Interview

Edingen-Neckarhausen steht vor einem Jahr der Entscheidungen

Florian König geht in sein zweites Amtsjahr als Bürgermeister von Edingen-Neckarhausen. Bei seinem Projekt Bürgerbus setzt er auf das Engagement der Menschen in der Gemeinde. Wenn es ums Sparen geht, kennt er keine Tabus

Von 
Hans-Jürgen Emmerich
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Edingen-Neckarhausens Bürgermeister Florian König stellt sich den Fragen von „MM“-Redakteur Hans-Jürgen Emmerich. © Marcus Schwetasch

Edingen-Neckarhausen. Herr König, Sie sind nun fast ein ganzes Jahr als Bürgermeister im Amt. Wie fühlen Sie sich jetzt?

König: Sehr gut. Ich habe nach wie vor Spaß und Freude an meiner Arbeit. Ich freue mich jeden Tag, ins Rathaus gehen zu können. Also ich fühle mich rundum gut.

Sie haben sich nach 100 Tagen im Amt zum Ziel gesetzt, Ende 2023 auf ein schönes Jubiläumsjahr zurückzublicken. War es das?

König: Durchaus, ja. Ich glaube, dass das Jubiläum kaum zwei Meinungen zulässt. Selbst Kritiker sehen das inzwischen positiv. Es war ein wirklich tolles, aufregendes, schönes Jahr.

Aber bei der Goldenen Hochzeit von Edingen und Neckarhausen im Jahr 2025 muss gespart werden…

König: In der Tat. Es sind unterschiedliche Sachen, die da gefeiert werden. 50 Jahre sind eben keine 1250 Jahre. Trotzdem wollen wir auch die 50 Jahre feiern, obwohl man durchaus sagen muss, es war ja keine Hochzeit aus Liebe, sondern eher eine Vernunftehe.

Der Haushalt für 2024 ist noch im alten Jahr verabschiedet worden, das haben Sie nicht nur Ihren beiden Vorgängern im Amt sondern sogar dem Bundeskanzler voraus…

König: (lacht) Das stimmt, wobei ich mit der Haushaltslage von Herrn Scholz auch nicht tauschen wollte. Das war nur möglich durch die hervorragende Vorarbeit der Verwaltung, insbesondere der Kämmerei, aber auch der ganzen Mittelbewirtschafter, die da extrem gut gearbeitet haben. Ich bin froh, dass das so gut von statten ging und dass auch der Gemeinderat mitgezogen hat. Er hätte durchaus die Möglichkeit gehabt, das Ganze zu verzögern.

© Marcus Schwetasch

Dabei ist das Thema Finanzen ein ganz ernstes für Edingen-Neckarhausen….

König: Ja, das ist mit die größte Herausforderung die wir in den nächsten Jahren bewältigen müssen, Wir haben ein strukturelles Haushaltsdefizit. Das bedeutet, dass wir extrem wichtige Entscheidungen treffen müssen als Gemeinderat, um das zu lösen.

Schwere Entscheidungen bedeutet im Extremfall, dass eines der beiden Bäder oder sogar beide geschlossen werden müssen?

König: (denkt nach) Im Extremfall müssen jene Maßnahmen getroffen werden, die das strukturelle Problem beheben. Am Ende muss der Gemeinderat entscheiden, was sich die Gemeinde leisten kann und was nicht. Ich glaube nicht, dass es auch nur eine Sache gibt, über die wir nicht nachdenken sollten.

Es gibt beim Sparen also kein Tabu?

König: So kann man es formulieren. Was aber auch nicht heißt, dass wir schlagartig zwei Schwimmbäder schließen würden.

Man hat als Beobachter den Eindruck, dass Sie bei vielen Themen ein enormes Tempo vorlegen. Stöhnen die Mitarbeitenden im Rathaus schon unter der Last?

König: Falls sie stöhnen, dann kommt es nicht beim Bürgermeister an, sondern bleibt bei den Amtsleitern hängen. Das hohe Tempo ist aber tatsächlich da. Man merkt schon, dass das Rathausteam sehr gewillt ist, voranzukommen.

