Bürstadt. Vor zwei Jahren hat Imkerin Nicole König eine Ausbildung zur Hornissenberaterin absolviert, weil sie beobachten konnte, wie gefährlich die Asiatische Hornisse für ihre Bienen wurde. Die Bürstädterin machte sich selbstständig und einen Namen als Fachfrau für das Entfernen der riesigen Nester. Mehr als 330 hat sie seither in der ganzen Region entfernt. Dieses Jahr ist alles anders: Die 38-Jährige muss sich arbeitslos melden. Sie erhält keine Aufträge mehr vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG), weil das Bundesumweltministerium die Asiatische Hornisse im Frühjahr als „weit verbreitet“ eingestuft hat. „Das bedeutet, dass gemeldete Nester nicht mehr überall sofort beseitigt werden müssen, sondern erst nach Prüfung des Einzelfalls“, informiert das Amt.
Nicole König kann diese Situation nur schwer aushalten. „Wir wollen hier in Hessen weitere gegen die Asiatische Hornisse vorgehen. Da ist noch nicht das letzte Wort gesprochen.“ Sie klingt kämpferisch. Doch im großen Stil wird sie keine Nester mehr beseitigen, sondern nur noch, wenn sie privat beauftragt wird. Neunmal war sie bisher in diesem Jahr im Einsatz. 2024 aber hat sie 212 Nester entfernt – fast doppelt so viele wie 2023. „Es nimmt ständig weiter zu, und wenn wir jetzt nichts mehr tun, sind unsere ganzen heimischen Insekten bedroht.“
Laut König hat die Vespa Velutina, wie sie in Fachkreisen heißt, mächtig Hunger. „Wenn man sich überlegt, wie viel diese jedes Jahr vertilgen! Wir hatten in Bürstadt im Umkreis von 200 Metern einmal drei Nester. Wenn ich das hochrechne, kommen wir auf ungefähr 35 Kilogramm Insektenfleisch.“ Schmetterlinge, Spinnen, Wespen und Bienen stehen auf dem Speiseplan – da gehe es um Artenvielfalt. „Die Ausbreitung nicht zu stoppen, ist absolut der falsche Weg“, sagt König. „Wer soll das Obst hier bestäuben?“
Bürstädterin hat Angst, dass sich unerfahrene Privatleute an Nester wagen
Nicht nur die Tierwelt sei in Gefahr, sondern auch die Menschen. „Wir haben ja gesehen, dass sie sich gerne in unserer Nähe ansiedelt: bei Kindergärten, Altenheimen oder auch Krankenhäusern.“ Wie schmerzhaft ein Stich der Asiatischen Hornisse ist, weiß die Bürstädterin nur zu gut aus eigener Erfahrung. Deshalb hat sie sich spezielle Anzüge gekauft, um den riesigen Nestern überhaupt nahe kommen zu können.
Etliche Menschen aber reagieren allergisch auf einen Stich. Wenn die öffentliche Hand nicht mehr für das Entfernen zahlt, fürchtet die Bürstädterin, dass Schädlingsbekämpfer horrende Preise aufrufen. Was wiederum dazu führe, „dass die Leute sich selbst daran trauen. Aber das ist nicht wie beim Wespennest, dass 20 Tierchen um einen schwirren. Da kommen 500 heraus, die einen aggressiv attackieren!“
Mit dem Schiff aus Asien
Die Asiatische Hornisse (Vespa velutina) stammt aus Südostasien und gelangte vermutlich 2004 mit Waren per Schiff nach Europa. Erstmals wurde sie 2004 in Südfrankreich gesichtet, 2014 dann in Süddeutschland und 2019 in Mannheim .
Asiatische Hornissen sind 1,7 bis 2,4 Zentimeter lang, Königinnen bis zu drei Zentimeter groß. Von den europäischen unterscheiden sie sich durch ihre dunklere Grundfärbung . Die Brust ist schwarz, der Hinterleib dunkel mit wenigen gelben Binden. Die Beine sind schwarz-gelb.
