Biblis. „Die Pause ist der absolute Horror. Wir sind froh, wenn wir wieder reingehen können“, erzählen zwei Viertklässler der Schule in den Weschnitzauen. Seit einem Monat lernen sie im Neubau in der Freiherr-vom-Stein-Straße, an den Außenanlagen wird aktuell noch gearbeitet. Ihr richtiger Schulhof wird erst bis zum nächsten Sommer fertig, davor muss das alte Schulgebäude noch abgerissen werden. Aktuell haben die Kinder zwei umzäunte Areale für die Pausen. Etliche Eltern wie Kinder sind damit mehr als unglücklich und haben sich an diese Redaktion gewendet. Die Erwachsenen sehen das Kindeswohl gefährdet. „Es kommt ständig zu Reibereien, weil sich Kinder mit ausgeprägtem Bewegungsdrang nicht austoben können. Zudem leidet die Konzentration im Unterricht. Unsere Kinder kommen frustriert nach Hause“, sagt eine Mutter.
Ihre Namen wollen die Eltern lieber nicht nennen, was die schwierige Lage vor Ort unterstreicht. Nach der Suspendierung der früheren Schulleiterin vor zwei Jahren hat die Grundschule schon zwei weitere Wechsel in der Leitungsfunktion erlebt. Zunächst hatte der Bürstädter Schulleiter Torsten Wiechmann die Führung übernommen, ehe Timo Helwig Thomé als kommissarischer Leiter eingesetzt wurde. Er wechselte zum Sommer zurück ans Schulamt, seither ist Simone Kurt verantwortlich – ein Jahr lang parallel zu ihrer Funktion als Schulleiterin in Reichenbach.
Grundschüler vermissen ihr altes Gelände in der Viktoriastraße schmerzlich
Während der Nachwuchs vom „Tigerkäfig“ spricht, wenn er von den Behelfsschulhöfen erzählt, reden die Eltern vom „größeren Hühnerstall“. „Grauenhaft“ und „schrecklich“ sei es da, erzählen die Kinder im Gespräch. Die Jungs würden gerne in der Pause kicken, aber dazu fehlt der Platz. „Sonst schießen wir jemanden ab“, sagt ein Neunjähriger. Selbst zum Fangen spielen sei es zu eng. „Wenn ich mich umschaue, ob mich jemand verfolgt, renne ich andere um“, ergänzt er. Die Kleineren, die von der alten Schule in der Viktoriastraße gerade erst in den Neubau gezogen sind, wirken besonders traurig, denn sie vermissen ihren früheren schönen Schulhof. Die ehemaligen Dritt- und jetzigen Viertklässler dagegen kennen die schwierige Baustellensituation schon ein Jahr lang.
Gut 200 Grundschüler lernen seit diesem Sommer an einem Standort. In den Pausen werden sie aufgeteilt, so dass jeweils rund 100 auf einen der beiden Behelfsschulhöfe gehen. „Bis wir uns alle aufgestellt haben und an der Riedhalle sind, haben wir nur noch wenig Zeit“, erzählt ein Mädchen. „Und wenn ich auf Toilette muss, schaffe ich das gar nicht mehr.“ Für ihre Mutter ist das unerträglich. „Pause oder Toilette? Das geht doch nicht!“
Ihre Schulfreundin aus der zweiten Klasse meint, sie würden gerne Pferdchen spielen, „aber dafür gibt es zu wenig Seile“. Auch das regt die Eltern auf: Sie würden das Geld dafür ja spenden. Aber das sei nicht gewollt – sie hätten es schon vorgeschlagen. Zudem hätten sie vor ein paar Jahren schon einmal gesammelt für den neuen Schulhof. Was aus dem Geld geworden ist, wissen sie nicht.
An den Kreis, das Schulamt und natürlich die Schulleitung haben sich die Eltern schon gewandt, mit der dringenden Bitte, an dem Zustand etwas zu ändern. „Es ist total frustrierend, weil wir erstmal gar keine Antwort erhielten“, sagt eine Mutter. Erst nach wiederholten massiven Beschwerden habe es Termine für Gespräche gegeben. Jetzt sollen noch weitere Spielgeräte angeschafft werden, auch über die Pausenhofsituation werde noch einmal gesprochen. „Aber ich hab das Gefühl, der eine schiebt es auf den anderen – und für unsere Kinder bessert sich nichts“, ergänzt ein Vater.
