Fastnacht

Wie der Bürstädter Courage-Orden ein ernstes Thema in die närrische Zeit bringt

Volker Bouffier ist mehr als einverstanden mit seiner Nachfolgerin: Die Journalistin Katrin Eigendorf hat in Bürstadt den Courage-Orden bekommen. So geht es im närrischen Rahmen um Krieg, Freiheit und Demokratie

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Thomas Tritsch
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Hessens früherer Ministerpräsident Volker Bouffier findet, die Demokratie brauche unerschrockene und freie Journalistinnen wie Katrin Eigendorf. © Berno Nix

Bürstadt. „Krieg beginnt nicht mit dem ersten Schuss. Sondern dann, wenn eine Gesellschaft zulässt, dass sich an ihren Rändern Hass und Ausgrenzung ausbreiten können.“ Die Krisenreporterin Katrin Eigendorf forderte in Bürstadt eine freie und offene Gesellschaft ohne Verfolgung und Diskriminierung. Demokratie sei keine Selbstverständlichkeit, sie müsse immer wieder neu erkämpft werden, sagte die 61-jährige Journalistin, nach der Auszeichnung mit dem Courage-Orden des Heimat- und Carnevalvereins (HCV) im Bürgerhaus. Der Preis würdigt damit nicht nur eine bedeutende Person des öffentlichen Lebens, sondern kann auch als Plädoyer für freien und authentischen Journalismus verstanden werden.

Stimmen zur Preisträgerin

Die Verleihung des Courage-Ordens ist eine Tradition, die weit über die Grenzen von Bürstadt hinaus für mediales Aufsehen sorgt. Die Auszeichnung geht seit 1983 jedes Jahr an engagierte und verdiente Menschen aus den Bereichen Kultur, Sport und Politik.

Erster Preisträger war der damalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher. Unter den Gästen waren frühere Ordensträger wie Klaus Schlappner und Schiedsrichter Markus Merk. Bürgermeisterin Bärbel Schader dankte dem HCV, der durch die alljährliche Preisvergabe Haltung zeige und die Stadt weit über ihre Grenzen hinaus bekannt mache. Mit der Veranstaltung setze man ein Zeichen für Demokratie, Heimat und eine gelebte Werteordnung. Die Preisträgerin sei eine ausgezeichnete Wahl. Landrat Christian Engelhardt nannte Eigendorf eine „Speerspitze der Auslandsberichterstattung“. Ihr Name sei längst ein Synonym für Standhaftigkeit im Journalismus geworden.

2021 wurde sie mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis für herausragende journalistische Leistungen in Brennpunkten ausgezeichnet, des Weiteren erhielt sie den Deutschen Fernsehpreis, den Grimme-Preis für ihre empathischen Reportagen zur Lage von Frauen und Mädchen in Afghanistan sowie zwei Mal den Titel „Journalistin des Jahres“ vom Medium Magazin. Erst im August 2023 wurde Katrin Eigendorf mit dem Augsburger Friedenspreis ausgezeichnet. „Der Courage-Orden gehört auf dieser Liste ganz nach oben“, betonte Volker Bouffier.

Mutig und couragiert begebe sich Katrin Eigendorf in Krisen- und Kriegsgebiete und gehe dabei ein großes persönliches Risiko ein, hatte HCV-Vorsitzender Frank Reichmann die Entscheidung begründet. Eigendorf benenne Notstände und gebe den Opfern von Krieg, Unterdrückung und Vertreibung eine Stimme. Als Auslandskorrespondentin ist sie seit den 1990er Jahren aktiv. Für das ZDF berichtete sie schon aus Afghanistan, Syrien, Tschetschenien, der Türkei und Israel. Reichmann freute sich, dass die Preisträgerin mit ihrem Ehemann Jörg Eigendorf, Journalist und Manager, nach Bürstadt kam. Angesichts der gegenwärtigen Weltlage hätte es leicht sein können, dass sie den Termin hätte absagen müssen.

Bouffier sieht Freiheit in Gefahr

Im Bürgerhaus, das mit rund 300 Gästen gefüllt war, wurde die vielfach ausgezeichnete Journalistin regelrecht gefeiert. Die Laudatio hielt Volker Bouffier, Preisträger aus dem vergangenen Jahr. Der frühere hessische Ministerpräsident hatte seine Teilnahme früh zugesagt. „Ein fröhliches Gemüt und ein nüchterner Blick gehören zusammen“, meinte der 72-Jährige, als nun mitten in der Fastnachtskampagne der Blick auf Krieg und Tod gelenkt wurde. Er sehe die Freiheit des Westens momentan so stark in Gefahr wie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr. Umso mehr brauche es unerschrockene und freie Journalistinnen wie Katrin Eigendorf. Diese berichtete nach Beginn des russischen Überfalls Ende Februar 2022 monatelang aus der Ukraine. Nach dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober stand sie auch dort vor der Kamera.

