Edingen-Neckarhausen. Der Protest der Eltern wegen fehlender Plätze in der Kernzeitbetreuung in Neckarhausen hält an. In der ersten Sitzung des neuen Gemeinderats haben sich gleich mehrere Betroffene in der Fragestunde zu Wort gemeldet, an ihrer Spitze der Vorsitzende des Elternbeirates der Graf-von-Oberndorff-Schule, Kolja Müller-Späth.
Wie berichtet, fehlen an der Grundschule nach den Sommerferien fast 40 Plätze in Hort und Kernzeitenbetreuung. Deshalb hatte Bürgermeister Florian König in einem Schreiben an die Eltern darum gebeten, durch Verzicht auf bestimmte Tage ein Platzsharing zu ermöglichen. Das ist offenbar auch gelungen, wie in der Sitzung bekannt wurde. Die Eltern hätten ein hohes Maß an Flexibilität gezeigt, sagte ihr Sprecher. Dies dürfe aber nicht zu der Annahme führen, dass die Plätze nicht gebraucht würden. „Was will die Gemeinde tun, um kurzfristig Abhilfe zu schaffen?“, wollte Müller-Späth wissen.
König verweist auf fehlende Räume und Personal
Bürgermeister König zeigte Verständnis für die Situation der Eltern, warb aber auch um ebensolches für die Gemeinde. Der Platz in der Schule sei begrenzt. Man habe deshalb bereits eine Wohnung der IGP gekündigt, um Kapazitäten freizumachen. Denkbar sei auch eine Nutzung von Schulräumen am Nachmittag. Noch größer sei jedoch das Personalproblem: „Wir brauchen Fachpersonal, und das ist kaum zu bekommen.“ Für den Hort sei außerdem eine Betriebserlaubnis erforderlich. „Es tut mir wirklich extrem leid, dass wir nicht alle Kinder unterbringen können“, versicherte König. Eine Alternative bestehe auch in einem Wechsel der Schule, denn in Edingen sei ein Ganztagsangebot vorhanden.
Es tut mir wirklich extrem leid, dass wir nicht alle Kinder unterbringen können
Noch ist die Betreuung eine freiwillige Aufgabe der Gemeinde, ab 2026 wird sie schrittweise zur Pflicht. „Wir werden alles versuchen, um den Rechtsanspruch zu erfüllen“, sagte König, betonte aber auch: „Es geht da um viel Geld.“ Als es gegen Ende der Tagesordnung um genau dieses Thema ging, waren die meisten der rund 20 Eltern schon nicht mehr anwesend, denn viele hatten direkt nach der Fragestunde wieder den Saal verlassen.
Beim Bericht über den Vollzug des Haushalts 2023 stellte der Bürgermeister fest, dass das geplante negative Ergebnis von 1,8 Millionen Euro zwar unterschritten worden sei, es aber immer noch bei einem Minus von einer Million Euro bleibe. „Das war uns allen vorher bewusst“, erklärte König und fuhr fort: „Das sind harte Jahre, und es wird nicht besser.“ Der Verkauf von Grundstücken verschaffe der Gemeinde „Luft zum Atmen“, aber: „Die strukturellen Probleme werden damit nicht gelöst, das wird eine der größten Aufgaben des neuen Gemeinderats sein.“ Königs Fazit: „Die Zahlen sind schlecht, aber wir müssen darüber reden.“
Herold spricht bei Finanzen von einem Verfassungsbruch
Das machte der frisch im Amt bestätigte Bürgermeister-Stellvertreter Dietrich Herold von der Unabhängigen Bürgerliste (UBL-FDP/FWV) dann außergewöhnlich ausführlich. „Die Situation ist nicht rosig, und das berührt uns alle in allen Bereichen“, sagte er. Die Einsparungen im Haushalt für 2024 seien „ein schönes Gemeinschaftswerk“ gewesen. Das schlechte Ergebnis liege aber an der Haushaltsstruktur, die über Jahre und Jahrzehnte entstanden sei. „Die Finanzausstattung hinkt seit Jahren den Kostensteigerungen und Aufgabenzuweisungen hinterher“, klagte er. In fast jeder Sitzung würden Ansprüche geltend gemacht.
„Die Kommunen befinden sich seit Jahren in einem Teufelskreis“, analysierte der langjährige und erfahrene Kommunalpolitiker. Sie hätten kaum Einfluss auf Ausgabensteigerungen und auf die Einnahmenseite, sagte Herold. Der Anwalt sprach von einem „Verfassungsbruch durch die Hintertür“ und verwies auf eine seit drei Jahren anhängige Verfassungsbeschwerde der Stadt Pirmasens. An einem Beispiel machte Herold, selbst Kreisrat, die Dramatik deutlich. Allein für die Kreisumlage zahle Edingen-Neckarhausen in zwei Jahren so viel, wie das neue Hilfeleistungszentrum kosten würde: „Nur gebaut haben wir es damit noch nicht.“
Bangert sieht den Gemeinderat als „kommunalen Konkursverwalter“
Bürgermeister König stimmte ihm ausdrücklich zu: „Die kommunale Selbstverwaltung steht auf dem Spiel.“ Gabi Kapp (CDU) stieß ins gleiche Horn: „Die Mittel fehlen uns weiter, die Situation bleibt prekär.“ Für die offene Grüne Liste (OGL) stellte Rolf Stahl fest: „Herold hat das Dilemma klar dargelegt.“ Drastische Worte fand Michael Bangert von SPD/EBEN: „Wir sind eigentlich kommunale Konkursverwalter und können keine eigenen Ideen mehr umsetzen.“ Der Kreis plane, die Gemeinden müssten zahlen: „So wird das Gemeinderatsein immer schwieriger.“
Keine guten Startbedingungen für den neuen Rat, dessen Mitglieder an diesem Abend vom Bürgermeister förmlich verpflichtet wurden und dabei gelobten, „die Rechte der Gemeinde gewissenhaft zu wahren und ihr Wohl und das ihrer Einwohnerschaft nach Kräften zu fördern“. Zu Stellvertretern des Bürgermeisters wurden neben Herold (UBL) die Gemeinderäte Gabi Kapp (CDU), Sandra Schwarz (OGL) und Alexander Jakel (SPD/EBEN) gewählt.
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