Kleinkunst

Beim ersten Poetry Slam in Heddesheim gibt es auch Scherben

Für die Lellebollem war es eine Premiere, für manch einen der Zuschauer auch. Am Ende des mehr als dreistündigen Poetry Slams gab es lautstarken Applaus und viele zufriedene Gesichter

Von 
Martin Tangl
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Die Truppe der Wort-Akrobaten bei der Premiere des Poetry Slam im Heddesheimer Bistro Stay. © Martin Tangl

Adrian Mulas hat mit einem witzig-spitzigen Poesie-Beitrag über seinen Heuschnupfen den historisch ersten Heddesheimer Poetry Slam im ausverkauften Bistro Stay gewonnen. Doch eigentlich waren sie alle Gewinner an diesem Freitagabend, das Publikum belohnte die dichterische Leistung der Akteure mit teilweise frenetischem Applaus.

Der ausgelassenen Stimmung im Saal tat es auch keinen Abbruch, als der 24-jährige Adrian seine innen mit bunten Farben beleuchtete Siegerflasche in Empfang nahm, einen Moment lang unaufmerksam war, das Teil von der kleinen Bühne kippte und das originelle Unikat in tausend Scherben zersprang. „Chaos im familiären Wohnzimmer des Stay“, kommentierte Moderator und Slam-Master Gusto das Missgeschick.

Die zerdepperte Flasche passte irgendwie in den Kontext der Wort-Akrobaten und Sprach-Spezialisten. „Das bleibt unvergessen - und Scherben bringen Glück“, frotzelte der Zweitplatzierte Fatih Serbest. Mit seiner Stakkato-Lyrik über den Gedanken-Irrgarten in seinem Kopf hatte der gebürtige Koblenzer mit türkischen Wurzeln bei der lautstarken Applaus-Abstimmung im Finale nur ganz wenig weniger Beifall eingeheimst als Adrian. Als Dritte in der Endrunde des Dichterwettstreits der Hellesema Lellebollem profilierte sich Therese Degen mit einem Friedensgedicht.

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„Genial, bisher kannte ich Poetry Slam höchstens aus dem Fernsehen“, äußerte sich Dagmar Knispel, die Rektorin der Hans-Thoma-Grundschule, am Ende begeistert zu den Beiträgen der sieben Akteure. „Ich wollte einfach wissen, wie das geht?“, bekannte sich Gemeindekämmerer Martin Heinz zu seiner Neugier. Gleich zu Beginn bekamen die Zuhörerinnen und Zuhörer auf den dichtgedrängten 40 Sitzplätzen einen ersten Eindruck von Poetry Slam durch Gustos Begrüßung. Nach seiner ABC-Poesie wusste das Publikum schonmal, wo’s ungefähr lang geht: „Achtung Bitte, Charmante Damen, Ebenso Freundliche Gentlemen! Hallo Ihr! Jetzt kommt! Lauscht Meinem Nonsens Oberster Premium Qualität, Richtig Sinnfreies Treiben. Unglaublich Verdreht Wie X-beinige Yoga Zebras!“ Alles ein bisschen verrückt bei den Wort-Künstlern, Prosa und Poesie von bierernst bis urkomisch, Poetry Slam als Wundertüte!“

Die junge Slammerin Hope aus Mauer unterhielt den Saal zu Beginn mit einem kritisch-amüsanten Text über Sinn und Zweck von Bundesjugendspielen: „Ein gnadenloser Wettbewerb, bei dem Kinder ihre Unsportlichkeit vertuschen müssen!“ Über Willi, die Weinbergschnecke, und Karl, die Krähe, sinnierte Adrian Mulas in der Vorrunde des Wettstreits. Mit seinem Tiergedicht erreichte der junge Mann schonmal die höchste Punktzahl beim Votum aus dem Publikum.

Eine völlig andere Geschichte erzählte Semolina aus Landau, von einem „gefallenen Mädchen“, einer Liebesbeziehung im Zweiten Weltkrieg mit dem Feind und der Geburt eines Babys in einem Luftschutzbunker. Der Poet als Spaßbremse, auch das gibt’s beim Poetry Slam. So war die Wortakrobatik von Therese Degen über ADHS und Impulskontrolle ebenfalls nicht für Lacher bestimmt. „Denn das Leben ist immer und ewig ein Drahtseilakt“, erklärte die Stuttgarterin.

Die komplizierte Familiengeschichte „wie ein Panini-Sticker-Album gefüllt mit gesammelten Eindrücken“ von Fatih Serbest war Thema nach einer Pause, die von Marina del Hey aus Speyer mit ihrer Gitarre und selbstkomponierten Liedern über unerfüllte Liebe musikalisch untermalt wurde. Einen „Text mit Schmiss“ über Wort-Attentäter und die Entstehung von kantigen Geschichten an seiner Schreibmaschine servierte Rolf Suter aus Weingarten, ehe Jochen Kienzler mit Holzwurmklopfen und trockenen Niesern die Ausscheidungsrunde abschloss - und Marina del Hey musikalisch das Finale einläutete.

Das Gelächter im Saal dringt bis in die Küche vor

„Ganz toll, einmal etwas ganz anderes. Ich konnte mir vorher gar nichts unter Poetry Slam vorstellen“, blickte Lellebollem-Vorsitzender Christian Weinmann positiv überrascht zurück auf die gut dreistündige Premiere im Stay. „Das kam alles sehr gut an, ich habe das Gelächter bis in die Küche gehört“, äußerte sich Bistro-Chef Ayla Hummel zum gelungenen Dichter-Wettstreit. Und Slam-Master Gusto versprach, dass Adrian seine zerdepperte Sieger-Flasche mit Lellebollem-Logo natürlich ersetzt bekommt.

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