor der Säge zu retten. Am Feuchtbiotop schrammt die Veranstaltung haarscharf am Abbruch vorbei.

Die Waldwende-Aktivisten werfen den Forstleuten vor, mehr Bäume gefällt zu haben, als in protokollierten Vereinbarungen festgehalten worden ist. „Glauben Sie wirklich, dass wir hier irgendetwas machen, was nicht abgesprochen war?“, fragt Amtsleiter Ernst Baader dünnhäutig. Der Vorwurf des Wortbruchs sitze sehr tief, sagt Baader. Die kompletten Maßnahmen seien abgesprochen und in den Protokollen dokumentiert worden. Aber offensichtlich kursieren unterschiedliche Protokolle, die von beiden Seiten verfasst wurden und inhaltlich nicht unbedingt deckungsgleich sind. Volker Ziesling konstatiert: „Dann müssen wir in Zukunft die Absprachen noch präziser treffen.“

Streit um Buchen

Streit entzündet sich vor allem an den vermeintlich vielen Buchen, die gefällt worden sind. Auf 130 bis 140 Festmeter schätzt Revierförster Andreas Ullmann die Menge des Buchenholzes. „Dass so viele Buchen gefällt werden, haben wir nicht vereinbart“, rufen erzürnte Waldwende-Mitstreiter. Und immer wieder wird die Frage laut, warum die gefällten Buchen nicht als Totholz an Ort und Stelle verbleiben, um neuen Lebensraum für Tier-und Pflanzenarten zu bilden. Das sei an dieser Stelle überhaupt nicht vereinbart gewesen, betont Ullmann. Hier oben sei klar besprochen, dass dieser – vor allem von Fichten besetzte – Teil des Waldes durchforstet werden dürfe. Allerdings gebe es hier eben nicht nur Fichten, sondern auch Buchen, Kastanien und Kiefern. Eine Durchforstung mache nun mal nicht vor bestimmten Baumarten halt.

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Es gehe schlicht darum, den verbleibenden Bäumen mehr Luft und Licht zu verschaffen, damit diese sich ausbreiten und entwickeln können, erläutert Baader. „Das Leben der Bäume ist der Kampf ums Licht“, zitiert Baader den Leitsatz der bekannten Dokumentation „Mythos Wald“ von Naturfilmer Jan Haft. An den anderen Stellen habe man, wie vereinbart, keine Buchen gefällt. Und ganz nebenbei verschaffe man durch eine Durchforstung den langsamer wachsenden Buchen eine weitaus bessere Überlebensfähigkeit zwischen den wesentlich schneller wachsenden und raumgreifenden Fichten, erläutert Baader das Grundprinzip der Forstwirtschaft.

Dabei verfolgen die städtischen Förster und Ziesling im Grunde dasselbe Ziel: den Wald für die Klimakrise fit zu machen. Ein Paradigmenwechsel in der Waldbehandlung sei jetzt nötig. Da sind sich Baader und Ziesling einig. Über den Weg dorthin haben beide allerdings deutlich unterschiedliche Vorstellungen. Ziesling denkt in weitaus längeren Umbauphasen als Baader, will den Wald sich selbst überlassen. Dieser widerspricht dem Ideal eines Urwaldes in der Region. Seit der Eiszeit habe der Mensch immer wieder in das Wachstum des Waldes eingegriffen, sagt er. Und dieser Wald im Mühltal sei vor 80 Jahren erst angepflanzt worden.

Heidelberger Stadtwald

Etwa 40 Prozent der Heidelberger Gemarkungsfläche sind bewaldet.

Der Stadtwald umfasst eine Fläche von 3329 Hektar.

Vorherrschende Baumarten sind Buche (39 Prozent), gefolgt von Fichte (14), Douglasie (11) und Eiche (9).

Der Stadtwald hat nach Angaben der Forstverwaltung jährlich einen Zuwachs von etwa 30 000 Festmetern Holz, entnommen werden jährlich 24 000 Festmeter. Insgesamt wächst der Stadtwald also. bjz

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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