© Marcus Schwetasch

Und wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter? Die gute Bezahlung wird es ja wahrscheinlich eher nicht sein…

König: (lacht) Mir ist es wichtig, dass die Menschen gerne ins Rathaus zum Arbeiten kommen. Wer gerne arbeitet, arbeitet auch gut. Deshalb lege ich großen Wert auf ein gutes Betriebsklima, offene Worte. Alle wissen, dass meine Tür für alle offen steht. Ich denke, das sorgt dafür, dass viele sehr motiviert an die Arbeit gehen.

Nach Anlaufschwierigkeiten bei der Besetzung gibt es jetzt endlich eine Energiemanagerin. Was erwarten Sie sich von ihr?

König: In erster Linie jede Menge Expertise. Frau Mariia Vershkova hatte die gleiche Aufgabe schon in Bammental. Sie ist sehr engagiert und sehr affin für dieses Thema. Wir hatten schon die Werkzeuge für mehr Klimaschutz, jetzt haben wir endlich auch jemanden, der sie bedienen kann. Das Bauamt war in der Vergangenheit deutlich unterbesetzt. Durch eine Person mehr kann da viel Gutes entstehen.

Was genau meinen Sie mit Werkzeugen?

König: Der European Energy Award soll dafür sorgen, dass wir Klimaneutralität bis 2035 erreichen können. Es gibt viele Tools innerhalb dieses Awards, aber die müssen auch bedient werden.

Beim Klimaschutz haben Sie schon einiges in Gang gesetzt. Sehen Sie die Gemeinde da auf einem guten Weg?

König: Grundsätzlich ja., Ich glaube, dass wir ein extrem nachhaltiges Bewusstsein haben, sowohl in der Gemeinde als auch in der Verwaltung. Die Ziele sind extrem ambitioniert, aber nur, wenn man sich die Ziele hochsteckt, kann man vielleicht auch Großartiges vollbringen.

Zum Klimaschutz gehört der Verkehr, aber ausgerechnet das Ruftaxi wird jetzt eingestellt. Haben Sie Ihre Idee von den E-Bussen schon so weit vorangetrieben, dass sie den ÖPNV in der Gemeinde bald ergänzen können?

König: Auch das wird schwierig angesichts der wirtschaftlichen Lage. Trotzdem planen wir im ersten Quartal 2024 eine Bürgerumfrage zum Thema ÖPNV. Hier soll eben nicht nur erfragt werden, was sich die Bürger wünschen, sondern auch, was sie selbst leisten können.

© Marcus Schwetasch

Sie denken da an das Modell Bürgerbus wie in Dossenheim?

König: Genau, oder wie in Plankstadt. Da wird das ehrenamtlich von Vereinen betrieben. Das wäre eine Lösung, wie wir das auch hinbekommen. Wenn es tatsächlich komplett von der Gemeinde finanziert werden müsste, dann würde es wohl nur ein Wunsch bleiben.

Haben Sie schon Signale von Bürgern, die sich hier engagieren würden?

König: Bisher leider nicht. Aber wir hatten schon Kontakt mit Dossenheim und Plankstadt. Untätig waren wir nicht, wir können jedoch noch keinen Vollzug melden.

In Dossenheim hat die Kommune mit Unterstützung des Landes das Fahrzeug beschafft, ehrenamtliche Fahrer übernehmen das Steuer. Das halten Sie in Edingen-Neckarhausen auch für vorstellbar?

König: Ja, das ist denkbar. Die Anschaffungskosten liegen zwischen 20.000 und 40.000 Euro für einen Bus. Am schwierigsten ist es, Personal zu finden, das geht ja auch professionellen Betreibern wie der RNV so. Da wären wir auf jeden Fall auf ehrenamtliches Engagement angewiesen.

Andere Gemeinden erstellen gerade ein Mobilitätskonzept, Beispiel Heddesheim. Sehen Sie darin ein Modell für Edingen-Neckarhausen?

König: Grundsätzlich sind Konzepte etwas schönes, aber es muss sie auch jemand erarbeiten und umsetzen. Dafür sehe ich momentan nicht die Kapazitäten im Rathaus. Wir müssen ja das Rad nicht neu erfinden. Heddesheim ist zudem in einer ganz anderen finanziellen Situation als wir.

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So ein Konzept lebt aber auch von der intensiven Untersuchung der Verhältnisse vor Ort…

König: Wir machen das als Teil unserer Bürgerbefragung. Da gibt es Fragen wie: Wo fahren Sie am liebsten hin? Welche Verkehrsmittel nutzen Sie am meisten?