In die Riedhalle zu gehen statt davor, fordern Eltern
„Ich hab den Bürgermeister direkt angesprochen, der sagt, die Schule kann die Riedhalle für die Pausen nutzen“, erzählt eine Mutter. Volker Scheib im Rathaus bestätigt das. Doch bei der Einweihung hatte Simone Kurt, als neue kommissarische Schulleiterin Bedenken, die Kinder könnten zu viel Dreck vom Vorplatz hineintragen.
„Uns wurde gesagt, dass das mit der Aufsichtspflicht nicht möglich ist, weil jeweils zwei Lehrer auf den beiden Schulhöfen sein müssen. Aber statt in den Käfig vor der Halle kann man doch in die Halle gehen?“ Eine andere Mutter nickt. „Da sind am Wochenende auch Hühner drin zur Ausstellung – ohne dass der Boden abgedeckt ist. Da machen ein paar Sandkörner von den Schuhen nichts aus“, meint sie.
Dreck gebe es ohnehin jede Menge auf dem ganzen Areal. Denn rund um den Neubau laufen noch Arbeiten, die bis Anfang November abgeschlossen sein sollen, informiert der Kreis auf Anfrage. „Im Anschluss daran wird der Interimshof am alten Schulgebäude aufgehoben und die Baustelle für den dann folgenden Bauabschnitt eingerichtet“, heißt es aus dem Landratsamt. Also der Abriss. Dann stehe der „Pausenhof am neuen Schulgebäude“ zur Verfügung, wo gerade Pflaster verlegt und Erde verteilt wird. Da der Bereich eher unübersichtlich ist, sind die Eltern schon gespannt, ob und wie die Schule ihn wegen der Aufsichtspflicht nutzen wird.
Bauverzögerungen verschärfen Probleme – endgültiger Schulhof kommt zu spät
Dass es überhaupt zu dieser Situation kommt, liegt laut Bürgermeister Volker Scheib „einzig und allein an einer Person, die vom ,Abenteuer Schulneubau‘ geschwärmt hat‘“: der früheren Schulleiterin. In seinen Augen war abzusehen, dass das schwierig würde. „Unsere Idee war, dass während der Bauphase alle in der alten Schule in der Viktoriastraße untergebracht werden – mit zusätzlichen Containern. Da gibt es einen schönen Schulhof.“ Der Umzug in den Neubau wäre ganz in Ruhe erfolgt, erst wenn wirklich alles fertig gewesen wäre, so Scheib. Doch Nicole Skubella habe unbedingt im Schulgebäude neben der Baustelle bleiben wollen. Wie sie das durchgesetzt hat, sei ihm ohnehin ein Rätsel, meint er kopfschüttelnd.
„Das Schlimmste kommt ja noch, wenn der Abriss losgeht – und zig Lkw vorfahren. Aber da müssen wir jetzt durch“, sagt der Rathauschef. Die Gemeinde werde das mit der Ordnungspolizei begleiten, kündigt er an. Zum Zeitplan für diese Arbeiten hieß es bei der Einweihung des Neubaus, dass die alten Gebäude bis Ende des Jahres weg sein sollen – um direkt danach den neuen Schulhof anzulegen – mit vielen kreativen Möglichkeiten, sich zu bewegen. „Für unsere Großen, die schon lange mit dieser Situation leben müssen, kommt das zu spät“, meint die Mutter eines Viertklässlers, der die Schule im kommenden Sommer verlässt. „Bis dahin ist das doch sicher nicht fertig.“ Schon jetzt ist klar, dass es eine Verzögerung von rund sechs Wochen gibt. Laut Landratsamt müssen die Pläne für den Pausenhof noch überarbeitet werden, weil der Förderverein die alte Hausmeisterwohnung erhalten will.
„Wie halten die Lehrer das eigentlich aus?“, fragen sich die Eltern. „Die unzufriedenen Kinder sind im Unterricht bestimmt viel anstrengender als sonst. Sie müssten sich doch schon in ihrem eigenen Interesse dafür einsetzen, dass sich was ändert.“ Ihr Gespräch mit der Schulleitung steht noch aus. Auf Anfrage dieser Redaktion wollte Simone Kurt nicht Stellung nehmen. „Wir sind echt verzweifelt, sonst hätten wir uns gar nicht an die Öffentlichkeit gewandt“, erklären sie. „Wir wollen unseren Kindern auch zeigen, dass man nicht alles hinnehmen muss. Hoffentlich erleben sie, dass es etwas bringt, wenn man sich wehrt.“
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