Edingen-Neckarhausen. PFAS – hinter dieser Abkürzung verbergen sich verschiedene Substanzen, eine Gruppe von mehr als 9.000 künstlich hergestellten Chemikalien, die zunehmend Anlass zur Sorge geben. Deshalb hatte die Landtagsabgeordnete Fadime Tuncer (Grüne) in der Reihe „Talk mit Tuncer“ zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung ins Rathaus in Edingen eingeladen. „Dass so viele zur Veranstaltung gekommen sind, zeigt, wie wichtig das Thema Ewigkeits-Chemikalie ist“, sagte sie. Ursula Schmollinger, Fachärztin für Anästhesie und Kreisrätin der Grünen, erläuterte die Auswirkungen auf die Gesundheit: „Das Hauptproblem entsteht durch die extreme Stabilität von PFAS, das kaum abgebaut werden kann.“
Die chemische Verbindung finde Verwendung in zahlreichen Produkten, die Menschen benutzen -beispielsweise in Teflonpfannen. Die Verfahren, PFAS herauszufiltern, seien teuer und von Kommunen kaum zu steuern, sagte sie. Die Ewigkeits-Chemikalien kämen in den Körper durch Nahrungsaufnahme und gelangten schließlich durch Ausscheiden ins Abwasser. „Trinkwasser ist das wichtigste Lebensmittel, doch leider sind die Gesundheitsgrenzwerte (60 Mikrogramm) nur Richtwerte“, bedauerte Schmollinger.
Schäden müssten nicht die Verursacher, sondern die Bürger zahlen
Sie appellierte an alle, sich für ein Verbot einzusetzen. Andre Baumann, Staatssekretär im baden-württembergischen Umweltministerium, erklärte zur Position der Landesregierung: „Wir wollen in Baden-Württemberg erreichen, dass Lebensmittel und Trinkwasser frei davon sind.“ Die Chemikalien seien fast überall in der Umwelt – und auch hier in der Gegend. In Rastatt beispielsweise sei reiner Papierschlamm auf 11,5 Hektar Ackerflächen aufgebracht worden. Leider sei das rechtliche Verfahren eingestellt worden. Gleiches habe es gegeben auf 500 Hektar im Mannheimer Norden. Hier sei der erste und bisher einzige Voruntersuchungsmonitor aufgebaut worden.
Als man festgestellt habe, dass das Trinkwasser in Edingen-Neckarhausen mit Trifluoracetat (TFA) belastet war, habe die Landesregierung schnell reagiert. Grund dafür sei das Solvay Werk in Bad Wimpfen gewesen, das zulässig PFAS produziert. Dieses habe TFA in den Neckar eingeleitet. Man habe zwar nicht erreicht, dass die Belastung ganz weg ist, aber immerhin zwischen 90 und 95 Prozent, nachdem Solvay nur noch einen statt 20 Liter pro Stunde in den Neckar leitet. Erreicht worden sei eine Verbesserung der Trinkwasserqualität in Edingen durch eine Beimischung zum Trinkwasser. Schäden müssten nicht die Verursacher, sondern die Bürger zahlen. Das Land fördere den Umbau von Wasseraufbereitungsanlagen, so Baumann.
PFAS reichert sich laut Experte im menschlichen Körper an
Bund und Land hätten bisher keine rechtliche Handhabe gegen die Verschmutzer. Deshalb setzt Baumann auf eine europäische Regelung. Gunter Hauk, der in der Wochenzeitung Kontext berichtet hatte, wie PFAS als Gefahr entdeckt wurden, warnte vor den Gefahren von TFA, das im Trinkwasser von Edingen-Neckarhausen gefunden wurde: „Das ist die kleinste und fieseste aller Verbindungen und lässt sich mit keiner Umkehrosmose aus dem Trinkwasser filtern.“ Der Journalist erklärte: „Wir haben keine rechtliche Grundlage, um gegen die Verursacher vorzugehen, es gibt nur eine Möglichkeit: TFA und PFAS unterbinden und sofort stoppen.“ Durch ein Verbot von PFAS würde das Land auch nicht deindustrialisiert, im Gegenteil. Dieses Szenario trete dann ein, wenn die Ewigkeits-Chemikalie nicht verboten werde.
Die Behauptung, PFAS seien harmlos, weil es aus dem menschlichen Körper ausgeschwemmt werde, stimmte nicht. „Es reichert sich im Körper an“, warnte Hauk. Das sehe man auch bei Jugendlichen. „Profit und Gier kann nicht über der Gesundheit der Menschen stehen“, mahnte Hauk. In der anschließenden Diskussionsrunde fragten Bürger unter anderem, ob bei Temperaturen von 1000 Grad immer noch was von den Ewigkeits-Chemikalien übrig ist. Andere wollten wissen, warum das Wasser in den Brunnen vor Ort – trotz Reduzierung der Einleitung von TFA durch Solvay in den Neckar –immer noch so hoch belastet sind.
Hoffnung liegt auf neuer Trinkwasserordnung ab Januar 2026
Ein weiterer Kritikpunkt: Durch die Beimischung sei das Trinkwasser auch viel teurer geworden. Alfred Ewen von der MVV erklärte: „Die Aktivquote der Chemikalien kann bei 1000 Grad reduziert werden.“ Doch es bedeute „enorm viele Kosten, wenn die Belastung von 20 Mikrogramm auf drei zurückgeführt“ werde. „Selbst wenn Solvay abdreht, haben wir nicht weniger Belastung“, so Ewen. Der Gesundheitsgrenzwert liege bei 60 Mikrogramm und werde überall eingehalten. „Doch dieser Grenzwert ist im Vergleich zu Europa sehr hoch“, stellte Ewen fest. Er gehe davon aus, dass sich durch die neue Trinkwasserordnung ab Januar 2026 ändere.
Karin Haug vom BUND wünschte sich von Staatssekretär Baumann „mehr Mut, gerichtlich gegen die Verursacher der Schäden vorzugehen“. Baumann erwiderte: „Die Verwaltung kann nur bei einer vorhandenen gesetzlichen Grundlage gegen die Verursacher vorgehen.“ Die Referenten appellierten an die Bürger, sich für ein Verbot von PFAS einzusetzen. Tuncer erklärte: „Wir wollen, dass PFAS verboten werden, wir sind zwar nicht in der Koalition im Bund. Dennoch kämpfen wir auf allen Ebenen.“
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