Natur

Tür an Tür mit Hornissen: Bürstädter Expertinnen geben Rat

Wenn Hornissen in den Rollladenkasten einziehen, kann das Zusammenleben mit den Menschen durchaus funktionieren. Wie es gelingt.

Von 
Sandra Bollmann
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Stetiger Flugverkehr: Hornissen haben den Rollladenkasten über der Terrassentür bezogen. Keine einfache Situation für die menschlichen Mitbewohner. © Berno Nix

Bürstadt. „Der Platz ist wirklich nicht gerade ideal.“ Findet zumindest Marion Brandner vom Bürstädter Nabu. Die Hornissenkönigin hatte das sicher ganz anders gesehen, als sie unseren Rollladenkasten für ihr neues Nest auswählte. Ein bisschen eng, aber schön schattig und mit viel Grün drumherum – und direkt über der Tür, die auf die Terrasse hinausführt. Wer in der Einflugschneise steht, wird gnadenlos gerammt. Und doch darf das Völkchen bleiben.

Die europäische Vespa Crabro gilt als ausgesprochen friedlich und ist streng geschützt – im Gegensatz zu ihrer eingewanderten Verwandten, der Asiatischen Hornisse. „Wir wollen das aushalten“, lautet der Beschluss des Familienrats. Auch wenn es besser ist, sich beim Queren der Einflugschneise kurz zu ducken. Aber irgendwann im Herbst soll der Spuk schließlich vorbei sein.

Eine einzelne dicke Hornisse startet den Nestbau

Angefangen hat alles ganz harmlos. Eine einzelne, dicke Hornisse brummelte zwischen Garten und Fassadengrün hin und her. Bis klar war, dass es sich um eine Hausbesetzerin handelte, war es zu spät: Die junge Königin hatte ihren Staat bereits gegründet. Plötzlich gab es Aufruhr beim Rollladenrunterlassen - und vor allem beim Hochziehen: Aufgeregtes Summen, Ausschwärmen, einzelne Tote auf dem Terrassenboden. Also bleibt der Rollladen ab sofort oben.

Marion Brandner vom Bürstädter Nabu weiß genau, was sich in den vergangenen Wochen abgespielt hat: Eine junge Hornissenkönigin hat den Winter überstanden und sich an die Arbeit gemacht. „Sie sind ganz alleine unterwegs und suchen sich einen Platz für ihr Nest.“ Die zweite Vorsitzende kennt sich aus. Jahrelang hat sie Bienenvölker gehalten, das Imkern aber inzwischen aufgegeben. Inzwischen haben es ihr Wespen aller Art angetan. Und die Hornissen gehören – als größte ihrer Art – auf jeden Fall dazu.

Aus ihrem papierartigen Baumaterial haben die Arbeiterinnen eine Art Markise als Hitzeschutz gebastelt. © Berno Nix

Hat die Hornisse das richtige Plätzchen gefunden, beginnt sie mit ihrem Werk: Zuerst bastelt sie eine Art Stiel, an den heftet sie dann die Waben für die Larven. Als Baumaterial erzeugt sie eine Art Papier, für das sie morsches Holz abnagt und zu einem Brei verarbeitet. Ihre ersten Larven versorgt sie dann mit eiweißreicher Nahrung und jagt dafür Insekten.

„Sie legt sich sogar selbst an die Waben, um ihren Nachwuchs zu wärmen, und kümmert sich sehr intensiv“, weiß Brandner. Eine sehr gefährliche Zeit sei das für die Königin. Wenn die ersten Arbeiterinnen geschlüpft sind, kann sie im Nest bleiben, und sich auf ihre eigentliche königliche Aufgabe konzentrieren: Eier legen. 400 bis 700 Tiere können in einem solchen Stock leben. „Bei Ihnen ist das Nest aber sicher kleiner“, vermutet die Bürstädterin. „So viel Platz ist in dem Rollladenkasten eher nicht.“

