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Neues Wahlrecht: Trotz Sieg im Wahlkreis nicht im Bundestag?

Im Bundestagswahlkreis Heidelberg könnten sich die Folgen des von der alten Ampel beschlossenen neuen Wahlrechts zeigen: CDU-Mann Föhr könnte im Wahlkreis gewinnen und doch aus dem Bundestag ausscheiden müssen.

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Konstantin Groß
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Einige Kommunen im Wahlkreis Hiedelberg/Weinheim bieten den Parteien Tafeln für Wahlplakate, wie hier in Heddesheim gegenüber dem Rathaus. © Marcus Schwetasch

Heidelberg. Seit diesem Freitag stehen sie fest: die Namen jener Frauen und Männer, die am 23. Februar im Wahlkreis Heidelberg/Weinheim für den Bundestag kandidieren. Der Kreiswahlausschuss Heidelberg hat zehn Wahlvorschläge zugelassen.

Bislang wird die Region in Berlin von drei Abgeordneten vertreten. Nach der nächsten Wahl könnten es nur noch zwei sein. Ausscheiden müsste ausgerechnet derjenige, der die meisten Stimmen holen könnte - Ergebnis des neuen Wahlrechts.

2021 gewann Franziska Brantner mit 30 Prozent erstmals für die Grünen das Direktmandat. Nun tritt sie erneut an - als Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium von Robert Habeck und seit Dezember als Co-Bundesvorsitzende ihrer Partei.

Für die CDU kandidiert deren Heidelberger Kreisvorsitzender Alexander Föhr, der Brantner bereits 2021 gegenüberstand. Damals unterlag er mit 24 Prozent, kam auch über die Landesliste nicht ins Parlament, sitzt heute aber dennoch in Berlin: 2023 rückte er für einen ausgeschiedenen Parteifreund nach.

SPD, FDP und AfD: Die Kandidaten im Kampf um das Direktmandat 2025

Nur Platz 3 wurde es 2021 mit mageren 20 Prozent für die SPD und ihre vor Ort weitgehend unbekannte Kandidatin Elisabeth Krämer aus Wiesloch. Nun versuchen es die Genossen mit Tim Tugendhat, Co-Vorsitzender der SPD Heidelberg.

Beim Kampf um das Direktmandat keine Rolle spielt die FDP. Für sie kandidiert nun zum dritten Mal Tim Nusser, Kreisvorsitzender der FDP Heidelberg und Stadtrat. Auch Linken-Kandidatin Sahra Mirow hat Erfahrung mit mehreren (erfolglosen) Bewerbungen. Für die AfD tritt Malte Kaufmann an, der 2021 über die Landesliste in den Bundestag einzog. Keinen Kandidaten stellt das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW); dessen Liste kann man dennoch ankreuzen - mit der Zweitstimme

So die Ausgangslage vor Ort. Wie das Ergebnis aussehen wird, weiß natürlich niemand. Allgemein erwartet wird jedoch, dass Föhr auf Grund der politischen Großwetterlage ganz gute Chancen hat, das Direktmandat zu holen. Da seine Mitbewerberin Brantner Spitzenkandidatin der Landes-Grünen ist, wird sie aber auch in diesem Falle dem neuen Bundestag angehören, Föhr jedoch sogar bei einem Sieg im Wahlkreis möglicherweise nicht.

Beim neuen Wahlrecht gewinnt die Zweitstimme weiter an Bedeutung

Der Hintergrund: Bei der Bundestagswahl haben die Wähler zwei Stimmen. Die Erststimme gilt dem Kandidaten vor Ort, die Zweitstimme der Partei mit all ihren Kandidaten auf Landesebene (Landesliste). Bislang war es so, dass derjenige, der im Wahlkreis die meisten Erststimmen errungen hat, gewählt war.

Dies ist jetzt anders. Künftig entscheidet das Zweitstimmen-Ergebnis der Partei im Wahlkreis, wer in den Bundestag einzieht. Beispiel: In Baden-Württemberg gibt es 38 Wahlkreise. Angenommen, die CDU gewinnt wie bei der letzten Wahl 2021 davon 33 direkt. Gehen wir weiter davon aus, dass die Union 33 Prozent der Zweitstimmen erhält, was angesichts der Umfragen durchaus realistisch ist. Dann erhält sie so viele Sitze, wie es diesem Anteil der Zweitstimmen entspricht, in diesem Beispiel (nach komplizierter Berechnung etwa abzüglich der Parteien, die an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert sind) also um die 15 Mandate. Damit gingen 18 CDU’ler, obwohl vor Ort gewählt, leer aus. Hätte es das neue Wahlrecht 2021 gegeben, wäre dies nach Berechnung der Bundeswahlleiterin elf der 33 damals direkt gewählten CDU-Abgeordneten im Lande so gegangen.

Direktmandate und Landeslisten: Wie die neuen Wahlregeln die Bundestagszusammensetzung prägen

Doch wie wird bestimmt, wer von den - angenommen - 33 direkt gewählten Abgeordneten einen der 15 Sitze erhält? Es wird eine Liste der Bewerber aufgestellt in Reihenfolge der Prozentanteile, die sie im Wahlkreis errungen haben. Die Kandidaten müssen also nicht nur den Wahlkreis gewinnen, sondern auch möglichst viele Zweitstimmen für ihre Partei erringen. Zweitstimmen zu Gunsten ihres Lieblings-Koalitionspartners FDP, wie in früheren Wahlen bei Unions-Anhängern üblich, verbieten sich nun für die CDU.

Im Vorteil sind bei dieser Sitzverteilung Kandidaten aus den Hochburgen der Südwest-CDU in den ländlichen Gebieten, im Nachteil die Großstädter. Föhrs Chancen sind daher auch bei Gewinn des Direktmandates geringer als die seiner Parteifreunde im ländlichen Raum.

Und wie schlägt sich das neue Wahlrecht für die anderen Parteien nieder, die keine oder wenige Direktmandate erringen? Bei der Wahl 2021 holten die Grünen im Land vier Wahlkreise direkt (darunter Heidelberg), die SPD nur einen, nämlich Mannheim, bei den Zweitstimmen landesweit aber 17 bzw. 22 Prozent. Auch wenn sie diese Zweitstimmen-Ergebnisse diesmal wohl nicht mehr schaffen, so werden sie dennoch mehr Abgeordnete nach Berlin schicken können, als direkt gewählt werden. Wie läuft die Verteilung dort?

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Dazu schreibt der Bundestag auf seiner Website: „Wenn allen erfolgreichen Wahlkreisbewerbern . . . ein Sitz zugeteilt wurde, der Partei in dem Bundesland aber nach dem Zweitstimmenergebnis noch weitere Sitze zustehen, werden diese nach der Landesliste vergeben.“ Also: Zuerst kommen die direkt Gewählten zum Zug, dann greift die Landesliste.

Das hilft der SPD vor Ort auch nicht: Ihr Kandidat Tim Tugendhat liegt auf dem 32. von 38 Plätzen der Landesliste. Besser sieht es für Malte Kaufmann aus: Der AfD-Abgeordnete steht auf Platz 12 seiner Landesliste. Damit wäre er im Bundestag, sollte die AfD mindestens 14 Prozent erreichen. Nach aktuellen Umfragen liegt sie in Land und Bund darüber.

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