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Als mutige Sonderkorrespondentin lenke sie den Blick auf das Faktische und Wahrhaftige, so Bouffier. Dies sei eine - auch für die deutsche und europäische Gesellschaft - höchst bedeutende Aufgabe. Eigendorf gehe nicht nur dorthin, wo sich gerade Weltgeschichte ereigne. Sie berichte, was sie vor Ort sieht, hört und erlebt. Nüchtern, echt und stets der Wahrheit verpflichtet. Und das in einer Zeit, in der sich ihre Art mehr denn je einer medialen Bedrohung und Manipulation ausgesetzt sehe, die Pressearbeit massiv beeinflusse und bedrohe. Propaganda habe es immer gegeben, so Bouffier. Das erste, was in einem Krieg verloren gehe, sei tatsächlich immer die Wahrheit. Doch heute sehen sich freie Journalisten in besonderer Weise gezielten Desinformationen und Kampagnen ausgesetzt, so Bouffier. In dieser Situation brauche es Menschen, die Dinge professionell vermitteln und einordnen könnten. „Das tut Katrin Eigendorf in beispielhafter Weise.“

Katrin Eigendorf neben weiteren, früheren Trägern des Courage-Ordens: Markus Merk (v.l.), Volker Bouffier und Klaus Schlappner. © Berno Nix

In der Ukraine, die sie in den kommenden Tagen wieder ansteuern werde, spreche sie mit den Menschen in deren Muttersprache, ohne Dolmetscher. Auch die aktuelle Lage in Deutschland sprach Bouffier an. Es sei gut und richtig, dass so viele Menschen in diesen Tagen gegen Rechts auf die Straße gingen. Er wundere sich aber, dass es keine Demonstrationen gegen Kriegsverbrecher gebe, die Europas Freiheit massiv bedrohten. Er zitierte aus Eigendorfs Buch „Putins Krieg“, in dem sie schreibt, dass die Ukrainer nicht nur für ihre eigene Unabhängigkeit, sondern auch „für unsere Freiheit kämpfen“. Die Menschen dort seien bereit, dafür zu sterben, „während die Europäer in Brüssel über die Form von Tomaten debattieren“.

Mut bedeute auch, nicht zu hassen

Katrin Eigendorf sagte in ihrer Dankesrede, die Initiative des Fastnachtsvereins passe sehr gut in die gegenwärtige Zeit. Es brauche möglichst viele Menschen, die Courage beweisen. Nicht nur in Kriegsgebieten wie der Ukraine, in denen Zivilisten gezielten Angriffe ausgesetzt sind, sondern auch im eigenen Land. „Mut bedeutet auch, für seine Haltung gerade zu stehen.“ Als Journalistin sei sie fest davon überzeugt, dass es jedes Risiko wert ist, als professionelle Augenzeugin über Auseinandersetzungen, Leid und Tod zu berichten: „Das geht uns auch in Deutschland etwas an!“ Jeder Krieg habe Konsequenzen für die eigene Gesellschaft. Man erlebe gerade auch in Europa, wie fragil Demokratie wirklich ist und wie schnell vermeintlich stabile und freiheitlich organisierte Systeme kollabieren können, wenn man nicht aufpasse. Die deutsche Gesellschaft dürfe nicht dulden, dass jüdische Menschen Angst haben, auf die Straße oder in eine Schule zu gehen und die Zeichen ihres Glaubens verbergen. Mut bedeute auch, nicht zu hassen, zitierte sie Margot Friedländer, die als Einzige ihrer Familie den Holocaust überlebt hat. Katrin Eigendorf wird sie demnächst treffen.

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Trotz des ernsten Themas der Preisverleihung kam der närrische Kontext nicht zu kurz. Auf der Bühne tanzten die HCV-Garde und die Juniorengarde Charisma, die neue Stadtprinzessin Annalena I. grüßte die Gäste ebenso wie der Vorstand um Präsident Patrick Brenner. Ein besonderer Gruß der Vereinsspitze ging an Ehrenpräsident Roger Wulff.

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