Bürstadt. Hessens Städte und Gemeinden sollen Sicherheitsthemen selbstständiger angehen. Individuelle Lösungen sollen vor Ort entwickelt werden können. Dies ist das Prinzip von Kompass, dem Kommunal-Programm-Sicherheitssiegel. Auf den Weg gebracht hat dieses bundesweit einzigartige Programm das hessische Innenministerium Ende 2017. 160 Kommunen sind bis heute dabei, mehr als drei Millionen Menschen profitieren von den erarbeiteten Sicherheitslösungen. Bürstadt schloss sich der Initiative bereits im September 2021 an.
„Der Schwerpunkt liegt in einer engen Zusammenarbeit von Bürgern, Polizei und Kommune“, erklärte Benjamin Henne zum Start der ersten Sicherheitskonferenz der Stadt. Der Kriminaloberrat ist Leiter der Regionalen Kriminalinspektion Bergstraße und von dem Konzept überzeugt: „Menschen, die hier leben, wissen am besten, wo der Schuh drückt.“
Um das Engagement der Stadt auch „offiziell“ zu machen, strebt man das „Sicherheitssiegel“ an. Der Weg dorthin ist ein langer, betonte Bürgermeisterin Bärbel Schader. Nach formloser Bewerbung der Kommune steht das Auftaktgespräch von Gemeinde und Polizei an. Danach wird das Begrüßungsschild übergeben und der Ort in die Kompass-Familie aufgenommen. Das Programm sieht vor, dass die Kommune einen Präventionsrat und ein Arbeitsgremium bildet, bevor die Sicherheitslage von Polizei und Kommune erhoben wird. Als wichtiger Zwischenschritt gilt die Bürgerbefragung, die in Bürstadt bereits 2021 stattgefunden hat. Eine Ortsbegehung zu den als „Angsträumen“ wahrgenommenen Punkten gab es Anfang November.
Harazim: Lage hat sich dank Jugendhaus verbessert
Die kommunale Sicherheitskonferenz markiert nun für Bürstadt die Hälfte der Wegstrecke zum allseits begehrten Siegel. Zum Programm der Veranstaltung auf dem Bildungs- und Sportcampus (BuSC) zählten die Vorstellung des Kompass-Programms, Präsentation der amtlichen Kriminalstatistik, Diskussion des aktuellen Sachstands sowie eine offene Runde.
Dass sich in Bürstadt seit der Bürgerbefragung manches verändert hat, stellte Adam Harazim klar. Der Teamleiter für den Bereich Jugend bei der Sozialagentur Fortuna hat schon berufsmäßig mit jener Gruppe zu tun, die Bürgern zuweilen Probleme bereitet: „Abhängende Jugendliche“ im Bahnhofsgebiet, aber auch auf dem Spielplatz und rund um einen bekannten Kiosk wurden häufig beklagt.
Die Lage habe sich mit der Etablierung des Jugendhauses jedoch spürbar verbessert, berichtete Harazim. Auch die Gründung des Bildungs- und Sportcampus’ habe für eine Entspannung gesorgt, bestätigte Florian Mohr, Leiter der Polizeistation Lampertheim-Viernheim. „Sozialkontrolle“ werde seit zwei Jahren viel stärker ausgeübt, die Leute schauten genauer hin. Niemand wolle, dass an einem Ort wie dem BuSC Vandalismus betrieben werde. Dennoch bestehen Sorgen und Nöte: Mangelnde Beleuchtung, Müllablagerungen und Graffiti sind auch in Bürstadt ein Thema.
Dass subjektives Empfinden und objektive Zahlen nicht zwangsläufig deckungsgleich sind, bewies ein Blick auf die amtliche Kriminalstatistik. Zwar ist die Gesamtzahl der Straftaten 2023 von vormals 522 auf 564 gestiegen, doch ist damit lediglich das Niveau der Zeit vor Corona erreicht. Deutlich wird dies am Beispiel der für viele Menschen besonders belastenden Wohnungseinbrüche: Während für das Pandemie-Jahr 2021 nur fünf derartige Delikte verzeichnet wurden, stieg die Fallzahl 2023 auf 16.
„Nicht zu unterschätzen ist regelmäßig das Dunkelfeld“, gab Florian Mohr zu bedenken. Nur das, was angezeigt werde, könne man ausweisen. Die Aufklärungsquote in Bürstadt liege bei immerhin 55 Prozent, einem stabilen Wert. Die aussagekräftigere „Häufigkeitszahl“ wirft auf die Stadt ein gutes Licht: Mit 3370 Straftaten pro 100 000 Einwohnern jährlich liegt man deutlich unter dem hessenweiten Schnitt von 6220 und schneidet auch im südhessischen Vergleich gut ab.
Dass eine Vielzahl an Präventionsmaßnahmen längst etabliert ist, unterstrichen die Konferenzveranstalter. Mit Christina Wegerle als Schutzfrau vor Ort steht eine Ansprechpartnerin für die Bürger bereit. Multiplikatoren-Schulungen und Vorträge gibt es an Schulen und weiteren Einrichtungen. Intensivtäterprogramme und regionale Jugendsachbearbeitung verfolgen einen präventiven Ansatz. Senioren- und Verkehrsprävention sind weitere Felder, in denen ein enger Austausch zwischen Stadt und Polizei erfolgt.
Drei Präventionsmaßnahmen müssen umgesetzt werden
Die Ergebnisse der Sicherheitskonferenz werden im nächsten Schritt zusammengeführt. An der Feinanalyse werden sich Kommune, Polizei und Wissenschaft beteiligen. Im Arbeitsgremium sollen daraufhin passgenaue Maßnahmen erarbeitet werden. Nach einer zweiten kommunalen Sicherheitskonferenz steht die Umsetzung von mindestens drei konkreten Präventionsmaßnahmen an.
Mit Erfüllung aller Voraussetzungen wird das begehrte Kompass-Siegel an Bürstadt verliehen. Wenn es nach Bärbel Schader geht, soll es schon nächstes Jahr so weit sein. „Wenn wir es auch noch dokumentiert haben, bin ich glücklich“, sagte die Bürgermeisterin. Spätestens dann ist Prävention auch offiziell als fester Bestandteil der kommunalen Arbeit implementiert.
Info: Weitere Infos gibt es unter kompass.hessen.de
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