Gesundheit

Bürstädter Ärztin: Körperliche und psychische Probleme setzen Kindern zu

Die Bürstädter Kinderärztin Daniela Klee fordert eine bessere Versorgung mit Jugendpsychologen und Therapeuten, aber auch mit Klinik- und Reha-Plätzen. Was jungen Menschen sonst noch helfen könnte

Von 
Sandra Bollmann
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Ein Schulkind hüpft mit einem Ball zwischen den Beinen. Kinder brauchen nach der Pandemie dringend mehr Bewegung, sagt die Bürstädter Kinderärztin Daniela Klee. © dpa

Bürstadt. Weg mit den Masken, rausgehen, feiern - eigentlich könnte das Leben wieder genauso entspannt sein wie vor der Pandemie. Dennoch hat Corona deutliche Spuren hinterlassen, viele junge Menschen leiden nach wie vor unter körperlichen und psychischen Problemen. Das berichtet die Bürstädter Kinderärztin Daniela Klee (kleines Bild) im Gespräch mit unserer Redaktion.

Zwar steigen die Infektionszahlen gerade wieder an: „Corona wütet“, macht die Medizinerin deutlich. In ihrer Praxis hat sie aber auch mit vielen anderen Krankheiten zu tun, von Grippe bis zu RSV-Infektionen, die gerade bei den Kleinsten eine gefährliche Bronchitis auslösen können. Klee bleibt gelassen - „ein ganz normaler Winter“, findet sie. Inzwischen ist der Coronavirus nichts Außergewöhnliches mehr, wer fit ist und keine schweren Symptome hat, darf auch wieder in die Schule gehen. Die Pandemie gilt als beendet.

Jedes sechste Kind betroffen

Und trotzdem leiden besonders junge Menschen an den Folgen. Fast zwei Jahre lang war Zuhause bleiben das Gebot der Stunde. Schulschließungen, Kitas zu, kein Sportunterricht, kaum soziale Kontakte - das alles wirkt noch heftig nach, wie Daniela Klee deutlich macht. „Jedes sechste Kind hat extrem zugenommen“, führt sie Studien an. „Vor allem bei den ohnehin übergewichtigen Kindern hat Corona noch eins draufgesetzt.“ Und wer als junger Mensch schon viel zu viel wiegt, kriegt die Pfunde als Erwachsener kaum wieder los, zeige die Statistik.

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Das übermäßige Gewicht kann eine ganze Reihe an schweren gesundheitlichen Problemen verursachen, warnt die Kinderärztin: Das Risiko für Typ-II-Diabetes steigt an, genauso wie für Herzinfarkt, Bluthochdruck und Fettleber. Symptome - oder zumindest Vorstufen davon - entdeckt sie auch bei ihren jungen Patienten. Viele junge Menschen fühlen sich nicht mehr wohl in ihrer Haut, davon ist sie überzeugt. Geht es dem Körper nicht gut, leide auch die Seele - und umgekehrt. Auch hier kann die Medizinerin auf eindeutige Studienergebnisse zurückgreifen: „Ein Drittel der Kinder und Jugendlichen hatte im Jahr 2022 psychische Probleme“, berichtet sie. Vor allem die Mädchen haben mit Essstörungen zu kämpfen - rund 50 Prozent mehr als vor der Pandemie. „Das merken wir sehr in der Praxis“, kann Klee nur bestätigen. Dazu kommen Panikattacken und Schulangst, depressive Episoden und Wutausbrüche: Im Unterricht verhält sich das Kind wie immer, zu Hause geht es dann richtig rund. „Familien gelangen an ihre Belastungsgrenzen“, berichtet Klee. „In die Praxis kommen sie oft erst, wenn die Situation total eskaliert.“

Burn out droht

Auch bei Erziehungsfragen steht die Ärztin Eltern und Kinder mit Rat und Unterstützung zur Seite - für sie eine Selbstverständlichkeit. Aber häufig brauchen ihre jungen Patienten weitaus mehr Unterstützung, einen Therapieplatz oder in schwereren Fällen einen stationären Klinikaufenthalt. „Die Wartezeit beträgt allerdings bis zu einem Jahr“, weiß die Ärztin - und das macht ihr große Sorgen. „In diesem Bereich müsste viel mehr investiert werden“, fordert sie. Ihrer Ansicht nach müsste es viel mehr Jugendpsychologen und Therapeuten, aber auch Klinik- und Reha-Plätze geben.

Daniela Klee. © Praxis Daniela Klee (privat)

„Wenn wir den Kindern helfen, können sie sich auch zu gesunden Erwachsenen entwickeln.“ Werden Probleme der Jungen und Mädchen nicht weiter behandelt, könnten sie sich weiter verstärken und zu gravierenden Störungen führen. „Die jungen Menschen sollen schließlich mal ihr Leben meistern und einen Beruf ausüben.“ Mit einem ständig drohenden Burn-out beispielsweise sei das kaum zu schaffen.

Mehr Schulpsychologen würden ebenfalls dringend gebraucht, findet Daniela Klee. Aber viel mehr Angebote in Sachen Bewegung und gesunder Ernährung. Rausgehen, Freunde treffen, Spaß haben - was dem Körper guttut, kann auch der Seele helfen.

Vertrauen und Verantwortung

Auch hier liefert die Statistik eindrucksvolle Zahlen: Vor Corona haben sich nur acht Prozent der Kinder zu wenig bewegt, während der Pandemie waren es dagegen 60 Prozent. Inzwischen haben noch ein Drittel der Jungen und Mädchen ein Defizit in Sachen Bewegung.

„Die Inaktivität ist geblieben“, stellt die Kinderärztin fest. Zwei mal eine ganze Stunde Sport pro Woche gilt für die Weltgesundheitsorganisation WHO als Mindestmaß, berichtet sie. Das werde oft nicht einmal mit dem Schulsport abgedeckt.

Zusätzliche Angebote hält sie für unerlässlich - am besten als AG direkt an der Schule, so dass alle Kinder unabhängig vom Elternhaus mitmachen können. Und unbedingt ohne Noten. „Schlechte Bewertungen im Sport machen schnell traurig“, weiß die Medizinerin. „Bewegung muss Spaß machen, sonst gehen die Kinder nicht mehr hin.“

Freunde treffen, mit anderen Kindern spielen, kicken, radfahren, einfach rausgehen ohne Aufsicht und ohne Betreuung, das sei für Kinder und Jugendliche immens wichtig. Deshalb legt Daniela Klee den Eltern auch ans Herz, ihren Kindern etwas zuzutrauen und Verantwortung und Selbstständigkeit durchaus einzufordern. „Das ist für Väter und Mütter oft schwierig“, weiß Daniela Klee. „Aber die Kinder wachsen dann über sich hinaus.“ (Bild: Berno Nix)

Redaktion Redakteurin "Südhessen Morgen", Schwerpunkt Bürstadt

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