Bürstadt. Nach der kleinen Verlängerung Anfang Januar ist jetzt endgültig zu: Das Bürstädter Modehaus Vetter ist Geschichte. „Die große Fläche ist stillgelegt“, bestätigt Inhaber Burkhard Vetter im Gespräch mit unserer Redaktion. „Kids und Casuals“ direkt nebenan führt er zwar weiter. Dennoch: Das Aus für das „Traditionsmodehaus“ sei ein großer Verlust, wie Bürgermeisterin Bärbel Schader in einem persönlichen Schreiben versichert. Damit gehe „ein bedeutsames Kapitel für unsere Stadt“ zu Ende, stellt sie fest.
Tatsächlich schließt damit in Bürstadt das letzte inhabergeführte Modegeschäft in Bürstadt. Früher sei Bürstadt ein hochinteressanter Standort gewesen, blickt Vetter zurück. Sieben Textilläden und drei Schuhgeschäfte habe es zwischenzeitlich gegeben – mittlerweile sind alle verschwunden. An den alten Slogan „Bürstadt – deine Einkaufsstadt“ erinnert sich kaum noch jemand.
Dabei ist Burkhard Vetters Familiengeschichte eng mit dieser Vergangenheit verwoben: Seine Mutter Ingrid gründete das Unternehmen 1966, ihr Mann Hans-Werner half tatkräftig mit. Nach dem Umzug in die Nibelungenstraße 92 stieg Burkhard Vetter mit ein. Auch seine Großeltern waren Unternehmer: Sie gründeten eine Strickerei, die seine Tante Gerlinde Heiser später als Modegeschäft weiterführte. Ingrid Vetters großes Kindermodencenter in Bensheim übernahm ihre Tochter, inzwischen ist es in Weinheim zu finden. Am früheren Standort in der Wormser Straße haben sich Aldi und Edeka angesiedelt.
Kunden wandern in große Einkaufszentren ab
Burkhard Vetter eröffnete mit „Jeans & Casuals“ sein erstes eigenes Geschäft. 1995 bezog er mit dem Laden für Männermode die Nibelungenstraße 67. Im Jahr 2005 zog Jeans & Casuals dann ins Haupthaus.
Die Kindermode in Bürstadt hatte die Familie zunächst aufgegeben, startete dann aber einen weiteren Versuch: 2013 unternahm Burkhard Vetter mit „Kids & Casuals“ in den Räumen des früheren Sporthauses Kölsch einen neuen Anlauf. „Als zündende Idee in Verbindung mit der Innenstadtbelebung“, sagt er heute. Das Projekt lief zunächst sehr erfolgreich, aber 2022 verabschiedete sich der Unternehmer auch von dieser Adresse und siedelte mit den Kindermoden ins Haupthaus um.
Vetter Moden im Überblick
- Ingrid Vetter gründete ihr Unternehmen im Jahr 1966 in der Heinrichstraße mit Baby- und Kinderkleidung, junge Damenmode kam später dazu. Ihr Mann Hans-Werner arbeitete in der Buchhaltung bei den Mannheimer Motorenwerken und unterstützte seine Frau bei kaufmännischen Angelegenheiten, berichtet Burkhard Vetter.
- Ingrid Vetters Großeltern waren in der Textilbranche tätig mit der Strickerei Jakob in der Karlstraße 7. Dieses Geschäft übernahm Tochter Gerlinde Heiser und später deren Sohn Jürgen Heiser.
- 1974 zog Vetter Moden in die Nibelungenstraße 92, im Jahr 1982 kam der Anbau dazu. Parallel eröffnete Ingrid Vetter das Kindermodencenter in Bensheim an der Wormser Straße. Das Geschäft führt mittlerweile ihre Tochter, inzwischen ist sie damit nach Weinheim gezogen.
- 1995 eröffnete Burkhard Vetter „Jeans & Casuals“ in der Nibelungenstraße 67, wo heute Megabyte zu finden ist. 2005 zog die Männermode ins Haupthaus. „Kids & Casuals“ firmierte von 2013 bis 2022 in der Mainstraße 3.
Dass immer weniger Kunden in den kleineren Innenstädten einkaufen, sei absolut kein Bürstädter Phänomen, macht Vetter deutlich. Das Kernproblem: „Jüngere Menschen finden den Weg ins Fachgeschäft nicht mehr.“ Größere Einkaufszentren lockten mit kostenlosen Parkplätzen, einem umfassenden Angebot und kurzen Wegen. Und dazu komme noch der Online-Handel, der mit Corona einen Extra-Schub erhalten habe. Diese Entwicklung sei – trotz aller Anstrengungen - nicht aufzuhalten gewesen.
Der Kampf um die Bürstädter Innenstadt
Aber auch hausgemachte Fehler hätten ihren Teil zum Aussterben der Bürstädter Innenstadt beigetragen: So habe das Einkaufszentrum am Bibliser Pfad sehr viel Kaufkraft aus der Innenstadt abgezogen. Dazu die Vergrößerung der Supermärkte und Discounter – „alles Puzzleteile, die sich zusammenfügen“, macht Vetter deutlich.
Das habe ihn damals auch dazu bewogen, in die Politik zu gehen, erinnert er sich. Schon im Jahr 2000 setzte sich eine Initiative aus Bürstädter Kaufleuten – darunter Burkhard Vetter - dafür ein, kein neues Einkaufszentrum auf der grünen Wiese zu genehmigen. Diesen Kampf setzte der Bürstädter als FDP-Abgeordneter im Stadtparlament fort. Stoppen konnte er die Entwicklung am Bibliser Pfad damals nicht. Bei den Freien Demokraten engagiert er sich allerdings heute noch: als Kreisbeigeordneter und Bürstädter Ortsvereinsvorsitzender.
Ein Abschied mit Dank an die langjährigen Kunden
Das Modehaus führt er inzwischen allein, seine Mutter hat sich längst zurückgezogen. Dass er einen Teil der Fläche nicht mehr weiterführen kann, tut ihm weh, wie er einräumt. „Aber man kann ein unrentables Geschäft auf Dauer nicht aufrecht erhalten.“ Ein Trost für ihn: Zwei festangestellte Mitarbeiterinnen kann er weiter beschäftigen, eine dritte hat einen neuen Job gefunden, auf die anderen wartet die Rente. Finanzielle Sorgen müsse sich also niemand machen.
An seine langjährigen Kunden schickt er gemeinsam mit seiner Mutter ein großes Dankeschön. In vielen Gesprächen oder auch bei einem letzten Besuch beim Räumungsverkauf haben ihm zahlreiche Bürstädterinnen und Bürstädter ihr Bedauern ausgedrückt. Schließen wollte er ursprünglich zum Jahresende, hatte dann aber doch bis zum 11. Januar verlängert.
Nachfolge gesucht, die zum Standort passt
Und jetzt? Langweilig wird ihm auf keinen Fall, versichert er. Das Kindermodengeschäft führt er ja weiter. „Und mit der Abschluss-Renovierung bin ich gut ausgelastet.“ Vor allem aber gelte es, die Fläche „sinnvoll“ zu vermieten. „Die Frage ist: Was ist gut für den Standort?“ Aktivposten für den Einzelhandel in der Stadt will er nach wie vor bleiben, sich beispielsweise beim Frühjahrsmarkt engagieren.
„Sie haben dazu beigetragen, dass sich die Menschen in unserer Stadt wohl und willkommen fühlen“, bescheinigt ihm Bürgermeisterin Bärbel Schader – auch sie ist langjährige Kundin im Modehaus Vetter gewesen.
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