Und wer macht diese Umfrage? Ein externer Dienstleister? Oder das Rathausteam?

König: Auch hier versuchen wir es aus wirtschaftlichen Gründen die Befragung selbst durchzuführen.

Mit der Eröffnung des Teo-Ladens ist die Nahversorgung von Neckarhausen in den nächsten fünf Jahren sichergestellt. Wie kommt die Edeka-Ansiedlung am Nordrand von Neckarhausen voran?

König: Nicht so schnell, wie wir es uns wünschen würden. Das Problem ist in erster Linie, dass wir nicht frei in unserer Entscheidung sind, weil das Gelände nicht für eine Bebauung ausgewiesen ist und im Landschaftsschutzgebiet liegt.

In der Vergangenheit hieß es aber doch, dass die Behörden bereits beteiligt waren und grünes Licht signalisiert hätten…

König: Die Obere Naturschutzbehörde hat sich vor ein paar Jahren schon in einem Schreiben positiv geäußert. Problematisch ist, dass die Umlandgemeinden die Ansiedlung eines Nahversorgers in Neckarhausen kritisch sehen. Da sind wir in vielen Gesprächen. Ich habe das Thema auf dem Schirm und versuche, es so gut wie möglich zu bespielen.

Das erste größere Wohnbauprojekt in Neckarhausen-Nord ist ins Stocken geraten, wie soll es damit jetzt weitergehen?

König: Die Baubranche allgemein ist ins Stocken geraten. Das hat leider auch vor Edingen-Neckarhausen nicht Halt gemacht. Auch hier sind wir in Gesprächen, insbesondere mit dem Architekten, der den Planungswettbewerb gewonnen hat. Ich bin zuversichtlich, dass wir mit vorne dabei sind, sobald der Motor der Baukonjunktur wieder anläuft.

Um das große Projekt auf dem Gelände von Cooper-Standard ist es still geworden. Wann werden Sie die Öffentlichkeit über die Pläne informieren?

König: Vermutlich schon Anfang nächsten Jahres. Aber bei einem Projekt dieser Größenordnung muss man vorher schon einen guten Plan haben.

Auch wenn Sie noch keine Details nennen, wird der Wohnungsbau dort ein Schwerpunkt sein?

König: Ja, auf jeden Fall. Trotzdem soll auch Gewerbe dort vertreten sein.

In Neckarhausen gibt es inzwischen Glasfaser, in Edingen und Neu-Edingen will die Deutsche Giganetz ausbauen. Sind Sie zuversichtlich, dass die erforderliche Anschlussquote erreicht wird?

König: Ich hoffe, dass wir es schaffen, weil es eine Chance ist für Edingen und Neu-Edingen. Ich gehe davon aus, dass es erreichbar ist. Wenn nicht, wäre es schade für die Gemeinde. Ich weiß nicht, wie schnell wir wieder die Chance für einen flächendeckenden Glasfaserausbau haben würden.

Es gibt Kritik an der aufdringlichen Vermarktung der Anschlüsse, haben Sie davon auch gehört?

König: Selbstverständlich habe ich davon gehört. Es ist nicht in meinem Sinne, dass die Verkäufer als aufdringlich empfunden werden. Die Haustürgeschäfte haben eben allgemein einen schlechten Ruf, die Leute sind misstrauisch, und dieser Job ist schwierig. Deshalb werbe ich auch um Verständnis für die Verkäufer, solange sie sich im Rahmen bewegen.

Sie wohnen ja in Neckarhausen. Haben Sie selbst einen Anschluss bestellt?

König: Ja, auch wenn ich heute die Bandbreite noch gar nicht benötige. Aber ich denke da an die Zukunft. Viele haben die Not noch nicht verstanden, die sie vielleicht in fünf Jahren haben werden, wenn die Datenvolumina immer weiter steigen.

Die Erschließung des neuen Gewerbegebietes kommt voran, da drängt sich die Frage nach dem Neubau der Feuerwehrunterkunft auf. Wann gibt es da endlich eine Entscheidung?

