Bürstadt. Wer wissen will, wie Bürstadts neuer Bürgermeister tickt, muss viel Geduld mitbringen. Denn bei der Vereidigung von Boris Wenz (SPD) am Freitagabend wird zunächst einmal seine Vorgängerin Bärbel Schader (CDU) in den Ruhestand geschickt - und von den vielen Rednern wortreich verabschiedet. In den höchsten Tönen werden ihre Verdienste gelobt, selbst von Wenz eigener Fraktion. Über Boris Wenz sprechen erst ganz am Ende zwei, die es wissen müssen: seine Kinder.
Ihren Papa beschreiben Saskia Leipert und Christoph Wenz als einen, auf den sie sich immer verlassen können. „Er ist einer, der Tränen trocknet und zu trösten versteht“, meint seine Tochter. Der Blick in die Stadtkasse könne einem ja auch zum Weinen bringen, erklärt sie augenzwinkernd. „Du bist jemand, auf den man zählen kann, du bist immer ehrlich und sprichst Probleme an“, sagt sein Sohn. Vor allem aber wisse Boris Wenz immer eine Lösung - und diese Fähigkeit sei unschlagbar in seiner neuen Position als Rathauschef.
Wenn die Tochter dem Vater den Rathausschlüssel entreißt
Dass der 52-Jährige nicht zögert, wenn er gebraucht wird, und spontan reagiert, weiß auch Steffen Schweiker. Der Vorsitzende der Bürstädter Vereins-AG kennt den neuen Bürgermeister gut, schließlich arbeitet er mit dessen Tochter Saskia Leipert eng zusammen. Sie ist die Präsidentin der Vereins-AG. „Boris hat es gemacht wie ich: Als Zugezogener muss man in die Vereine gehen, um anerkannt zu werden.“ Als Abteilungsleiter der Redskins, im Skatclub und nicht zuletzt im Ortsverein der SPD sowie mit seinem Hüpfburgen- und Eventtechnik-Verleih bringe sich Wenz in Bürstadt ein. Und als beim Fastnachtsumzug Anfang März ein Sicherheitsposten ausfiel und Saskia ihren Papa anrief, sei der sofort gekommen. „Mitten im Wahlkampf lief er zwei Stunden neben unserem Wagen her“, sagt Schweiker voller Anerkennung.
Der Rathaussturm am 12. Februar 2026 werde der außergewöhnlichste aller Zeiten, verspricht Schweiker und lädt als Ober-Fastnachter die Gäste direkt ein: „Das wird ein Novum, das es in Bürstadt, in Hessen und - Donald Trump würde sagen: ,weltweit‘ - noch nicht gegeben hat. Unsere Präsidentin (Tochter) wird dem neuen Stadtoberhaupt (Vater) den Rathausschlüssel entreißen!“ Da lacht der ganze Saal. Schweiker hat dafür auch gleich die passende Schlagzeile parat: „Tochter folgt auf Vater im Amt“ werde es heißen. Nur das Datum lasse er bewusst offen, meint Schweiker grinsend.
Wenz ruft zur Geschlossenheit und gegen Extremismus auf
Die großen Fußstapfen, die Schader hinterlässt, spricht selbst ihr Nachfolger an. Doch Boris Wenz betont: „Ich will sie nicht kopieren, sondern meinen eigenen Weg gehen.“ Wie sie werde aber auch er „stets den Blick nach vorn richten“ und ihrem Motto treu bleiben: „Es ist für Bürstadt.“ Kämpferisch ruft der neue Rathauschef die Stadtverordneten zur Geschlossenheit auf: „Wir müssen den Schulterschluss zeigen. Bürstadt hat keinen Platz für Extremisten - ob von links oder von rechts!“
Als Bärbel Schader ihm die Amtskette anlegt, muss sie anerkennen: „Bei ihm liegt sie besser auf den Schultern als bei mir.“ Für den Übergang haben beide eng zusammengearbeitet, von Differenzen wegen der verschiedenen Parteien keine Spur. Seit seiner Wahl vor drei Monaten hat er sie zu zig Sitzungen begleitet, sogar nach Wiesbaden, wo es einmal mehr um Zuschüsse für Bürstadt ging. „Jetzt ist alles vorbereitet. Das Zimmer ist leer, das Auto geputzt“, sagt sie, der ganze Saal lacht. Und zu seiner Frau Carmen meint Bärbel Schader: „Es brechen andere Zeiten an, Sie können sich gern mit meinem Mann austauschen.“ Es klingt heiter, steckt aber Wahrheit drin.
Am Dienstag folgt die Schlüsselübergabe. Die Erwartungen an ihn sind hoch, weiß Landrat Christian Engelhardt (CDU). Bei den Bürgern gebe es „keinen Welpenschutz in den ersten 100 Tagen im Amt“. Sogar die neuen Mitarbeiter verlangen schon jetzt von ihm „Mut zur Führung“, so Alexandra Götz vom Personalrat. Wenz wird immerhin Chef einer Mannschaft mit 280 Personen.
Saskia Leiperts kleine Tochter lässt sich von all den Ansprachen nicht die Laune verderben. In aller Ruhe breitet das Enkelkind des neuen Bürgermeisters Taschentücher vor der Bühne aus und legt die Spielsachen darauf. Das erheitert auch das Ehepaar Schader. Übrigens muss keiner Angst haben, der 64-Jährigen könne es langweilig werden. Schon diese Woche war sie als neues Verwaltungsratsmitglied der Großpfarrei Alfred Delp mit Pfarrer Rauch in Mainz. Beeindruckt erzählt er, mit welchem Nachdruck sie sich beim Bistum dafür eingesetzt habe, dass die Caritas an Stelle von Mariä Verkündigung in Lampertheim ein neues Altenheim bauen kann. Auch als Beraterin, Coach oder Rednerin liegen ihr schon Anfragen vor.
Wenz wird sich ab Dienstag einarbeiten. Für liebevolle Deko im neuen Büro haben seine Kinder schon gesorgt und ein Schild drucken lassen, auf dem steht: „Wir haben dich lieb.“
Bürgermeisterwahl am 9. März: Boris Wenz wird neuer Rathauschef
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/buerstadt_artikel,-buerstadt-emotionaler-wechsel-im-buerstaedter-rathaus-_arid,2313111.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/buerstadt.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/orte/buerstadt_artikel,-buerstadt-wird-buerstadt-doch-zur-schaderstadt-_arid,2312578.html
[3] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/orte/buerstadt_artikel,-buerstadt-boris-wenz-wird-buerstadts-neuer-rathauschef-_arid,2290445.html