Bildung

Erste Draußenschule in der Region startet: Unterricht im Freien in Ladenburg

Von 
Peter Jaschke
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Schulleiterin Carolin Rückert (r.) zeichnete Hannah Fuchs-Brecht (M.) als eine Wegbereiterin und Bürgermeister Stefan Schmutz mit dem Dicken Brett aus. © Peter Jaschke

Ladenburg. Die beteiligten Handwerker haben tatsächlich eine Punktlandung hingelegt: „Alle haben geschafft wie die Weltmeister und Unmögliches möglich gemacht“, sagt Martin Ziegler vom Trägerverein der weit und breit einmaligen Ladenburger Draußenschule zufrieden. Strahlend übergibt der bei der Eröffnungsfeier im Waldpark zum „Mann der Stunde“ gekürte Finanzchef den Türschlüssel an Schulleiterin Carolin Rückert und ihre beiden Lehrerkolleginnen Sindy Grambow und Lisa Schels. Damit ist die Draußenschule eröffnet.

Informationen zur Draußenschule

Pressemitteilung des Trägers

Draußenschule Ladenburg geht an den Start

Ganztagsgrundschule mit neuem Konzept bereichert die lokale Bildungslandschaft

Am 13. September 2021 nimmt die Draußenschule Ladenburg als Ganztagesgrundschule in freier Trägerschaft nach drei Jahren Vorbereitungszeit und umfangreichen Bau- und Sanierungsarbeiten ihren Schulbetrieb auf. Die Schule zeichnet ein besonderes pädagogisches Profil aus, gleichwohl ist der Schulbesuch dem Besuch einer öffentlichen Schule gleichgestellt. Alle 25 angebotenen Schulplätze sind von Beginn an belegt. Die Schule befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Reinhold-Schulz-Waldpark. Das Grundstück sowie zwei Bestandsgebäude wurden dem Trägerverein durch die Stadt Ladenburg zur Verfügung gestellt.

Das in der Metropolregion Rhein-Neckar bislang einzigartige Konzept kombiniert im täglichen Wechsel einen Unterricht innerhalb und außerhalb der Schulräume in Verbindung mit technisch-digitalen Bildungselementen. Einen großen Stellenwert hat dabei das Lernen in schulnahen Naturräumen, wie schon der Name Draußenschule nahelegt.

Die Schülerinnen und Schüler setzen sich gemeinschaftlich mit Alltagsphänomenen und Fragen ihrer Lebenswelt praktisch-forschend auseinander. Dabei werden sie in einer altersgemischten Gruppe von Schulleiterin Carolin Rückert unterrichtet. Das Team wird durch Sonderpädagogin Lisa Schels und Biologin Sindy Grambow vervollständigt. „Nur durch die Doppelbesetzung ist das tägliche Lernen außerhalb des Klassenzimmers, nach skandinavischem Vorbild, regelmäßig möglich”, weiß Rückert aus 20 Jahren Schuldienst an öffentlichen Schulen und 5-jähriger Praxis als Waldpädagogin zu berichten.

Das Konzept der Draußenschule stellt neben dem täglichen Unterricht außerhalb des Klassenzimmers an verschiedenen Lernorten auch das interdisziplinäre und projektbezogene Lernen in den Mittelpunkt. Dabei sollen die Kinder ein ganzheitliches Themenverständnis, Persönlichkeitsbildung und Kompetenzaufbau in handwerklich-praktischen Bereichen entwickeln und gleichzeitig auch in die digitale und mediale Welt eingeführt werden. „Gerade hier ist es heute so wichtig, die Kinder nicht allein zu lassen, weshalb wir eine eigene Medienwerkstatt haben werden“, so Sindy Grambow. Die Draußenschule will mit den Kindern den Spagat zwischen den zentralen Themen der Bildung für nachhaltige Entwicklung sowie den technischen, digitalen und informatischen Herausforderungen des Alltags schaffen und sich dabei am Bildungsplan Baden-Württemberg orientieren.

