Wattenheim. Es war ein langer Weg, bis das Widerstandskreuz seinen neuen Aufstellungsort gefunden hat. 2021 gab es von der damaligen Raiffeisenbank Ried, heute Voba Ried-Überwald, die ersten Baupläne für das eigene Gelände. An dessen Rand stand das schlichte Kreuz mit der Inschrift „O Volk O Land O Volk O Land, vergiß nie Deines Schöpfers Allmachthand 1943“. Bereits seit damals hatte sich der Ortsbeirat auf die Suche nach einer geeigneten Stelle gemacht, um es zu erhalten.
Jetzt ist es direkt am Ortseingang von Biblis kommend auf der rechten Seite platziert. Platten führen vom Gehweg direkt davor, damit man die Inschrift gut lesen kann. Und flankiert wird das Kreuz durch eine neue Pflanzung, die erst im Frühjahr richtig zur Geltung kommen wird. „Ich hätte nicht gedacht, dass die Veranstaltung so toll wird und dass so viele Leute kommen. Eigentlich war sie gar nicht so groß gedacht“, freute sich die Ortsvorsteherin Sigrid Ambros bei ihrer kurzen Rede.
Sie wünschte sich vor allem, dass die Wattenheimer diese Örtlichkeit zu jeder Jahreszeit genießen, wann immer sie vorbeikommen, ob bei Spaziergängen mit dem Hund oder zu anderen Gelegenheiten. Sie bedankte sich bei allen Beteiligten, die geholfen haben, diesen Standort zu suchen und das Kreuz zu versetzen. Ob die Voba, bei es lange gestanden hat, der Gemeinde, der Firma, bei der es zwischengelagert und fachmännisch wieder aufgestellt wurde und der Kirche.
Erinnerung an Pfarrer Georg Zimmermann
Die Weihe nahm der leitende Pfarrer des Pastoralraums Südliches Ried Christian Rauch vor. Er zelebrierte eine kleine Andacht, bei ein Widerstandlied mit heute ungewöhnlichem Wortlaut gesungen wurde. Liedzettel waren verteilt worden und von der Katholischen Kirchenmusik waren Dirigent Rainer Weis, dessen Frau Andrea und deren Schwester Claudia Rohde da und begleiteten mit ihren Saxofonen. Es gab eine kurze Lesung mit wenigen Sätzen. „Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig. Wer das Leben gewinnen will, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen“ aus dem Matthäusevangelium.
„Das Kreuz ist ein Zeichen dafür, dass man in der Nazi-Zeit nicht mit allem einverstanden war“, sprach Pfarrer Rauch und erinnerte an Pater Alfred Delp, der als Lampertheimer ja ebenfalls im Pastoralraum eine wichtige Stellung einnimmt und 1945 in Berlin Plötzensee hingerichtet wurde. Rauch würdigte die Demokratie und die Gleichheit heute und dass die Menschen frei denken und sagen kann, was sie meinen. Zu Gast waren ebenfalls Vertreter der Evangelischen Gemeinden in Biblis und Hofheim und der Voba. Bürgermeister Volker Scheib sprach von dem Mut des damaligen Pfarrers Georg Zimmermann, der sich dieses Kreuz 1943 in seinem an der Straße gelegenen Nutzgarten aufstellte.
„Da herrschte bereits seit vier Jahren Krieg und es war eine lebensbedrohliche Situation. Es war mutig, diesen Text aufbringen zu lassen. Und ich wünsche Ihnen diesen Mut, wenn Sie nach Hause kommen“, sagte er zu den Anwesenden. Das Kreuz sei nicht nur Symbol für Erinnerung an eine mutige Haltung, sondern ebenfalls ein Mahnmal für die Zukunft. Das Erbe sollte dadurch geehrt werden, dass die Werte der damaligen Opfer der Nazi-Zeit leben, nämlich miteinander und aufeinander zugehen. Sein Dank ging an die Leute vor Ort, die dieses Kreuz pflegen.
Was es mit der Aufschrift in genau dieser Zeit auf sich hat, erklärte Heimatforscher Günter Mössinger. „Der Begriff ‚Volk‘ war von den nationalsozialistischen Machthabern vereinnahmt. Wenn die Kirche den Begriff Volk verwendete, wurde das schon als Affront gesehen“, legte Mössinger dar. Die Niederlage in Stalingrad im Winter 1942 auf 1943 tat ihr Übriges, um den Glauben an eine siegreiche Deutsche Wehrmacht zu beeinträchtigen.
Unrecht und Ausgrenzung entgegentreten
Die Kirchen durften den Kindern in den Schulen keinen Religionsunterricht mehr geben und besonders die katholischen Priester wurden nicht nur misstrauisch beobachtet, sondern zu hunderten verfolgt, eingesperrt und teilweise ermordet. Pfarrer Zimmermann hat in seiner Pfarrchronik vermerkt, dass er bedrängt worden ist, die Kreisleitung in Worms verbot die Feiertagsprozession, und die Nazis nahmen ihm seinem Nutzgarten ab, der Bestandteil seines Lebensunterhalts war. Dann bekam er zwei alleinstehende Frauen mit drei Kindern ins Obergeschoss des Pfarrhauses eingewiesen, die keine Rücksicht auf Amt und Würden des Pfarrers nahmen. Mehrmals waren „fremde Männer“ während des Gottesdienstes in der Sakristei und der Pfarrer kürzte oder änderte daraufhin kurzfristig seine Predigt. „Pfarrer Zimmermann war sich der Gefahr wohl bewusst, denn am Kriegsende versteckte er sich, bis die Amerikaner da waren“, so Mössinger. Das Kreuz sei einmalig im ganzen Kreis und ein „ein steinerner Zeuge eines latenten Widerstands in der Bevölkerung“.
Julia Emig, die Vorsitzende des Pfarrgemeinderates St. Christophorus, teilte eine persönliche Erinnerung an das Kreuz. Sie ist im Ortsteil aufgewachsen und in ihrer Schulzeit immer daran vorbeigegangen. Ihr Vater hab es ihr dann erklärt, was es damit und der Inschrift auf sich hat. „Seitdem hat es mir immer etwas bedeutet und es steht dafür Unrecht, Ausgrenzung und Menschenverachtung im christlichen Sinn entgegenzutreten“, führte sie aus. Im Anschluss waren alle zu einem Umtrunk im Pfarrgarten eingeladen.
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