Heidelberg. Der Universitätsplatz war gut gefüllt zum zweiten Heidelberger „Pride March“. Die Regenbogenfahnen flatterten und zwei Teilnehmerinnen im Brautkleid machten Werbung für eine Hochzeitsmesse für queere Menschen - also Menschen, die nicht heterosexuell sind oder sich nicht mit traditionellen Geschlechtsidentitäten identifizieren, etwa Schwule, Lesben oder Transsexuelle.
Doch bei der Kundgebung der queeren Community, die von der Stadtbücherei bis in die Altstadt führte, gab es zu den heiteren Bildern ernste Töne. Auch deswegen, weil Ende Mai ein Angriff auf eine Theatergruppe beim „Queer Festival“ ein Schlaglicht auf die Anfeindungen geworfen hatte, denen queere Menschen ausgesetzt sind.
Remi Förster und Arson Rahm von der betroffenen Gruppe, dem „Performance Theater Heidelberg“, erzählten bei der Demo, was am 26. Mai vor dem Karlstorbahnhof geschah: „Wir wurden beschimpft, bespuckt und mit Steinen beworfen, und das nur, weil wir uns nicht verstecken“ - wobei das „Wir“ nicht identisch mit den Vortragenden war. An dem Angriff waren wohl fünf Personen beteiligt; noch ermittelt die Polizei.
Bei dem Vorfall trafen, so Förster und Rahm, „zwei Minderheiten aufeinander“. Wenn sich die mutmaßlichen Täter mit ihrer Aggression gegenüber queeren Menschen über andere stellten, täten sie genau das, was sie selbst an den Rand der Gesellschaft dränge - sie würden ihre „eigenen Erfahrungen auf andere projizieren“.
Betroffene von Gewalt fühlen sich von Polizei nicht ernst genommen
Kritik übten Förster und Rahm am Verhalten der Polizei am Tatabend - sie habe die Betroffenen „weder geschützt noch ernst genommen und eher diskriminiert“. Das war allerdings nicht so zu verstehen, als hätten die Beamten dem Angriff tatenlos zugesehen. Auf Nachfrage konkretisierten Rahm und eine Zeugin die Kritik: So sei von der Polizei bei der Anzeigenaufnahme vor Ort infrage gestellt worden, in welchem Ausmaß ein strafbares Verhalten vorlag. Die Platzverweise gegen die mutmaßlichen Täter hätten den Betroffenen nicht die Angst vor weiteren Angriffen genommen - zumal das „Queer Festival“ noch nicht zu Ende war.
Die Polizei und die Betroffenen waren über dieses Thema laut Rahm bereits im Gespräch. Polizisten, forderten Förster und Rahm, müssten für die Belange queerer Menschen stärker sensibilisiert werden. Was hilft, damit sich queere Menschen sicherer fühlen - auch außerhalb von Großveranstaltungen, die, wie der „Pride March“, von der Polizei abgesichert werden? Immer noch, fand eine teilnehmende Person aus Mannheim, werde die Verantwortung für die eigene Sicherheit letztlich auch queeren Menschen aufgebürdet, nach dem Motto: „Wenn dir nichts passieren soll, musst du dich halt anpassen.“ Förster und Rahm forderten mehr Aufklärung in den Schulen - dafür gebe es „kein zu früh“.
Ein Aktivist des „Queer Youth Collective“ machte darauf aufmerksam, dass „queer sein und jung sein nicht nur schön sind“ - auch weil queere Kinder und Jugendliche diskriminiert würden. Ihre Sexualität und geschlechtliche Identität würden häufig in einer Weise diskutiert, die ihnen ihre Autonomie abspreche. Und was für sie gefährlich sei, werde verdreht: „Queerfeindlichkeit ist eine Gefahr für den Jugendschutz, nicht die Tatsache, dass queere Menschen queer sind.“
Queere Menschen sehen einige Barrieren in ihrem Alltag
Die Barrieren, denen queere Menschen mit Behinderung in ihrem Alltag begegnen, sprach Lea-Alisa Igersky an. Die Aktivistin wies darauf hin, dass dazu neben physischen Hindernissen auch mentale Barrieren zählten - zum Beispiel, sich erst darüber informieren zu müssen, wie sicher ein Restaurant für diese Gruppe sei. Auch der Weg zu Veranstaltungen könne für queere Menschen mit Behinderung gefährlich sein.
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Banner und Plakate zielten häufig auf den rechten Rand des politischen Spektrums: „Kinder vor der AfD schützen“, war etwa zu lesen. Es „kann nicht sein, dass rechter Dreck bei uns im Gemeinderat und im Europa-Parlament sitzen wird“, klagte Jen Bihr vom „Queerfeministischen Kollektiv Heidelberg“.
Sozialbürgermeisterin Stefanie Jansen hatte zuvor gemahnt, es sei weiter notwendig, für Vielfalt und Akzeptanz einzutreten. „Die Zeichen stehen auf Sturm“, so Jansen. Heidelberg zähle zwar zu den „Rainbow Cities“, also einer Gruppe von Städten, die sich besonders für queere Belange einsetzen möchte - die Stadt wolle aber „noch besser werden“. Konkret nannte Jansen etwa die im September anstehende Eröffnung des Begegnungsraums „Queer Space“ im früheren Karlstorbahnhof. Die Förderung dafür sei aber „noch immer in der Schwebe“, monierte Bihr. Auch sonst tue die Stadt nicht genug für die Community und verweise zu sehr auf deren Fähigkeit, sich selbst zu organisieren.
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