Biblis/Hüttenfeld. Etliche Tonnen Bauschutt sind inzwischen beim Rückbau des Kernkraftwerks Biblis angefallen. 60 Tonnen davon gelten als sogenannter spezifisch freigemessener Abfall. Das heißt, es handelt sich um Abfall, der auf seine Strahlenbelastung untersucht und für deponierbar erklärt wurde. Liegt die gemessene Belastung der Baumaterialien wie Beton, Ziegel, Fliesen und Keramik unter zehn Mikrosievert, wird der Müll freigegeben und kann auf einer Deponie abgelagert werden.
Der Zweckverband Abfallwirtschaft Kreis Bergstraße (ZAKB) ist als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger im Kreis verpflichtet, diesen Bauschutt zu beseitigen. Dafür braucht es aber eine entsprechend zugelassene Deponie. Die wiederum hat der Kreis nicht mehr, seit die Ablagerung in Hüttenfeld 2005 aufgegeben wurde. Deswegen hat sich der ZAKB bundesweit bemüht, eine entsprechende Deponie zu finden. Dabei gilt: Sie soll sich möglichst im selben Bundesland befinden und der Transportweg nicht zu weit sein. Da sich auf diesem Wege kein Deponiebetreiber fand, hat der ZAKB im vergangenen Jahr einen Antrag auf Mitnutzung der Deponie in Büttelborn im Kreis Groß-Gerau gestellt. Diese ist eine der Klasse II und damit für die Lagerung dieses spezifisch freigemessenen Abfalls geeignet.
Im Juli hat das Regierungspräsidium (RP) Darmstadt den Antrag des ZAKB auf Mitnutzung genehmigt. Es bestünden keine Zweifel an der Ungefährlichkeit der freigemessenen Abfälle, hieß es damals seitens des RP. Allerdings hat das Regierungspräsidium zwar die Mitbenutzungsanordnung erteilt. Nicht erteilt wurde der sofortige Vollzug dieser Anordnung. Deswegen verweigert der Deponiebetreiber Südhessische Abfall-Verwertungsgesellschaft mbH (SAVAG) weiterhin die Annahme des Mülls aus Biblis.
Klage der SAVAG gegen Bescheid hat aufschiebende Wirkung
Dies hat Kreisbeigeordneter Matthias Schimpf (Grüne) in seiner Funktion als Verbandsvorsitzender des ZAKB in der Verbandsversammlung am Donnerstag noch einmal dargestellt. „Wir müssen diesen deponiepflichtigen Abfall entsorgen, er darf nicht - wie anderer Bauschutt - in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden“, machte er die Lage deutlich. Die Tatsache, dass das Regierungspräsidium aber den sofortigen Vollzug der Anordnung nicht mitangeordnet habe, habe dazu geführt, dass die SAVAG gegen den Bescheid klage. Das hat aufschiebende Wirkung, und solange über diese Klage nicht entschieden ist, wird kein Müll nach Büttelborn transportiert werden können. „Das kann dauern“, befürchtet der Verbandsvorsitzende. Aus Schimpfs Sicht widerspricht das dem Recht auf unmittelbare Entsorgung.
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Deswegen habe der Zweckverband nun wiederum beim Verwaltungsgericht Darmstadt einen Antrag auf Sofortvollzug der Mitbenutzungsanordnung gestellt. „Wir rechnen mit einer schnellen Entscheidung“, gab sich Schimpf optimistisch, dass doch bald die ersten Laster nach Büttelborn rollen können.
Müll lagert in fest verschlossenen Containern auf Bibliser Kraftwerksgelände
Bis dahin lagert der Müll in fest verschlossenen Containern auf dem Kraftwerksgelände in Biblis, wie dessen Sprecher Alexander Scholl am Donnerstag auf Nachfrage dieser Redaktion bestätigte. „Wir können einen schnellen, reibungslosen Rückbau, der ein gesetzlicher Auftrag ist, nur gewährleisten, wenn der Abfall auch entsprechend entsorgt wird“, sagte Scholl. Wenn dies nicht geschehe, werde der logistische Aufwand der Entsorgung immer größer. Insgesamt werden etwa 3200 Tonnen solchen Abfalls anfallen, die nach und nach abtransportiert werden müssen. Bis jetzt sind es - wie gesagt - 60 Tonnen. „Damit wir vorankommen, brauchen wir die Entsorgungswege“, so Scholl. Deswegen unterstütze RWE als Betreiber des Kraftwerks und Verantwortlicher für den Rückbau den Antrag des ZAKB und habe einen ähnlich lautenden ebenfalls beim Verwaltungsgericht eingereicht.
Anders als Matthias Schimpf will Scholl noch nicht davon sprechen, dass RWE Schadensersatzforderungen gegenüber dem ZAKB geltend machen könnte, wenn der Verband die Entsorgung nicht zeitnah leisten kann. Für Schimpf war das in der Verbandsversammlung aber durchaus ein drohendes Szenario. „Wir können nicht nachvollziehen, warum der Sofortvollzug nicht gleich mit angeordnet wurde“, sagte er in der Versammlung. Ein Versehen hält er für ausgeschlossen.
Voraussetzungen für Sofortvollzug liegen nicht vor
Das Regierungspräsidium Darmstadt teilte am Donnerstag auf Anfrage dieser Redaktion mit, dass der Antrag des ZAKB auf Anordnung des Sofortvollzugs abgelehnt worden sei, „da die Voraussetzungen für dessen Anordnung nicht vorliegen“. Deswegen sei allein ein Bescheid zur Mitbenutzung ergangen. Weitere Auskünfte seien zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, weil es nun ein Gerichtsverfahren gebe.
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