Bürstadt/Biblis/Groß-Rohrheim. Martin Müller ist stocksauer. „Wir haben dieses Jahr keine Azubis, weil es keine Bewerber und keine Plätze gibt“, erklärt er. „Das haben wir der Corona-Pandemie zu verdanken.“ Sonst hatte der Bibliser Busunternehmer jedes Jahr zwei Lehrlinge, die er zum Reiseverkehrs- und Bürokaufmann ausgebildet hat. „Ich glaube, dass aufgrund der Pandemie bei den Jugendlichen eine gewisse Lethargie aufgekommen ist. Berufsvorbereitung hat so gut wie nicht stattgefunden. Es habe keinerlei Ausbildungsmessen oder Ähnliches gegeben. „Um Ältere zu schützen, opfern wir die Jungen.“
Die Kinder verlören nicht nur ein ganzes Schuljahr, sondern auch Sozialkompetenz. „Ich weiß nicht, wie man das noch auffangen möchte“, sagt er auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel. Das Problem sei ja nicht nur, Azubis zu kriegen, sondern auch sie zu halten. „Wir hatten zwei Lehrlinge, die ausgelernt hatten, um sich dann etwas anderes bei der Gemeinde zu suchen“, erzählt Müller.
Die schlechte Ausbildungslage hat sich seit Beginn der Corona-Pandemie in vielen Firmen deutlich verschärft. Daten des Statistischen Bundesamts belegen, dass die Zahl der Ausbildungsverträge 2020 auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung gesunken ist. Für das Jahr 2021 zeichnen Experten gar ein noch düstereres Bild.
So wie Martin Müller geht es auch anderen Ausbildungsbetrieben in Bürstadt, Biblis und Groß-Rohrheim. Viele kämpfen mit ähnlichen Problemen. So bilden Farben Kissel in Biblis und Platten Noll in Bürstadt derzeit nicht mehr aus. „Wir hatten immer einen Azubi, aber die Corona-Situation lässt es momentan leider nicht zu“, sagt Belinda Arnold, Bürokraft bei Farben Kissel. Im vergangenen Jahr habe der letzte Lehrling seine Ausbildung abgeschlossen. Arnold ist aber guten Mutes, dass sich die Situation wieder ändert.
Konkurrenz durch große Konzerne
Bei einigen Unternehmen kommen noch weitere Schwierigkeiten hinzu. So gibt es in kleineren Betrieben aufgrund der Personalstruktur häufig keine Kapazitäten für die Ausbildung. Vielen fehlen auch einfach die richtigen Kandidaten oder es gibt zu wenig Bewerbungen.
„Die Konkurrenz im Umkreis ist durch Arbeitgeber wie die BASF oder andere größere Firmen stark“, erklärt Annika Ohl, Personalsachbearbeiterin bei Furniture. Das Bürstädter Unternehmen beschäftigt nach eigenen Angaben mehr als 300 Mitarbeiter und stellt vor allem Küchen- und Kleiderschränke her. Annika Ohl kennt das Problem der sinkenden Bewerbungen. So gab es im Jahr 2020 keinen Azubi, in diesem Jahr fängt nun wieder ein Lehrling als Elektroniker an.
Die Firma Gärten von Gärtner in Bürstadt hat einen Ausbildungsplatz zum Landschaftsgärtner besetzt, zwei sind noch offen. Doch es gibt auch andere Beispiele: Bei Otto Cosmetic in Groß-Rohrheim habe es sehr viele Anfragen gegeben. Alle Plätze, darunter Stellen zum Industriemechaniker oder Fachkraft für Lagerlogistik seien besetzt. Sogar aus der durch Corona stark gebeutelten Gastronomie kommen Hoffnungsschimmer. Im Back- und Brauhaus Drayß in Bürstadt ist seit 2020 ein Koch in Ausbildung.
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