Waldspaziergang

Die Eiche als Hoffnungsträger zwischen Ried und Viernheim

Dem Forst in der Region macht der Klimawandel mächtig zu schaffen. Die Experten vom Forstamt arbeiten daran, ihn zu verjüngen und so für nachfolgende Generationen zu erhalten. Ein Rundgang mit Forstamtsleiter Steffen Hering

Von 
Sandra Bollmann
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Ein Prachtexemplar – aber auch schon in die Jahre gekommen: Solche hochgewachsenen Eichen gibt es immer seltener. © Berno Nix

Viernheim/Bürstadt. Ziemlich kläglich sieht er aus, der Wald rund um Bürstadt. Sogar da, wo er ganz und gar sich selbst überlassen ist. Große Lücken klaffen im Gehölz, heiße Sommer, Pilzkrankheiten und Schädlinge haben den Bäumen ordentlich zugesetzt. Es gibt allerdings einen Ort, da geht Forstamtsleiter Steffen Hering das Herz auf: Auf vier Hektar wachsen junge Eichen, die sämtliche Wetterkapriolen bislang ausgezeichnet überstanden haben. „Sie stehen sensationell gut da“, freut er sich. Und wiederholt gleich noch einmal: „Sensationell!“

Steffen Hering mit Sandra Bollmann beim Waldrundgang. © Berno Nix

Die Bäumchen gedeihen so prächtig auf einer Versuchsfläche zwischen Lampertheim und Viernheim. Vier Hektar haben die Forstleute gerodet, Wurzelstöcke und Bodenfilz entfernt und einen eher unschönen, nackten Acker hinterlassen. Das hat sich als gut erwiesen: Obwohl die Schonung in den Dürrejahren 2018 und 2019 angelegt wurde, gibt es kaum Ausfälle. Vier Meter haben die eigentlich langsam wachsenden Eichen bereits an Höhe zugelegt - egal ob gesät oder mit dem Erdbohrer gepflanzt. Mit dem Weinbergschlepper sorgen die Forstarbeiter dafür, dass sich keine Konkurrenz ausbreiten kann. „Jeder tropfen Wasser gelangt in den Boden“, stellt Hering fest. Und auch die Maikäferlarven gehen leer aus: Sie ernähren sich im Anfangsstadium gerne von zarten Graswurzeln.

Kiefernwald zeigt deutliche Auflösungserscheinungen

Der Abstecher nach Viernheim ist der - überraschend positive - Endpunkt einer ansonsten eher ernüchternden Rundfahrt. Der Kiefernwald bei Bürstadt und Lampertheim zeigt deutliche Auflösungserscheinungen. Nach den trockenen und heißen Sommern hat der Diplodia-Pilz viele Kiefern zum Absterben gebracht. Nach umfangreichen Fällarbeiten überragen oft nur noch einzelne alte Stämme den Wald. Die Traubenkirsche breitet sich aus, genauso wie die Kermesbeere mit ihren leuchtend lila Früchten.

Was es hier im Überfluss gibt, ist Totholz. Und der Anteil steigt stetig an, berichtet der Forstamtsleiter. Vor allem in den sogenannten Kernflächen ist das deutlich zu sehen. Auf Bürstädter Gemarkung sind das 450 Hektar Staatswald zwischen Riedrode und Boxheimerhof, auf denen keinerlei Bewirtschaftung mehr stattfindet. „Die Waldwege werden freigehalten, schon allein aus Brandschutzgründen“, erläutert Hering. „Ansonsten passiert hier nichts.“

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Mit seinem kleinen Geländewagen hält er direkt vor einem Waldstück, in dem es auch zum Jahreswechsel ziemlich verwunschen aussieht: Der Boden ist zugewuchert mit Gras und Moos, abgestorbene Äste und Stämme liegen kreuz und quer. Es gibt ein bisschen kahles Buschwerk und im Hintergrund einige hohe Kiefern. Romantik kommt beim Forstamtschef allerdings keine auf: Die kleinen Sträucher sind mal wieder Traubenkirschen - und die Kiefern durchweg von dicken Mistelbüschen befallen. „Sehen Sie? Jede einzelne Krone ist betroffen.“

Die Mistel ist vor allem zur Weihnachtszeit einigermaßen beliebt. Dennoch ist sie ein Parasit. „Als ein Faktor von vielen kann sie eine Kiefer zum Absterben bringen.“ Und Faktoren, die die Bäume schädigen, gibt es jede Menge - vom niedrigen Grundwasserstand über Dürresommer bis zum Maikäferbefall. „Wir sehen genau, was mit unserem Wald passiert, wenn wir ihn sich selbst überlassen“, stellt Hering klar. Er ist sich sicher: Ohne Hilfe von Menschenhand sieht die Zukunft für den Forst düster aus - zumindest hier in der Rheinebene, mit Sommern, die sich sehr nach Italien anfühlen.

