Bürstadt. Etliche Bürstädter verfolgen am Sonntagabend den Krimi im Bürgerhaus Bürstadt und verzichten auf den „Tatort“ im Ersten. Die Entscheidung der Bürgermeisterwahl ist viel spannender. Bis zum letzten Wahlbezirk verfolgen die Gäste nervös die Präsentation auf der Leinwand und wer die Nase vorn hat. Auf den 15. und damit letzten Wahlbezirk kommt es an, ob in drei Wochen die Stichwahl ansteht. Als erlösende Jubelschreie aus den Reihen der SPD ertönen, ist klar: Boris Wenz wird neuer Bürgermeister.
Mit 50,06 Prozent der Stimmen gewinnt der 52-jährige SPD-Mann die Direktwahl. Herausforderer Michael Heidrich, der der CDU angehört, aber als Unabhängiger angetreten ist, kommt auf 44,34 Prozent, FDP-Bewerber Werner Kruck erreicht am Ende 5,6 Prozent. „Boris! Boris! Boris!“, rufen die Anhänger von Wenz immer wieder. SPD-Urgestein Werner Klag hat Tränen in den Augen. „Ich bin seit Jahrzehnten in der Politik aktiv - immer unter CDU-Bürgermeistern. Was das für mich bedeutet, kann ich kaum in Worte fassen“, bekennt er. SPD-Fraktionschef Lothar Ohl meint, während der Auszählung noch einen Herzinfarkt zu bekommen. Und der Sieger? Schenkt allen ein strahlendes Lächeln, nimmt Glückwünsche entgegen und ist selbst sprachlos, dass es im ersten Anlauf geklappt hat.
Briefwähler lassen Wenz‘ Vorsprung schmelzen
Denn Wenz hat von Anfang an die Nase vorn. „Das ist wahnsinnig“, sagt er noch nach drei ausgezählten Wahlbezirken - und nachdem er sogar in Riedrode klar gewonnen hat, obwohl der Ortsteil als CDU-Hochburg gilt. Wenz hält seine kleine Enkeltochter fest im Arm und schaut auf die Ergebnisse, die tröpfchenweise hereinkommen. Dort sieht er, dass sein Herausforderer Michael Heidrich nur bei zwei von 15 Wahlbezirken auf mehr Stimmen kommt. Am Ende geht es nur noch darum, ob Wenz über 50 Prozent bleibt und damit die absolute Mehrheit behält.
Am Ende geben 0,06 Prozent der Stimmen den Ausschlag, und der neue Rathauschef steht fest. „Das ist Demokratie“, meint Bärbel Schader (CDU) achselzuckend. Die amtierende Bürgermeisterin gratuliert ihrem direkt gewählten Nachfolger und wünscht sich „einen fließenden Übergang“. Einige Monate sind dafür noch Zeit. Am 30. Juni übergibt die dann 64-Jährige Boris Wenz die Schlüssel - dem ersten SPD-Bürgermeister seit dem Krieg. Landrat Christian Engelhardt (CDU) gesteht, nicht schon jetzt mit einer Entscheidung gerechnet zu haben - er war von einer Stichwahl in drei Wochen ausgegangen.
Heidrich braucht Zeit, um das zu verdauen
Groß ist die Enttäuschung bei Michael Heidrich. Ob es daran lag, dass er verspätet in den Wahlkampf gestartet war, weil CDU-Kandidat Jürgen Eberle erst Ende November seine Bewerbung zurückgezogen hatte, will er am Wahlabend nicht erörtern. Dankbar ist er für den fairen Wahlkampf. „Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass es anders ausgeht.“ Nun brauche er einige Tage, um das zu verdauen, sagt er niedergeschlagen. Dass Heidrich einen schwierigen Start hatte, gibt auch CDU-Fraktionschef Levin Held zu. „Aber wir sind stolz, wie er den Wahlkampf gemacht hat und wie viele Leute er für sich gewinnen konnte“, sagt der 32-Jährige.
Werner Kruck scheint aufzuatmen, als das Ergebnis feststeht. „Ich habe mehrere hundert Stunden investiert und hatte auch einige schlaflose Nächte. Jetzt wird es wieder ruhiger.“ Er könne die vergangenen Wochen als wertvolle Erfahrung verbuchen und habe viele neue Leute kennengelernt sowie spannende Gespräche geführt dank seiner Kandidatur. Dafür sei er dankbar. Nun lasse die Anspannung nach, die er schon seit Tagen spüre. Den Sonntag hatte er noch für einen ausgiebigen Spaziergang in der Sonne genutzt.
Boris Wenz wollte sich offensichtlich am Wahlsonntag nicht aus der Ruhe bringen lassen. „Ich habe Skat gespielt wie jeden Sonntag und danach daheim alles vorbereitet für die Wahlparty.“ Dass diese zu einem rauschenden Fest werden würde, konnte er da noch nicht ahnen. Wie sein Herausforderer Michael Heidrich war der 52-Jährige von einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit Stichwahl in drei Wochen ausgegangen. Nun kann er die Korken knallen lassen. Im Bürgerhaus wirkt die Gruppe aus Sozialdemokraten und Familie ausgelassen und euphorisch - aber auch etwas überrascht über den Ausgang. Ähnlich übrigens wie die vielen Rathausmitarbeiter, von denen einige bekennen: „Damit hätte ich nicht gerechnet.“
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