So ganz wohl ist uns bei der Sache nicht

Jetzt wohnen also Hornissen bei uns. Trotz – zugegebenermaßen – intensiver, aber dennoch vergeblicher Gegenwehr. Sämtliche Versuche, die Fluglöcher zu verstopfen, erwiesen sich als sinnlos. Die dicken Brummer knabberten sich einfach den Weg frei und flogen wieder munter ein und aus. Wir fühlen uns zwar durchaus ausgezeichnet, weil es den streng geschützten Hornissen so gut bei uns gefällt. So ganz wohl ist uns dabei allerdings nicht. Das Nest ist nach außen gewachsen, die Arbeiterinnen haben mit ihrem ganz speziellen Papier eine Art Markise gebaut, die sich ein Stück oberhalb der Terrassentür entlang zieht.

Wie groß soll das Ding denn noch werden? Und dann die Geräusche. Es knabbert im Rollladenkasten. Fressen die sich durch die Wand bis ins Wohnzimmer durch? Übernimmt der Schwarm irgendwann das ganze Haus?

Besonders geschützte Art



Die Europäische Hornisse (Vespa Crabro) gehört zu den staatenbildenden Echten Wespen und ist in ihrer Familie die Größte. Sie stand bis zu den 70er Jahren auf der Roten Liste . Inzwischen hat sich ihr Bestand wieder erholt, sie gehört aber dennoch zu den besonders geschützten Arten .

Die Arbeiterinnen ernähren sich von Obst- und Baumsäften , die Larven füttern sie mit erbeuteten Insekten . Ihre Stöcke bauen sie gerne in Baumhöhlen , nutzen aber auch Nistkästen, Dachböden, Gartenhütten oder Rollladenkästen. sbo

Tut er nicht. Wochen später sieht es rund ums Einflugloch unverändert aus. Das knabbernde Geräusch ist kein Hinweis auf Nagetätigkeit, versichert der Nabu auf seiner Homepage. Auch Marion Brandner winkt ab. Die Larven machen mit Kratzgeräuschen an den Zellwänden auf sich aufmerksam, weil sie Futter wollen. Wenn die Arbeiterinnen über die Waben laufen, hört sich das ebenfalls wie Nagen an. Platz machen sich die Riesenwespen aber ganz offensichtlich dennoch: Unter dem Nest liegen winzige Styroporkügelchen. Die Dämmung stört wohl beim Nestbau.

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Aber alles kein Beinbruch, die Familie bleibt gelassen. Der Kontakt zu den fliegenden Mitbewohnern hält sich in Grenzen, wer ungeschickt in der Einflugschneise stehen bleibt, wird lediglich gerammt. Hornissen sind dickköpfig und trauen sich einiges zu, stellen wir fest. Sie verhalten sich aber ausgesprochen friedlich.

Nachtaktive Riesenwespen fliegen auf helles Licht – und in die Haare

Und dann landet irgendwann doch eine Hornisse im Wohnzimmer. Im Dunkeln kurz die Terrassentür geöffnet – und zack, drin. Wie ein aufgescheuchter Derwisch schießt das Tier panisch durch den Raum, versucht, mit Kopfstößen die glatte Wand zu durchbrechen. Dabei verfängt sie sich in meinen Haaren. Der Schreckensschrei klingt so infernalisch, dass die Mitbewohner erschrocken herbeieilen. Passiert ist weiter nichts. Die verstörte Riesenwespe findet endlich den Weg nach draußen, als die Außenbeleuchtung angeschaltet wird. „Hornissen sind nachtaktiv“, bestätigt Marion Brandner. Lichtquellen locken sie magisch an. Also bleibt die Terrassentür für diesen Sommer konsequent zu, wenn der Fernseher läuft.

