Gemeinderat

20 neue Gesichter: Wie sich langjährige Lokalpolitiker in Heidelberg verabschieden

Fast die Hälfte des neuen Heidelberger Gemeinderats ist neu. Am Dienstagabend sind diese 20 und 24 erfahrene Stadträte für die nächsten fünf Jahre verpflichtet worden. Wer sogar 35 Jahre dabei war

Von 
Michaela Roßner
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Das ist der neue Heidelberger Gemeinderat: Die bei der Kommunalwahl im Juni gewählten Stadträte mit Bürgermeistern und OB Eckart Würzner (r.). © Philipp Rothe

Heidelberg. Fünf Jahre lang werden sie nun - im Ehrenamt - viele Stunden damit verbringen, sich zu informieren, Entscheidungen vorzubereiten und Mehrheiten zu schmieden: Im Heidelberger Rathaus ist am Dienstagabend der neue Gemeinderat verpflichtet worden. Von den 48 Mitgliedern des Gremiums sind 20 „Frischlinge“.

Vertreterinnen von 14 Parteien und Gruppierungen sind am 6. Juni bei der Kommunalwahl gewählt worden - so vielfältig war es im historischen Ratssaal noch nie.

Würzner sagte zunächst ausführlich und dankbar „Goodbye“ zu jenen 20 Stadträten, die dem Gremium nun nicht mehr angehören. Entweder, weil sie schlicht zu wenig Stimmen bekommen oder weil sie gar nicht mehr kandidiert hatten. So wie Werner Pfisterer (CDU), der stellvertretend für alle Ausgeschiedenen sprach.

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35 Jahre Gemeinderat, dazu 15 Jahre Landtagsabgeordneter: Der Rohrbacher Pfisterer sei ein „Urgestein“ mit unglaublich viel Erfahrung, würdigte Würzner. Als Pfisterer Stadtrat wurde, war die Welt noch eine andere: Der Eiserne Vorhang bröckelte, hielt noch gerade so. Drei Wochen später fiel die Mauer in Berlin. Eine politische Karriere sei bei ihm als Feinmechanikermeister nicht vorgezeichnet gewesen, erinnert sich der heute 74-Jährige. Aber es sei ihm schon früh wichtig gewesen, „Verantwortung zu übernehmen“.

„Verantwortung zu übernehmen lohnt sich“

Und das lohne sich: Der Einfluss der Kommunalpolitik, blickt er zurück, sei nicht zu unterschätzen. Zwei Oberbürgermeister und eine Oberbürgermeisterin sowie zahlreiche Bürgermeister hat der CDU-Politiker begleitet. Zeitweilig sei das Ehrenamt zwar auch belastend gewesen, räumt Pfisterer ein, Sitzungen seien immer aufwendiger und häufiger geworden. Dennoch habe es immer Spaß gemacht, die Stadtentwicklung mitzugestalten. „Mehr Berufsgruppen, alle Altersgruppierungen“, das wünscht sich der neue Altstadtrat. Und eine Sommerparty mit allen Ehemaligen, regte er in Richtung Stadtchef an, auch das wäre Ausdruck der Wertschätzung, findet Pfisterer.

Mit Jan Gradel (CDU, 30 Jahre Stadtrat), Karl Emer (SPD, 20 Jahre), Judith Markgraf (GAL, 34 Jahre), Otto Wickenhäuser (CDU, 24 Jahre) und Arnulf Weiler-Lorentz (BL, 30 Jahre Stadtrat) verabschiedete Würzner, zum Teil mit sehr persönlichen Worten, weitere langjährige Ratsmitglieder. „Kein Gutachten, das er nicht schon am Vorabend seziert und uns bei der Gemeinderatssitzung detailliert analysiert präsentiert hätte“, beschrieb der OB, dass besonders der Letztgenannte „seinen Prinzipien über all die Jahre stets treu geblieben“ sei, „auch wenn’s manchmal weh tat“, ging er auch auf manchen hartnäckig geführten Disput des Mediziners ein: „Du wirst uns fehlen“. Viel Applaus begleitete die Verabschiedung „Wei-Lo“s. Sieben Gemeinderatsmitglieder verabschiedeten allein die Grünen. Wohl der prominenteste davon: Derek Cofie-Nunoo, nicht nur lange Fraktionsvorsitzender, sondern 2013 auch als OB-Kandidat in direkter Konkurrenz zum heutigen OB, bevor der Grüne seine Kandidatur aus gesundheitlichen Gründen zurückzog.

Werner Pfisterer hält die Abschiedsrede – stellvertretend für alle, die gehen. © Jegliche Verwendung ist honorarp

Fraktionsvorsitzende der Grünen, mit 13 Sitzen weiter die stärkste Fraktion im Heidelberger Gemeinderat, ist seit einigen Wochen Ursula Röper. Bei der CDU gibt es ebenfalls - noch recht neu - eine Fraktionschefin: Nicole Marmé führt die siebenköpfige Fraktion an.

Und weil auch Larissa Winter-Horn nach wie die Sprecherin der inzwischen auf fünf Sitze angewachsenen Fraktion „Die Heidelberger“ ist, hätten die vier großen Fraktionen Chefinnen gehabt - wenn nicht die SPD einen Wechsel an der Spitze vorgenommen hätte. Anke Schuster übergibt nach 17 Jahren Fraktionsvorsitz den Stab an ihren bisherigen Stellvertreter Sören Michelsburg ab. Schuster bleibt stellvertretende Vorsitzende der Sozialdemokraten.

Von Corona-Pandemie bis Ukraine: Mehrere Krisen bewältigt

„Viel viel mehr Gemeinsames als Trennendes“, attestierte Würzner dem Gremium im Rückblick auf die abgeschlossene Legislaturperiode. Er nannte unter anderem den neuen Karlstorbahnhof und den Masterplan Neuenheimer Feld als Meilensteine. Die Corona-Pandemie habe das ganze Land in eine Ausnahmesituation versetzt. „So weit in die Rechte der Bürger eingreifen zu müssen“, Ausgangssperren und Kontaktbeschränkungen verhängen zu müssen, habe auch ihn, den Stadtchef, „an mancher Entscheidung zweifeln lassen“.

Insgesamt habe die Stadt aber einen guten Weg gewählt, indem sehr frühzeitig Maßnahmen getroffen worden seien und man sich - an der Seite der Uniklinik - sehr engagiert habe bei der Beschaffung von Masken und später Impfdosen. „Wir haben eine zu starke Ausbreitung verhindert und damit Leben gerettet“, ist Würzner überzeugt. Kaum sei die Pandemie abgeklungen, habe der russische Angriff auf die Ukraine neue Herausforderungen auch auf städtischer Ebene bedeutet.

Die Arbeit als Gemeinderat werde nicht einfacher, prognostizierte Würzner, er sieht vor allem den finanziellen Spielraum deutlich enger werden.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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