Edingen-Neckarhausen. Heidelberg/Edingen-Neckarhausen. Am Montag ist vor dem Heidelberger Landgericht ein Prozess zu Ende gegangen, der viele Menschen erschüttert hat - und dennoch zu weiten Teilen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. Um die Privatsphäre einer Frau, die ein stundenlanges Martyrium erlebt hat, nicht noch weiter zu verletzen. Sechs Jahre und sechs Monate Haft lautete das Urteil gegen einen 36 Jahre alten Mann. Verurteilt wurde er wegen Einbruchs und Diebstahls, gefährlicher Körperverletzung, schwerer räuberischer Erpressung und eines schweren sexuellen Übergriffs.
Plädoyers fanden ohne Öffentlichkeit statt
Staatsanwaltschaft und Nebenklage hatten sieben Jahre und drei Monate Haft gefordert, die Verteidigung des Angeklagten sechs Jahre und zwei Monate. Plädiert wurde nicht-öffentlich, damit die Details, über die das Opfer am zweiten Prozesstag gesprochen hatte, nicht nach außen drangen. In der Urteilsbegründung zeichnete der Vorsitzende Richter Jochen Berkle nach, was sich am 28. Februar nach Ansicht der Kammer „ohne Zweifel“ in Edingen-Neckarhausen zugetragen hat: Der 36 Jahre alte Ramzi S. stieg dort in ein Reihenhaus ein und durchsuchte es nach Wertgegenständen. Anschließend drang er bis ins Schlafzimmer der Bewohnerin im ersten Stock des Hauses vor. Währenddessen schliefen ihre beiden Töchter in anderen Räumen.
Er verschloss die Schlafzimmertür von innen und bedrohte die Frau mit einem Hammer, mit dem er zuvor das Terrassenfenster im Erdgeschoss eingeschlagen hatte. Immer wieder soll er diesen über seinen Kopf geschwungen haben. „Die Geschädigte hatte Todesangst“, sagte der Vorsitzende Richter. Weil sie an ihre Töchter dachte, die nebenan schliefen, sich um sie gesorgt habe.
Wieder und wieder habe der Mann die Herausgabe von Wertgegenständen gefordert, obwohl die Frau betonte, nichts Wertvolles zu besitzen. Laut Berkle bewog dies den 36-Jährigen dazu, „den Druck zu erhöhen“ und die Handsäge, die er auf der Terrasse der Familie eingesteckt hatte, zu zücken, die Frau damit zu schlagen, sie zu verletzen, ihr Schnittwunden und Hämatome zuzufügen. Schützend soll die Frau ihre Decke vor sich gehalten haben.
Aus Angst um Töchter "mitgespielt"
S. öffnete die Schränke im Schlafzimmer und durchwühlte sie. „Dann änderte er seine Strategie“, so Berkle. Während es S. zunächst darum gegangen sei, möglichst Beute zu machen, verlagerte er sich zu diesem Zeitpunkt darauf, sich der Frau sexuell anzunähern - „auch gegen ihren Willen. Aber sie widersetzte sich mutig und entschlossen“, sagte Berkle. Auf Französisch habe sie auf den Algerier eingeredet, der wenige Wochen zuvor in Frankreich aus dem Gefängnis entlassen worden war. Ein Jahr lang saß er in Haft - wegen gewalttätigen Diebstahls. Die Frau versuchte, ein Gespräch mit ihm am Laufen zu halten, getrieben von der Angst, ihre Töchter könnten sich bemerkbar machen.
Sie sei auf ihn eingegangen, habe sein „Spiel mitgespielt“, als er auf einmal davon sprach, sie heiraten zu wollen. Sie machte ihm einen Kaffee - in der Hoffnung, er würde ihr Zuhause bald verlassen. Erst am frühen Morgen, fünf Stunden nach seinem Einbruch, ging er.
Wie der Tag für die Frau aus Edingen-Neckarhausen weiterging, beschrieben Beamte der Kriminalpolizei vor der Urteilsverkündung. Wie am Körper der Frau und im Haus Spuren sichergestellt wurden, Streifen ausrückten, um S. zu suchen. Wie das Opfer seine Aussage machte, erzählte, was ihr angetan worden war. „Die Frau stand sichtbar unter Schock“, so die Ermittlerin.
Bis heute haben sich die Erfahrungen jener Nacht tief in das Bewusstsein der Frau eingebrannt. „Die psychischen Folgen sind durchaus gravierend“, sagte der Vorsitzende Richter Berkle. Ihr Sicherheitsgefühl sei durch das, was sie durchgestanden habe, stark beeinträchtigt. „Die Geschädigte schläft bis heute nicht mehr in ihrem Schlafzimmer und sie leidet unter Konzentrationsstörungen.“
Maches bleibt im Unklaren
Am letzten Prozesstag saß die Frau dennoch im Gerichtssaal. Aufrecht. Um Gerechtigkeit zu erfahren, für das, was ihr widerfahren ist. „Mein Mandant hat sich nach den Plädoyers ausführlich entschuldigt“, sagte S.s Verteidigerin, Sandra Bauer, im Gespräch mit dieser Redaktion. Schon am zweiten Prozesstag hatte er die Tat gestanden und dem Gericht Einblicke in sein Leben gewährt. Er berichtete von seiner Kindheit in Algerien und in Frankreich, vom Terrorismus in seiner Heimat. Von Drogen, Beziehungen, einem Sohn, der geboren wurde, während er in Frankreich in Haft saß. Unklar blieb dagegen, warum er ausgerechnet in diesem Haus in Edingen-Neckarhausen einstieg.
„Durch sein Geständnis hat der Angeklagte Verantwortung für das übernommen, was er angerichtet hat“, so Berkle. Auch habe er damit die Beweisaufnahme erleichtert. Doch es ändere nichts an den fatalen Folgen, mit denen die Frau bis heute ringt.
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