Nachruf

Mit Lothar Buchmann ist eine Legende gegangen

Mit Lothar Buchmann ist der wichtigste Trainer in Hessens Fußballhistorie im Alter von 87 Jahren gestorben. Er hinterließ nicht nur in der Bundesliga, sondern auch beim VfR Bürstadt erfolgreiche Spuren. Ein Nachruf

Von 
Claudio Palmieri
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Einer der wichtigsten Trainer in Hessens Fußballhistorie: Lothar Buchmann, hier 2015 auf einem Sportplatz im Odenwald, führte unter anderem Darmstadt 98 in die Bundesliga und den VfR Bürstadt zur Deutschen Amateurmeisterschaft. © Alexander Heinl/dpa

Bürstadt. Eintracht Frankfurt, Darmstadt 98 und Kickers Offenbach kondolierten - und auch der VfR Bürstadt trägt Trauer: Lothar Buchmann ist tot. Der gebürtige Breslauer, der als Spieler sowie als Spielertrainer und Trainer die größte Zeit des VfR maßgeblich prägte, starb in der Nacht zum Dienstag im Alter von 87 Jahren in seinem Wohnort Reichelsheim.

Superlative sind im Sport überstrapaziert. Lothar Buchmann als einen der wichtigsten Trainer in Hessens Fußballhistorie zu bezeichnen, ist jedoch keineswegs übertrieben. Bei gleich vier hessischen Vereinen hinterließ der Fußballlehrer große Spuren: Mit Eintracht Frankfurt gewann Buchmann in der Saison 1981 den DFB-Pokal, 1983 führte er die Offenbacher Kickers zum bis heute letzten Aufstieg in die Bundesliga. Zuvor hatte er in der Saison 1979/80 schon mit dem VfB Stuttgart Platz drei im deutschen Fußball-Oberhaus und den Einzug ins Halbfinale des UEFA-Pokals erreicht.

Buchmann geht 1966 zum VfR Bürstadt

Fußballgeschichte schrieb Buchmann auch in Darmstadt. Unter ihm stiegen die Lilien 1978 als Meister der 2. Bundesliga Süd zum ersten Mal in die Bundesliga auf. Dem geneigten Fan bleibt dieser Meilenstein aber nicht nur deshalb in Erinnerung. Sowohl Buchmann, der als Sachbearbeiter beim Landratsamt Heppenheim tätig war, als auch seine Spieler gingen ihrem Sport erst nach der Arbeit nach. Die Legende der „Feierabendfußballer vom Böllenfalltor“ war geboren. Das „Darmstädter Modell“ ist bis heute bundesweit ein Fachbegriff.

Beim VfR Bürstadt heuerte Buchmann 1966 an - zunächst als Spieler. Ein Jahr vorher hatte er im Trikot von Wormatia Worms noch dem späteren deutschen Serienmeister Borussia Mönchengladbach in den Aufstiegsspielen zur Bundesliga die Stirn geboten. 1967 übernahm der damals fast 31-Jährige dann das Amt des Spielertrainers bei den Südhessen.

1970 ging es gegen Bayern München mit Beckenbauer und Hoeneß

1972 gewann der VfR unter Buchmann seine erste von fünf Hessenmeisterschaften und stieg in die damals zweitklassige Regionalliga Süd auf. 1975 folgten der Gewinn des Hessenpokals und der Deutschen Amateurmeisterschaft, dem bis heute größten Erfolg des Vereins. Wenig später endete die Zusammenarbeit. Doch Buchmann, der zur Zweitligasaison 1984/85 und in der Oberliga Hessen 1995/96 als Trainer zum VfR zurückkehrte, war fortan eine Ikone im Ried. „Die neun Jahre in Bürstadt waren einmalig“, fasste er 2013 im Gespräch mit dem „Südhessen Morgen“ zusammen.

Natürlich war es auch Buchmann, der im Freundschaftsspiel gegen den großen FC Bayern München um Franz Beckenbauer, Uli Hoeneß, Sepp Maier und Gerd Müller am 24. Juli 1970 die 1:0-Führung für den VfR erzielte. 10 000 Zuschauer hatten das 1:1 im Waldstadion verfolgt, das später nach Buchmanns größtem Fan in Bürstadt benannt wurde: VfR-Mäzen Robert Kölsch. „Uli Hoeneß grüßt mich heute noch, wenn er mich sieht“, merkte Buchmann 2014 mit dem für ihn typischen verschmitzten Lächeln an.

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Dem VfR hinterließ der dreifache Familienvater nicht nur ein sportliches Erbe. Tochter Monika und ihr Mann Ernst Dexler engagierten sich über viele Jahre beim Traditionsverein. Auch die Enkel Sven und Björn Dexler spielten für den VfR. Sven führte die Schwarz-Weißen später wie einst sein berühmter Großvater als Kapitän aufs Feld.

Insgesamt 27 Trainerstationen durchlief Buchmann, der auch den Karlsruher SC, Rot-Weiss Essen und den Linzer ASK betreute. Das Besondere: Selbst lange nach dem Ende seiner Tätigkeit im Profigeschäft machte er einfach weiter - sogar in der Kreisliga. „Für mich gibt es kein kalendarisches, sondern nur ein biologisches Alter“, war der Leitspruch des Mannes, der für seinen autoritären Führungsstil gleichermaßen gefürchtet wie respektiert war. „Die Spieler wussten unter ihm, wo es langgeht. Sehr viele schwärmen aber bis heute noch von ihm“, sagt VfR-Präsident Klaus Gassert.

Buchmann hat Trainerkarriere nie offiziell beendet

Noch in der Saison 2013/14 trainierte Buchmann den damaligen Sechstligisten FC 07 Bensheim. Sein Name zog nach wie vor: Zum Verbandsliga-Derby zwischen den Bensheimern und „seinem“ VfR kamen im August 2013 mehr als 900 Zuschauer ins Robert-Kölsch-Stadion. Sogar der Hessische Rundfunk schickte ein Kamerateam vorbei und lud den 77-Jährigen wenig später in seine Fußballshow „Heimspiel“ ein.

Auch nach der Station in Bensheim blieb Buchmann dem Fußball erhalten. Auf dem Trainingsplatz des SV Darmstadt 98, der erst 2015 in die Bundesliga zurückkehrte, war er immer wieder zu Gast. Dirk Schuster und Ramon Berndroth hörten gespannt zu, wenn Buchmann erzählte. Wobei auch der Altmeister mit über 80 Jahren noch dazulernen wollte: „Ich beobachte, ob sie etwas besser machen als ich früher.“

Seine Trainerkarriere hat Buchmann nie offiziell beendet. Und selbst wenn er es getan hätte: Niemanden in Bürstadt hätte es überrascht, wenn er nicht doch irgendwo spontan eingesprungen wäre.

Seinen letzten öffentlichen Auftritt hatte Buchmann Ende September beim Nostalgieabend des VfR. Dort glänzte er laut Vereinschef Gassert mit einem „beeindruckenden Erinnerungsvermögen“. Der Club kommentierte den Tod seines Idols in den sozialen Netzwerken kurz, aber treffend: „Wir trauern um eine Legende.“ Für das Heimspiel des VfR gegen den ISC Fürth am Sonntag (15 Uhr) kündigte Gassert eine Schweigeminute an: „Lothar Buchmann bleibt unvergessen.“

Freier Autor Geboren in Viernheim, aufgewachsen in Bürstadt. Freier Mitarbeiter seit 2009

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