Energie

Was Bürstadt mit dem Wärmenetz vorhat

Während die kommunale Wärmeplanung viele Kommunen vor Herausforderungen stellt, steht Bürstadt mit dem innovativen Wärmenetz schon in den Startlöchern. Das soll nicht nur den Campus versorgen

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Corinna Busalt
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Die Energiezentrale auf dem Freibadgelände gilt als Herzstück für das innovative Wärmenetz des Bildungs- und Sportcampus. Es soll auch das Wasser in den Becken aufheizen. © Berno Nix

Bürstadt. Die Bauzäune und Arbeiten der Handwerker zu Saisonbeginn auf dem Gelände des Bürstädter Freibads haben einige Badegästen ziemlich gestört. Nach wie vor ist am Schwimmmeisterhaus ein Stück abgesperrt: Denn in diesem Anbau wird die Zentrale des neuen Wärmenetzes untergebracht. Das soll künftig nicht nur den Bildungs- und Sportcampus inklusive neuer Kita und das Freibad versorgen, sondern bald auch die Schillerschule und zusätzlich einige Privathaushalte.

Seit der Diskussion ums neue Heizungsgesetz der Bundesregierung ist das Stichwort Wärmenetz in aller Munde. Während viele Kommunen noch keine Idee haben, wie sie das umsetzen können, steht Bürstadt kurz vor der Inbetriebnahme. „Als wir das geplant und die Förderanträge gestellt haben, war von kommunalen Wärmenetzen gar nicht die Rede“, sagt Bürgermeisterin Bärbel Schader stolz. Lange galt Bürstadts Idee als besonders innovatives System - kräftig unterstützt vom Bundesamt für Wirtschaft.

Wärme für Campus und Grundschule

  • Das Wärmenetz soll elf Gebäude auf dem Bildungs- und Sportcampus sowie das Schwimmbad mit Wärme versorgen. Der Pfeil- und Bogenclub hat für seine neue Halle bereits eine Luftwärmepumpe installiert und wird daher nicht angeschlossen.
  • Mit Wärme wird auch die Schillerschule versorgt. Auf dem Weg dahin könnten laut Ingenieur Sebastian Wagner vom Team für Technik zudem 15 bis 30 Privathaushalte angeschlossen werden. Die Kosten für die Nutzer sind noch nicht kalkulierbar, da dies der Betreiber des Wärmenetzes bestimmt. Die Stadt will diese Aufgabe abgeben.
  • Der Strom für die Wärmegewinnung wird über etliche Photovoltaikanlagen vor Ort produziert. Module auf den Dächern der Gebäude und Carports sollen eine Gesamtspitzenleistung von 540 kwP erreichen.

Wärme kommt aus 40 Metern Tiefe

Wie die komplizierte Technik funktioniert, hat Sebastian Wagner vom Team für Technik nun den Kommunalpolitikern im Umweltausschuss erklärt. Demnach wird dem Grundwasser, das aus einem 40 Meter tiefen Saugbrunnen fließt, Wärme entzogen. „Danach lassen wir es direkt wieder versickern.“ Das Verfahren sorge für drei Grad Unterschied, anschließend heize die Solarthermie-Anlage das Wasser weiter bis auf 40 Grad auf. Laut Wagner reiche das, um Fußboden- oder Wandheizungen zu betreiben. „Nur Privathäuser bräuchten eine Booster-Wärmepumpe, die effizient arbeitet und für 60 Grad heißes Trinkwasser sorgt“, sagt Wagner.

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Denn neben dem Bildungszentrum sowie der neuen Bewegungskita, dem Jugendhaus und der VfR-Gaststätte auf dem Campus soll vor allem die neue Schillerschule, die der Kreis gerade baut, durch das Wärmenetz versorgt werden. „Auf dem Weg dahin können wir weitere Häuser anschließen.“ 15 Haushalte hat Wagner bislang vorgesehen, möglich wären doppelt so viele. Sollten es noch mehr werden, müsste eine weitere Wärmequelle angeschlossen werden. Denn auch an die Turnhalle in der Wasserwerkstraße wird schon gedacht. Diese ist laut Schader aber ein Sanierungsfall und wird im besten Fall durch einen - größeren - Neubau ersetzt. Im Moment sei das aber Zukunftsmusik, denn: „Die Halle gehört dem Kreis, und dieser konzentriert sich derzeit ganz auf die Schulbauten.“

Auch die Baugenossenschaft hat Häuser in der Nähe, die vom Wärmenetz profitieren könnten, überlegen die Politiker. Zudem führt die Stadt bereits Gespräche mit der Firma Furniture: Bürstadts größter Arbeitgeber hat laut Schader innovative Ideen und Interesse, sich zu beteiligen. Denn bei der Möbelproduktion fallen tonnenweise Sägespäne an, die verbrannt werden und dabei Abwärme liefern könnten.

Stadt sucht einen Betreiber

Derzeit schaut sich die Stadt bereits nach einem Betreiber für das Wärmenetz um. Denn dies sei keine kommunale Aufgabe, sondern solle jemand übernehmen, der sich im Metier auskennt. Ein Energiewirtschaftsanwalt berate die Stadt, welche Voraussetzungen dafür gelten müssen. Kompliziert ist es laut Experte Sebastian Wagner übrigens auch, eigene Stromspeicher zu nutzen. „Für eine Stadt ist das rechtlich und technisch schwierig - auch wegen der Fragen, wer diesen betreibt und wartet.“ Er spricht sich gegen Akkus aus. Fürs Wärmenetz werde aber ein großer Pufferspeicher von 30 Kubik eingerichtet.

Weil fürs Erzeugen der Wärme viel Strom gebraucht wird, sind Photovoltaik-Module auf Dachflächen und Carports vorgesehen. Der selbst erzeugte Strom fließe auch in Ladesäulen für E-Autos und -Fahrräder, so Wagner. All diese Pläne kommen im Ausschuss gut an. Die Politiker interessiert vor allem, wie die Bürger profitieren können. „Sicher überlegen manche, ihre alte Heizung auszutauschen, da kommt das Wärmenetz gerade recht“, meint Uwe Metzner (Grüne). „Und umso mehr Abnehmer es gibt, umso schneller rechnet sich das“, sagt Franz Siegl (SPD). Was Privatleute dafür zahlen müssen, weiß Wagner aber nicht, denn das werde der Betreiber festlegen. Wer Interesse hat, kann sich schon im Rathaus melden. Bei der Campus-Eröffnung am 22. September will die Stadt ausführlich darüber informieren.

Redaktion Redakteurin des Südhessen Morgen und zuständig für die Ausgabe Bürstadt/Biblis

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