Interview

Bürstadts Bürgermeisterin: „Ich hatte eine Vision und konnte sie umsetzen“

Bürstadts Bürgermeisterin Bärbel Schader gibt Ende Juni ihr Amt ab. Die restlichen 20 Wochen will sie den Turbo zünden. Was sie noch vorhat, was sie frustriert und worauf sie stolz ist.

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Corinna Busalt
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Bürgermeisterin Bärbel Schader hört nach zwei Amtszeiten auf und will bis dahin noch einige Weichen stellen. © Berno Nix

Bürstadt. Bärbel Schader hat in zwölf Jahren Amtszeit 29 Millionen Euro an Zuschüssen verbaut. Das macht ihr so schnell keiner nach. Gerade träumt sie von einer Konzerthalle in Bürstadt und hofft noch auf weitere Förderbescheide: „So ein paar Bonbons, bevor ich dann aufhöre – mit einem guten Gefühl.“

Frau Schader, noch knapp fünf Monate bis zum Ende Ihrer Amtszeit. Reicht Ihnen das?

Bärbel Schader: Die Zeit läuft. Zuerst muss jetzt der Haushalt verabschiedet und genehmigt werden. Ich freue mich natürlich auf die Einweihung des neuen Kindergartens auf dem Bildungs- und Sportcampus im April. Wir brauchen dringend weitere Betreuungsplätze, im März soll die Kita Kunterbunt in die Container auf dem Freizeitkickergelände ziehen, wo Platz für eine weitere Gruppe ist. Damit wird auch das Bürgerhaus Riedrode frei für die Vereine im Stadtteil. Und in Bobstadt wird die Sporthalle fertig, dann kann die TG ihr 100-jähriges Bestehen feiern. Auch die Umgestaltung der Passage in der Innenstadt mit Begrünung wird noch im Frühjahr umgesetzt.

Die Passage ist mit dem Marktplatz erst zu Beginn Ihrer Amtszeit neu angelegt worden.

Schader: Das ist elf Jahre her, und durch den Klimawandel und die Erwärmung der Städte müssen wir mehr auf Grünflächen und Beschattung achten. Dafür gibt‘s Zuschüsse, die setzen wir ein. Im Mai feiern wir Einweihung und veranstalten eine Woche „Bring Leben in die Stadt“.

Geht die Umgestaltung so schnell?

Schader: Das sieht mein Turbo so vor (lacht). Denn dann feiern wir auch ein Jahr MITtendrin und das Stadtfest.

Gibt es auch etwas, was Sie frustriert, weil es nicht vorangeht?

Schader: Oli. Das bereitet mir wirklich Sorgen. Ich war so dankbar, als wir die Fläche endlich kaufen konnten, um sie zu entwickeln. Es fehlt das Sanierungskonzept des Landes. Dort soll ein Wohnraummix nach unserem Wohnraumentwicklungskonzept entstehen.

Wegen der Schadstoffe im Boden.

Schader: Richtig, PFAS. Ich werde noch Gespräche führen, um zu erfahren, was wir überhaupt realisieren können. Da sind das Regierungspräsidium, Umwelt- und das Finanzministerium mit im Boot.

MIt Bauhelm: beim Spatenstich für die alla hopp!-Anlage vor zehn Jahren. © Berno Nix

Später wird sich Ihr Nachfolger damit beschäftigen müssen.

Schader: Der neue Bürgermeister braucht nach dem Wechsel erst einmal Zeit, sich einzuarbeiten. Deshalb: Was ich noch erledigen kann, würde ich gerne auf den Weg bringen. Weichen stellen will ich auch, was die Verhandlung mit dem Kreis über die Sanierung der Wasserwerkhalle angeht – oder einen Neubau.

Was treibt Sie noch um?

Schader: Zentrale Herausforderung ist es, Wohnraum zu schaffen. Aber Kommunen können immer weniger gestalten.

Sie reden nicht nur vom mangelnden finanziellen Spielraum.

Schader: Als ich angefangen habe, galt Bürstadt als finanzschwache Kommune. Das lag an der geringen Gewerbesteuer: 2,8 Millionen Euro – 2023 waren es dann über 10 Millionen. Es hatte aber auch Vorteile.

Welche?