König: In absehbarer Zeit wird da keine Entscheidung getroffen werden, weil wir von einem Invest im zweistelligen Millionenbereich reden. Wenn man im Haushalt ein Minus von acht Millionen hat, kann man nicht noch etwas bauen, was vielleicht 13 oder 14 Millionen Euro kostet. Das hat uns auch die Kommunalaufsicht klar so signalisiert. Trotzdem haben wir Geld für die erste Phase der Planung im Haushalt eingestellt, und das ist auch schon ein Betrag im sechsstelligen Bereich.

Wenn die Gemeinde sich einen Bau nicht leisten kann, kann sie sich aber vermutlich auch keine Investorenlösung leisten, oder? Was sagt die Kommunalaufsicht dazu?

König: Wir müssten nachweisen, dass es die wirtschaftlichere Lösung wäre. Auch dafür braucht man eine Planungsgrundlage und konkretere Zahlen.

Aber mit Lieschen Müller gerechnet: Wenn mein Geld nicht reicht, um einen Bau zu finanzieren, wird es vermutlich auch nicht reichen, um es indirekt zu bezahlen.

König: Da haben Sie recht. Am Ende ist die Frage, ob es für die Gemeinde günstiger ist, das Geld der Bank zurückzuzahlen oder einem Investor.

Was wird aus der Bürger-App, die der Gemeinderat beschlossen hat?

König: Um ehrlich zu sein: Ich versuche, die Digitalisierung voranzutreiben, damit der Bürger für Dienstleistungen nur noch dann ins Rathaus kommen muss, wenn er es möchte. Die Bürger-App hat momentan bei mir keine hohe Priorität. Wenn man schon wenig Geld hat, dann sollte man es nur dafür ausgeben, wovon die Bürger einen Mehrwert haben.

Welche Projekte wollen Sie im neuen Jahr angehen?

König: Ich wäre schon froh, wenn wir einige Projekte abschließen können. Ich freue mich, wenn die Häuser auf der Baustelle Wingertsäcker am Ortseingang von Neckarhausen bezogen werden können, wenn die Vermarktung im Gewerbegebiet „In den Milben“ gut läuft und der Kreisel in Betrieb geht. Auch das Hebewerk in Neckarhausen soll fertig werden. Die Pestalozzischule liegt im Plan, da kommen wir gut voran. Wir müssen mit den Vereinen in Neckarhausen-Nord und beim Hundesportverein vorankommen.

Also geht es vor allem darum, begonnene Dinge abzuschließen?

König: Nein, das nicht. 2024 wird ein Jahr der Entscheidungen werden, die man seit Jahren vor sich herschiebt. Wir haben Dinge, die wir uns nicht leisten können.

Was steht sonst noch an?

König: Wir haben Kommunalwahl nächstes Jahr. Das wird Kapazitäten binden, aber auch eine aufregende Zeit sein.

Sehen Sie die Bereitschaft der Bürger, sich in der Kommunalpolitik zu engagieren?

König: Ja, das hoffe ich. Man hat den Eindruck, dass sich Bürger oft nur projektbezogen engagieren. Es wäre schön, wenn sie es auch über einen Zeitraum von fünf Jahren machen würden.

Jetzt können junge Leute ja schon mit 16 kandidieren. Glauben Sie, dass das gut angenommen wird und auch die Arbeit im Gemeinderat bereichert?

König: Junge Menschen in der Politik sind etwas sehr positives und wichtiges. Ich weiß nicht, ob 16 nicht vielleicht noch zu jung ist. Aber ich bin selbst jung gewesen, als ich mich mit 15, 16 Jahren in der Jungen Union engagiert habe, ohne Mitglied zu sein. Als ich 2014 erstmals für den Gemeinderat kandidiert habe, war ich 25.

Was wünschen Sie sich und Ihren Bürgern für das Jahr 2024?

König: Uns in Edingen-Neckarhausen geht es eigentlich sehr gut. Daher würde ich mir wünschen, dass sich die Menschen hier dies auch immer wieder bewusst machen und ich hoffe sehr, dass das Jahr 2024 als „Friedens-Jahr“ in die Geschichte eingehen wird und sowohl die kriegerischen Handlungen in der Ukraine, aber auch im Nahen Osten ein friedliches Ende finden werden.

Redaktion Aus Leidenschaft Lokalredakteur seit 1990, beim Mannheimer Morgen seit 2000.

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