Bürstadt. Im Frühjahr 2021 hat das Unternehmen Deutsche Glasfaser viele Bürstädter dazu gebracht, für sich zu werben: In Vorgärten und auf Balkonen leuchteten hellblau-weiße Stecker mit dem Spruch „Wir sind dabei!“ Wenn 40 Prozent der Bürger einen Vertrag abschließen, hieß es, würde die Firma das gesamte Stadtgebiet mit schnellem Internet versorgen. Dieses Quorum wurde bekanntlich nicht erreicht, in der Kernstadt waren es zu wenige. In den Stadtteilen entschlossen sich viele dafür - dort soll es kommen.
„Fragt sich nur wann!“ Volker Utz in Bobstadt ärgert sich inzwischen, mit diesen Steckern für die Deutsche Glasfaser geworben zu haben. „Für mich ist das ein unseriöses Unternehmen.“ Denn auf seine zahlreichen Anfragen in den vergangenen zwei Jahren habe er oft keine oder widersprüchliche Antworten erhalten. Volker Utz weiß gar nicht, ob er mit dieser Firma überhaupt noch zusammenarbeiten will. Seit Monaten will er wissen, wann der Anschluss kommen soll.
Bürger tauschen sich in Sozialen Medien aus
Ihm geht es wie zig anderen Bürstädtern, die sich regelmäßig in Sozialen Medien austauschen: Sie bemängeln sowohl den Stillstand in Sachen Bauarbeiten als auch die mangelnde Kommunikation. Sehr unglücklich darüber zeigte sich auch Bürgermeisterin Bärbel Schader in den politischen Sitzungen. Sie berichtete von einem aktuellen Gespräch mit dem neuen Projektteam der Deutschen Glasfaser. Das wolle bald den Zeitplan vorlegen. „Ich habe meinen Unmut sehr deutlich gemacht“, betonte Schader. „Nachdem sie so lange geschlampert haben, habe ich den Komplettausbau von Bürstadt gefordert.“ Ob dieser tatsächlich kommt, ist offen - diese Frage unserer Redaktion ans Unternehmen blieb unbeantwortet.
Zum Zeitplan heißt es von deren Pressestelle nur, dass dieser in Arbeit sei. „Sobald der Entwurf ausgearbeitet sein wird, wird Deutsche Glasfaser diesen vorstellen und mit der Verwaltung abstimmen“ - und anschließend dann der Öffentlichkeit bekanntgeben. Im Oktober hatte das Unternehmen übrigens schon erklärt, einige Arbeiten erledigt zu haben. Dies sei nur unbemerkt geschehen. So seien bereits im Mai 2022 fünf Hauptverteilerkästen in Bürstadt installiert worden. Zum Jahresende hätte es mit dem Tiefbau für die Hausanschlüsse weitergehen sollen. Auf die Gespräche warten die Bürger allerdings immer noch. Eine Erklärung dafür gibt es nicht.
Gespräche mit anderen Anbietern
Im Bürstädter Rathaus haben sich in der Zwischenzeit schon andere Unternehmen gemeldet, etwa die Telekom. „Ich habe mit anderen Anbietern Gespräche geführt“, bestätigt Schader. Es sei auch überlegt worden, die Kooperation mit der Deutschen Glasfaser zu lösen. Denn solange diese Vereinbarung bestehe, steige kein anderer Anbieter ein, erklärte sie im Haupt- und Finanzausschuss. Werner Klag (SPD) hatte berichtet, dass in manchen Kommunen bereits verschiedene Anbieter in einer Straße ihre Kabel verlegen. „So ein Chaos sollten wir versuchen zu verhindern.“ Chantal Stockmann (FDP) wunderte sich, dass sogar der Bibliser Ortsteil Nordheim bald angeschlossen werden soll, die Bürstädter Innenstadt aber nicht.