Schader: Wenn es Förderprogramme gab, hieß es: Finanzschwache Kommunen erhalten 90 Prozent Zuschuss. Die haben wir bekommen, dann aber auch die Gewerbesteuer sukzessive erhöhen können: mit der Erweiterung von Furniture und dem vorhandenen, stabilen Branchen-Mix. Mit dem Mittelfeld in Bobstadt geht das noch weiter.

Im September 2023 konnte Bärbel Schader den Bildungs- und Sportcampus einweihen - mit vielen Ehrengästen:der frühere Ministerpräsident Volker Bouffier ( v.l. ), Ministerpräsident Boris Rhein, Landtagsabgeordneter Alexander Bauer, Mäzen Dietmar Hopp und Landrat Christian Engelhardt. © Berno Nix

Mehr Arbeitsplätze bedeutet, mehr Wohnungen werden gebraucht.

Schader: Unser Wohnraumentwicklungskonzept enthält viel Potenzial. Gut ist deshalb, dass fürs Freizeitkickergelände ein Bebauungsplan aufgestellt wird. Genauso für die Gartenstraße.

In der Gartenstraße ist von einer neuen Freizeitfläche die Rede – als Ersatz für den Freizeitkicker.

Schader: Ja, in der Gartenstraße könnte die Bebauung ergänzt werden, das kann auch in die Höhe gehen, weil es Randlage ist. Sozialwohnungen wären gut platziert. Dahinter könnte ein Erholungsbereich entstehen, auf dem bei starkem Regen Wasser versickert, um die Kanalisation zu entlasten.

Und zum Fußballspielen?

Schader: Man muss überlegen, was gebraucht wird. Es gibt tolle Sachen wie Containerboxen mit Spielgeräten oder Skater-Anlagen. Auch ein Grillplatz und eine Toilette sind zu integrieren. Der Tennisclub wünscht sich eine Halle. Dann soll die Glücksbaumallee erweitert werden, indem weitere Bäume gepflanzt werden.

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Aber noch einmal zurück zum Freizeitkicker. Sie hätten dort die Obdachlosenunterkunft gebaut.

Schader: Die Politik hat sich für die Rodstücke entschieden. Natürlich kann sich das wieder ändern, der Beschluss fiel ganz knapp aus. Ich würde auf dem Freizeitkicker einen Schwerpunkt der Diakonie realisieren, mit Obdachlosenunterkunft und der Tafel, die dringend andere Räume braucht. Eine Stadt kann es sich heute nicht mehr erlauben, eine Wiese mit 30.000 Quadratmetern brachliegen zu lassen.

Der Beethovenplatz liegt auch brach. Die bhb will wegen der Altlasten im Boden dort kein Behindertenwohnheim bauen.

Schader: Stattdessen wäre Betreutes Wohnen möglich, der Bedarf ist riesig. Und es gibt Interessenten, die das realisieren wollen.

Seit 2013 Chefin im Rathaus



  • Bärbel Schader ist 62 Jahre alt und verheiratet mit Klaus Schader. Sie haben einen erwachsenen Sohn.
  • Nach dem Abitur in Gernsheim lernt sie Bankkauffrau und absolviert anschließend ein Studium zur Handelslehrerin. Als Oberstudienrätin unterrichtet sie Religion und Wirtschaft an der Karl-Kübel-Schule Bensheim.
  • Ehrenamtlich engagiert sich Schader viele Jahre in der Gemeinde St. Michael und bei den Pfadfindern sowie in der Politik . 1989 tritt sie in die CDU ein, von 1996 bis 2013 ist sie Stadtverordnete, ab 2006 zudem Stadtverordnetenvorsteherin . Im Juli 2013 wird sie Bürgermeisterin , 2019 wiedergewählt. Ihre Amtszeit endet am 30. Juni 2025.

Hat die Stadt Interesse am Kirchengelände von St. Peter?

Schader: Ich finde, die Stadt muss dieses Areal kaufen. Es gibt Zuschüsse dafür, weil es Bestandteil unseres integrierten Handlungskonzeptes ist.

Was passiert mit der Kirche?

Schader: Die muss erhalten bleiben. Der Raum bietet sich förmlich an für Veranstaltungen von Kita und Schule. Kürzlich haben die Chöre gesagt: „Für die Sportler hat sie alles gemacht, uns fehlt noch eine Konzerthalle!“ Das wäre perfekt! Und die Kita könnte Räume im Pfarrzentrum nutzen, um in Kooperation mit der Schule als Sprachkindergarten spezielle Förderung anzubieten. Dieses Konzept ist nicht nur wegen der Flüchtlinge sinnvoll, es gibt so viele Kinder mit großen Defiziten – auch ohne Migrationshintergrund.