Also setzen die Förster auf Neupflanzungen, und die sind im vergangenen Jahr prächtig gediehen: Bis in den Hochsommer hinein hat es ausgiebig geregnet. „Es gab null Ausfälle“, kann Hering berichten. „Für die Verjüngung war das Wetter ein Segen.“ Allerdings starben in den trockenen Jahren davor bis zu 90 Prozent der neuen Setzlinge ab. Und mit dem Klimawandel drohen noch heftigere Wetterextreme, wie Experten vorhersagen.

Misteln sind hübsch, aber dennoch ungeliebte Parasiten. © Sandra Bollmann

Trotzdem kommt Aufgeben für ihn nicht in Frage. Hering will den „echten“ Wald auf jeden Fall für die nächsten Generationen erhalten - weil er einfach schön ist. Und natürlich, weil er Sauerstoff liefert, das klimaschädliche CO2 bindet und Lebensraum für Tiere und Pflanzen bietet. Weil es hier in heißen Sommern bis zu vier Grad kühler ist und sich tief im Erdreich neues Grundwasser bildet - Gründe fallen ihm unzählige ein.

In diesem Frühjahr wird es dennoch kaum neue Schonungen geben: Die Maikäfer bereiten sich darauf vor, im nächsten Jahr auszufliegen. Das bedeutet, sie fressen noch mehr als zwölf Monate alles, was ihnen vor die Kauwerkzeuge kommt. Und besonders schmackhaft sind feine, junge Baumwurzeln. Deshalb warten die Forstleute lieber noch ein Jahr, bis die ausgewachsenen Maikäfer ausgeflogen sind.

Maikäfer machen sich bereit fürs nächste Flugjahr

Auf dem Weg nach Viernheim liegen zahlreiche Neupflanzungen, die immer wieder Lücken aufweisen: „Fehlstellen durch Maikäfer“, erläutert der Fachmann. Und wir passieren Bereiche, in denen so wenig Bäume übrig geblieben sind, dass der Wald seine Funktionen gar nicht mehr erfüllen kann. „Traubenkirschenmacchia“, sagt Hering und schüttelt den Kopf. Aber immerhin: Es ist grün, der Boden bleibt kühl, die Waldbrandgefahr wird nicht noch weiter angeheizt. Einen gewissen Nutzen haben also auch die Einwanderer aus Nordamerika. Dennoch: Auch hier stehe irgendwann eine Neupflanzung an.

Was an dieser Stelle künftig wachsen wird, ist noch offen. Der Baum, der dem Klimawandel auf jeden Fall gewachsen ist, ist noch nicht gefunden. Die prächtige Eichenschonung macht allerdings Hoffnung, aber auch Kiefer, Hainbuche und Spitzahorn zeigen sich widerstandsfähig. Zitterpappeln und Esskastanien räumt Hering ebenfalls ganz gute Chancen ein. Seinen Revierförstern rät er, zu experimentieren, was nur geht. „Vielleicht erweist sich ein Baum, der bisher einfach nur mitgewachsen ist, als großer Gewinner.“

Begeistert ist er nach wie vor von den jungen Eichen. „Sensationell!“, sagt er noch einmal. Auch bei der Tierwelt ist die Schonung beliebt: So hat sich ein Ziegenmelker hier sein Nest eingerichtet, die seltenen Vögel lieben offene Sandflächen.

Wie es allerdings in 30 Jahren um die Pflänzchen steht, ist nicht abzusehen. Ob sie dem Klimawandel trotzen können? Diese Frage kann Hering nicht beantworten. Fest steht nur: Im Frühjahr 2026 wird nach Kräften gepflanzt. Und es gibt viel zu tun.

Redaktion Redakteurin "Südhessen Morgen", Schwerpunkt Bürstadt

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