Die asiatische Hornisse gilt als invasive Art . Bisher wurde ihre Ausbreitung bekämpft, da negative Folgen für das Ökosystem aber auch die menschliche Gesundheit befürchtet wurden. In diesem Frühjahr hat das Bundesumweltministerium sie als „etabliert“ eingeschätzt, weshalb nicht mehr jedes Nest vernichtet werden muss.
Um die Ausbreitung der Asiatischen Hornisse weiter beobachten zu können, bittet das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) darum, Nester weiterhin zu melden: online unter hlnug.de/hornisse .
Nicole König ist Hornissenberaterin , Imkerin sowie stellvertretende Obfrau für Bienengesundheit . Bei Fragen ist sie per E-Mail an velutinakoenig.buerstadt@gmail.com erreichbar. Infos gibt es zudem auf der Internetseite luma-koenig.de . cos
Die Bedrohung kommt laut König auch nicht nur aus der Luft, denn die Vespa Velutina baue ihre Nester ebenso am Boden. „Was ist, wenn ein Kind im Garten einen Ball hineinschießt - und 2000 Hornissen aufscheucht?“ Die 38-Jährige hat selbst zwei Kinder und mag sich gar nicht ausmalen, was da passieren kann. Und sagt: „Ich rechne schon mit den ersten Toten.“ Das sei realistisch, wenn die Bekämpfung komplett eingestellt wird und die Hornissen sich in dieser Geschwindigkeit weiter vermehren.
Meldungen zu Asiatischen Hornissen kommen nun in Heppenheim an
Beim Land Hessen heißt es: „Trotz der Beseitigung der gemeldeten Nester konnte die Ausbreitung der Asiatischen Hornisse in Hessen nicht eingedämmt werden.“ Erfasst werden sollen diese aber weiterhin, daher bittet das Landesamt darum, jedes Nest mit Foto und Standort auf dem Online-Meldeportal einzugeben. Im vergangenen Jahr seien übrigens allein in Hessen 250 Nester entfernt worden, was zu Kosten in Höhe von über 80.000 Euro geführt habe. Gezahlt wurde dies bislang vom Regierungspräsidium als obere Naturschutzbehörde. Auf Anfrage teilt das RP nun mit, dass durch die Umstufung jetzt die unteren Naturschutzbehörden (UNB) zuständig sind. Für unsere Region wird also im Landratsamt des Kreises entschieden, ob eine Bekämpfung erfolgen soll.
Dass die Asiatische Hornisse inzwischen als etabliert eingestuft wurde, ist laut UNB verständlich und lasse sich mit der hohen Zahl an Meldungen in den vergangenen Jahren begründen. Dass fremde Arten bei uns heimisch werden, liege eben an den Folgen des Klimawandels in Verbindung mit dem internationalen Handelsverkehr, erklärt ein Sprecher des Landratsamts. Seit Ende Mai ist die Behörde in Heppenheim in der Verantwortung, und seither seien pro Woche rund zwei Meldungen über Hornissennester eingegangen.
Wobei die UNB nur über Naturschutzbelange urteilt, also „ob im Einzelfall hochwertige Lebensräume oder geschützte (seltene) Arten gefährdet werden, beziehungsweise es zu einer Beeinträchtigung der biologischen Vielfalt kommt“, so der Sprecher weiter. Sollte es aber um die „Abwehr von Gefahren für die menschliche Gesundheit“ und den Schutz der Bevölkerung gehen, eben weil Hornissen auf Spielplätzen oder bei Altenheimen nisten, muss man sich ans Rathaus wenden. Im eigenen Garten aber übernimmt die Stadtverwaltung nicht die Kosten.
Nicole König will die Vespa Velutina auf jeden Fall im Blick behalten, auch wenn sie sich jetzt beruflich neu orientieren muss. Nicht mehr gegen die invasive Art vorzugehen, habe fatale Folgen, warnt sie. In Südfrankreich und im spanischen Galicien gebe es deshalb kaum noch Insekten, hat sie von anderen Hornissenberatern erfahren. „Wieso machen wir den gleichen Fehler?“ In Südeuropa sei der Kampf wieder aufgenommen worden. Wobei in Deutschland nicht alle klein beigeben. „In Bayern gehen sie weiter gegen die Velutina vor“, sagt König. Das würde sie sich auch in Hessen wünschen und will – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – weiterkämpfen.
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