Euphorie vollkommen verflogen
Die Pressestelle der Deutschen Glasfaser teilt unserer Redaktion zur Verzögerung lediglich mit, dass es sich um „ein komplexes Infrastrukturausbauprojekt“ handle, das mit jeder Menge Koordinationsaufwand und Detailplanung verbunden sei. Zudem arbeite die Deutsche Glasfaser „mit zahlreichen, auch international tätigen Baupartnern zusammen. Wie die gesamte Branche sind aber auch wir von den derzeit begrenzt zur Verfügung stehenden Baukapazitäten betroffen, so dass es bei uns in einzelnen Projekten derzeit zu einer ungewohnt langen Dauer bis zum Start des Ausbaus kommen kann.“
Schnelles Internet im Ried – aktuelle Situation
- Bürstadt: Hier hat die Deutsche Glasfaser erklärt, die Stadtteile Bobstadt und Riedrode sowie Boxheimerhof, Sonneneck, Rodstücke sowie das östliche Stadtgebiet und das Gewerbegebiet nördlich der Industriestraße mit schnellem Internet versorgen zu wollen – die Kernstadt aber nicht.
- Biblis: Die Gemeinde hat im September 2022 einen Vertrag mit GlasfaserPlus unterzeichnet, einem Gemeinschaftsunternehmen von Telekom und IFM Investors. Laut einem Mitarbeiter folgen Ende Juli Absprachen mit der Bibliser Bauverwaltung zum Ausbau, im September könnten die Bauarbeiten am Glasfasernetz beginnen. Nach neun bis zehn Monaten erfolge der Anschluss. Bis Ende 2024 solle Biblis samt Ortsteilen ausgebaut sein.
- Groß-Rohrheim: Die Deutsche Glasfaser will für schnelles Internet sorgen, nachdem sich 29 Prozent der Haushalte für einen Glasfaseranschluss entschieden haben. Nach Angaben des Unternehmens hat der beauftragte Baupartner Verne bereits mit ersten Hausbegehungen begonnen. Eine Informationsveranstaltung ist am Mittwoch, 19. Juli, ab 19 Uhr in der Bürgerhalle Groß-Rohrheim, Jahnstraße 9, geplant. cos
Doch in Groß-Rohrheim gab das Unternehmen kürzlich bekannt, die gesamte Gemeinde anzuschließen, obwohl dort nur 29 Prozent der Haushalte Interesse signalisiert hatten. Wieso hier das Quorum von 40 Prozent keine Rolle spielt, bleibt offen - und die Frage an die Pressestelle unbeantwortet.
Schlusslicht bei schnellem Internet?
„Bürstadt ist bald Schlusslicht beim Thema schnelles Internet“, sagt Volker Utz kopfschüttelnd. Er wollte seinen Anschluss von 3,2 auf 50 Megabyte steigern. „Aber bei mir gab es bisher weder eine Begehung noch Gespräche vor Ort. Nur unbefriedigende Antworten.“ Auch Hermann Ofenloch hält die Kommunikation für ein Desaster.
Der Bürstädter hat von Anfang an mit viel persönlichem Einsatz ehrenamtlich für den Ausbau geworben. Er verlangt nach wie vor viel mehr Transparenz bei diesem Thema: „Damit die Bürger endlich wissen, woran sie sind!“ Seine Kritik richtet sich sowohl gegen die Deutsche Glasfaser als auch gegen die Stadtverwaltung. Weil er bei beiden Stellen nicht weiterkam, hat er sich an Landrat Christian Engelhardt gewandt. Zudem habe er von Unternehmen im Gewerbegebiet erfahren, dass die Deutsche Glasfaser dort gar nicht ausbaut, wie ursprünglich angekündigt, sondern ein anderes Unternehmen.
„Warum machen wir nicht eine Podiumsdiskussion - wir als ehrenamtliche Initiative mit der Stadt und der Deutschen Glasfaser? Da könnten wir alle Fragen klären und die Kuh vom Eis holen.“ Ihm gehe es nicht darum, jemanden anzuschwärzen. „Ich will nur das Beste für Bürstadt rausholen. Es geht um die Infrastruktur in unserer Stadt - das muss doch allen bewusst sein.“ Von der Euphorie von vor zwei Jahren ist nichts mehr übrig.
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