Auch der Nachmittagsunterricht findet in jahrgangsübergreifenden Kleingruppen statt. In der so genannten Generationenwerkstatt findet Lernen durch gemeinsame Gestaltung des Lebensumfeldes unter Einbezug von Experten, Vereinen und lokalen Kooperationspartnern statt. In den nächsten drei Jahren soll die Schule um eine zweite Gruppe, auf insgesamt 40 Kinder, erweitert werden. Der 1. Vorsitzende des Trägervereins Draußen Lernen e.V. Martin Ziegler freut sich: „Die Nachfrage nach Schulplätzen an der Draußenschule ist riesig.“

Bereits ab Montag, 13. September, läuft der jahrgangsübergreifende Unterricht für 25 Mädchen und Jungen. Gut Dreiviertel davon kommen aus Ladenburg. Ihre Einschulungsfeier hat ebenfalls am Samstag vor den ausgebauten und nun teils holzverkleideten städtischen Gebäuden stattgefunden – und natürlich drum herum. Denn die freie Ganztagseinrichtung heißt ja nicht umsonst Draußenschule und versteht das umgebende Grün ebenso als Lernort wie künftig auch Wochenmarkt und Klassenzimmer. Die pädagogische Basisannahme lautet, dass Kinder im Grundschulalter in Bewegung und Handlung sowie ohne Notendruck besser lernen können.

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„Unser Sohn ist lebendig und gerne draußen“, erklärt Schülervater Patrick Sauer (Ladenburg) auf Anfrage dieser Redaktion. Da habe ihn und seine Frau das Angebot der Draußenschule mit Hausaufgabenbetreuung stark angesprochen. So sei auch das Schulgeld zu akzeptieren. „Das gängige Schulsystem hat uns nicht gefallen“, sagt Sauer. „Müde von der Regelschule haben wir immer ’rumgesponnen und nach Alternativen gesucht.“ So blickt Rückert auf die Anfänge und erste Visionen zurück. Sie kann wegen Corona nur geladenen Gästen einen Blick hinter die Kulissen, auf Entstehungsgeschichte und Akteure gewähren. Ein „Tag der offenen Tür“ soll folgen.

„So ’ne Sache macht man natürlich nicht allein“, sagt die Grundschullehrerin und Waldpädagogin Rückert. „Wir sind stolz auf Dich“, betont ihre frühere Kollegin Ina. „Die ganzen Waldkindergärten sind da, jetzt fehlt nur noch die dazu passende Schule“, findet mit Ilka eine andere Impulsgeberin. „Das Konzept fand ich Hammer und wollte Energie mit reinbringen“, sagt der Ladenburger Josh Brecht, der das Schullogo mit Bäumen, Blüten, Buch und Stiften entwickelt hatte. Seine Frau Hannah Fuchs-Brecht gilt als Mitwirkende der ersten Stunde. „Sie hat maßgeblich dazu beigetragen, dass bei uns Natur, Technik und Gemeinschaft zusammenkommen“, würdigt Rückert das Engagement der Mitstreiterin.

Auch Schmutz hat mitgebohrt

„Ich habe mir vor Jahren gesagt: Wenn ich ein Thema mal gut finde und jemand meine Hilfe braucht, mache ich das“, erklärt Finanzchef Ziegler, wie er über die Ortsgruppe des Bunds für Umwelt- und Naturschutz (BUND) Rückert und die zu seinem Rentnerleben passende Idee kennengelernt hatte. „Mein erster Gedanke war: Die sind verrückt, weil ich die Beharrungskräfte im Kultusministerium gegenüber neuen Ideen kenne“, räumt Stefan Schmutz ein. Der Bürgermeister hatte jedoch „Lust, an diesem Brett mitzubohren“. Dafür wird er prompt von Rückert mit dem „dicken Brett“ ausgezeichnet.

„Ihr Projekt ist ein Volltreffer“, sagt Schmutz. Die Draußenschule bereichere das örtliche Bildungsangebot und gebe dem Waldpark eine weitere Nutzungsperspektive. „Es hat zwischenzeitlich extrem Nerven gekostet“, gesteht Rückert. