Heddesheim. Die Dr.-Albert-Reimann-Straße ist aus dem Ladenburger Stadtbild verschwunden, in Schriesheim bleibt der Name Hans Pfitzner weiter auf einem Straßenschild verewigt. Was in Rheinau-Süd seinen Ausgang nahm, ist mittlerweile längst auch in die umliegenden Gemeinden zwischen Neckar und Bergstraße geschwappt: die kritische Auseinandersetzung mit historischen Personen, nach denen Straßen oder Plätze benannt sind. Der Umgang der Kommunen mit zweifelhaften Würdigungen ist dabei ganz unterschiedlich, wie die Beispiele Ladenburg und Schriesheim zeigen. In einer Serie schaut sich diese Redaktion die Straßennamen in den Städten und Gemeinden genauer an. Diesmal Heddesheim.
Auch in der Gemeinde mit rund 12 000 Einwohnern erinnern viele Straßennamen an historische Persönlichkeiten. Zwei von ihnen sind die berühmten Komponisten Carl Orff und Richard Strauss. Beide kennt man insbesondere wegen brillanter Werke wie „Carmina Burana“ (Orff) oder der „Rosenkavalier“ (Strauss), doch wird ihre Rolle in der Zeit des Nationalsozialismus durchaus in Teilen kritisch bewertet. So gab es etwa in Mönchengladbach, im bayerischen Vaterstetten oder in Salzburg politische beziehungsweise mediale Debatten über mögliche Umbenennungen oder Einordnungen der nach den Musikern benannten Straßen.
Ob ihrer Rolle in der NS-Zeit in die Diskussion geraten sind die beiden Komponisten erst viele Jahre nach ihrem Tod. Carl Orff, geboren am 10. Juli 1895 und gestorben am 29. März 1982 in München, geriet in den Fokus des kanadischen Historikers Michael H. Kater, der zum Nationalsozialismus geforscht hat. Nach dessen Recherchen ergibt sich das Bild eines unpolitischen Komponisten und Musikpädagogen, der es jedoch verstand, sich mit den Machthabern zu arrangieren. In der Endphase des Zweiten Weltkriegs 1944 wurde Orff auf dir „Gottbegnadeten-Liste“ gesetzt, einer Ansammlung von deutschen Künstlern, die dem nationalsozialistischen Regime wichtig waren. Wer auf der Liste stand, war vom Wehrmachts- und Arbeitseinsatz an der Heimatfront freigestellt.
Aufträge für Machthaber erledigt
Orff nahm auch einige Aufträge der Machthaber an. So wurde sein „Einzug und Reigen der Kinder“ zur Eröffnung der Olympischen Spiele 1936 in Berlin aufgeführt. 1939 überarbeitete er sein Bühnenwerk zu Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“, die fortan als Ersatz für die „Sommernachtstraum-Musik“ des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy dienen sollte. Bartholdy wurde vom Regime als jüdisch geächtet. Andere Quellen schreiben dazu jedoch, dass Orff die Musik „mit der eindeutig belegten Absicht geschrieben“ habe, „der romantischen Ästhetik von Mendelssohns Musik eine mehr der Dramaturgie des Shakespearschen Theaterstücks entsprechende Bühnenmusik entgegenzusetzen“. So heißt es etwa in einem Text der Orff Schulwerk Gesellschaft Deutschland. Dabei habe er aber die kulturpolitische Dimension ignoriert, die dem rassistischen Ziel diente, die Musik des jüdischen Komponisten durch eine neue zu ersetzen.
Auch über das Verhalten Richard Strauss’ (1864-1949) in jener Zeit gibt es Kontroversen. Auch er wird als völlig apolitisch und zu keiner Zeit kritiklos mit den Machthabern kooperierend beschrieben. Auf der anderen Seite betonen Kritiker, dass er als Präsident der Reichsmusikkammer von 1933 bis 1935 offizieller Repräsentant des nationalsozialistischen Deutschland war. Die Nationalsozialisten nahmen ihn in die Sonderliste der drei wichtigsten Musiker des Dritten Reichs auf. Nach dem Entnazifizierungsgesetz wurde er später als Hauptschuldiger eingestuft, 1948, ein Jahr vor seinem Tod, jedoch als „nicht belastet“ freigesprochen.
Kooperiert habe Strauss mit dem Regime nicht, offenen Widerstand aber auch nicht geleistet. Für jüdische Künstler setzte er sich jedoch mehrfach ein. 1935 kam es bei der Uraufführung der Oper „Die schweigsame Frau“ sogar zu einem Eklat. Weil Strauss darauf bestand, dass ein jüdischer Schriftsteller auf dem Programmzettel steht, blieb Adolf Hitler der Aufführung fern.
Im Jahr 2013 benannt
In Heddesheim gebe es „bisher keine Veranlassung dazu“, über eine Umbenennung oder historische Einordnung der beiden Straßen nachzudenken, sagt Julien Christof, Leiter der Hauptverwaltung, auf Anfrage. Die Straßen befinden sich im Baugebiet „Mitten im Feld I“, das in den Jahren 2013/2014 erschlossen wurde. „Die Straßen wurden 2013 durch Gemeinderatsbeschluss so benannt - in Fortführung der weiteren Straßennamen berühmter Musiker im angrenzenden Gebiet der bestehenden Bebauung“, so Christof.
Zur aktuellen Debatte um die belasteten Straßennamen etwa in Ladenburg oder Schriesheim möchte sich Bürgermeister Achim Weitz nicht äußern. „Hier muss jede Kommune für sich selbst den richtigen Weg finden.“
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