Die Zeit bis Juli reicht Ihnen für all die Ideen nicht.

Schader: Nein, aber es ist auch schön, auf zwölf Jahre Stadtentwicklung zu schauen: der trostlose Marktplatz, die schlimme Situation am Bahnhof, das kleinteilige Sportgelände – ich hatte eine Vision und konnte diese umsetzen. Mit 29 Millionen Euro Städtebauförderung. Ich freue mich auch, dass wir einen der modernsten Wertstoffhöfe im Kreis bekommen. Die Zufahrtsstraße wird bald gebaut, genauso wie die ins neue Gewerbegebiet Mittelfeld.

Als Sie angefangen haben, hatte Bürstadt 22 Millionen Euro Schulden, jetzt sind es 33 Millionen.

Schader: Wir haben in der Niedrigzinsphase investiert und Förderprogramme genutzt. Manches sieht man auch weniger: Kläranlage, Kanalbau und Straßen. Früher wurden 750.000 Euro für den Straßenbau ausgegeben, wir haben fünf Millionen Euro eingeplant. Logisch, dass sich der Schuldenstand dann verändert. Wir konnten noch sehr gut Kredite aufnehmen, jetzt müssen wir uns zurückhalten – obwohl die ganzen städtischen Gebäude modernisiert werden müssen. Für die energetische Sanierung können wir immerhin Zuschüsse beantragen.

Das Bürgerhaus Bürstadt ist in die Jahre gekommen.

Schader: Allerdings. Es ist von 1981. Da würde ich mir ein Förderprogramm mit 90 Prozent Zuschuss wünschen wie bei der Bewegungskita. Wenn wir dann eine Machbarkeitsstudie haben, können wir ein Konzept direkt einreichen. Die Fristen für Anträge sind immer sehr kurz.

Über diese Fülle an Zuschüssen staunen etliche Ihrer Kollegen.

Schader: Gerade warten wir noch auf Förderbescheide. So ein paar Bonbons, bevor ich dann aufhöre – mit einem guten Gefühl.

Was wünschen Sie sich für einen Nachfolger?

Schader: Jemanden, der Liebe und Leidenschaft für diese Stadt mitbringt, der ihre Potenziale erkennt und sie mit dem Verwaltungsteam und der Politik weiter entwickelt. Es ist eine schöne Aufgabe, aber auch herausfordernd. Ich habe eben nicht nur verwaltet, sondern viel gestalten können. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich habe auch viel geschenkt bekommen. Dabei denke ich an den Kontakt zur Dietmar Hopp-Stiftung, die alla hopp!-Anlage und die Möglichkeiten, einen Campus zu schaffen, der bundesweit Beachtung findet.

Großer Moment: der Spatenstich für den Bildungs- und Sportcampus im September 2021. © Berno Nix

Wenn Sie zurückblicken: Ragt der Campus heraus?

Schader: Ich konnte meine Vision von einer gesunden Stadtentwicklung verwirklichen. Das Fach, das ich zuvor unterrichtet habe: Public Health. Die Menschen sollen gesund aufwachsen und alt werden können. Dazu gehören für mich auch Lebensqualität und sozialer Zusammenhalt.

Was braucht es in Ihrem Amt?

Schader: Ausdauer, Rückgrat und Hartnäckigkeit. Sich für Dinge zu engagieren, die man verändern kann, aber keine Energie zu investieren, wenn man es nicht ändern kann. Wenn die Politik keinen Beschluss fasst, bin ich machtlos. Ich kann nur mein eigenes Feld beackern. Manches muss man auch aushalten.

Spielte es eine Rolle, als Frau im Amt zu sein?

Schader: Man wird viel kritischer betrachtet und beurteilt als ein Mann. Ich habe aber auch hohe Ansprüche, einen Perfektionismus, der für andere anstrengend ist. Gleichzeitig sieht man als Frau das große Ganze. Deswegen brauchen wir ganz dringend Frauen an vorderster Stelle.

Redaktion Redakteurin des Südhessen Morgen und zuständig für die Ausgabe Bürstadt/Biblis

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