Marion Brandner (l.) vom Bürstädter Nabu hat sich auf Wespen und Hornissen spezialisiert. Sie versichert: Irgendwann im Herbst kehrt Ruhe ein im Rollladenkasten. © Berno Nix

Eine Weile herrscht Frieden. Die Hornissen werden stetig mehr, die Einflugschneise hat sich auf drei Bahnen ausgeweitet. Immerhin finden sie den Esstisch auf der Terrasse nach wie vor uninteressant – ein sicherer Rückzugsort. Doch dann: Eine Arbeiterin sticht zu. Kurz nach dem Raketenstart von der Abflugrampe aus bleibt es nicht beim kurzen Rempler, der Stachel wird eingesetzt. Das tut weh. Nicht nur der Kopf schmerzt, auch das Vertrauen ist dahin. Vielleicht ist die Koexistenz Tür an Tür mit der Vespa Crabro doch nicht möglich? Wir fragen bei der Bürstädter Hornissenberaterin Nicole König nach. Sie hat schon unzählige Nester umgesiedelt. Im Einsatz ist sie zurzeit vor allem aber im Kampf gegen die Asiatische Hornisse, deren Stöcke sie schonungslos entfernt.

Schutzstatus erlaubt nur selten Eingriffe – Umsiedlungen als Ausnahme

Die europäische Verwandte darf allerdings nur in größten Ausnahmefällen getötet werden, ansonsten drohen Strafen in fünfstelliger Höhe. Wenn, dann zieht der ganze Stock um – so wie gerade erst auf dem Bildungs- und Sportcampus. Ein Fernsehteam hat sie dabei begleitet. Die Bürstädter Riesenwespen dürfen jetzt in Heppenheim unbehelligt durch die Gegend flitzen – mindestens sieben Kilometer entfernt, sonst finden sie wieder zurück. „Eigentlich rette ich die Hornissen vor den Menschen, und nicht umgekehrt“, stellt Nicole König fest.

Die Attacke auf unserer eigenen Terrasse kommentiert sie mit einer Frage: „Sie waren doch ganz sicher im Weg gestanden?!“ Ja, da hat sie recht. Mittendrin in der Flugbahn, wie ein Fels. Also selbst schuld. Die Hornissen dürfen bleiben. Zumal sich die Nester nicht aus allen Rollladenkästen so ausbauen lassen, dass die Tiere anderswo ein neues Leben anfangen können, bestätigt die Fachfrau. Dann bleibt nur noch, den Schwarm zu töten. Die Familie ist sich einig: Das ist keine Option.

Nicole König im Kampf gegen die Asiatische Hornisse. Die Bürstädterin siedelt häufig auch die geschützte, heimische Art um - gerade erst wieder auf dem Bildungs- und Sportcampus. © Felix Wolf

Von beiden Bürstädter Hornissenexpertinnen gibt’s ein Lob für diese Entscheidung. „Das machen nicht viele Leute“, sagt Marion Brandner anerkennend. Aber die Aussichten sind gut: Im Herbst endet das Leben über der Terrassentür auf jeden Fall, versichert sie. Die mittlerweile alte Königin macht ihre Arbeit noch zu Ende und legt ganz besondere Eier.

Aus ihnen schlüpfen dann die Drohnen und die neuen Königinnen, die sich im Spätsommer zum Hochzeitsflug aufmachen. Die künftigen Hoheiten suchen sich ein trockenes, warmes Plätzchen zum Überwintern, alle anderen Schwarmmitglieder sterben. Aber ist das nicht ein schöner Gedanke, dass aus unserem Hornissenschwarm vielleicht zwei oder drei neue entstehen? Und – auch darauf macht uns Marion Brandner aufmerksam – finden in diesem Sommer kaum Mücken und Wespen den Weg in unseren Garten. „Das haben Sie den Hornissen zu verdanken.“

Im nächsten Frühjahr gibt’s ein Angebot in gehobener Wohnlage

Fürs nächste Jahr sind wir vorbereitet und haben uns einen eigens geschreinerten Hornissenkasten zugelegt. Der kommt im Frühjahr an die Hauswand – allerdings ein gutes Stück höher als die Terrassentür. Falls doch einige der Königinnen den Weg zurück finden. „In das alte Nest gehen sie nicht mehr“, macht Nicole König deutlich. „Aber manchmal gerne ein Stückchen nebendran.“ Das werden wir zu verhindern wissen und das Einflugloch ein für alle Mal verschließen. Dafür gibt’s dann ein neues Angebot in gehobener Wohnlage.

Redaktion Redakteurin "Südhessen Morgen", Schwerpunkt Bürstadt

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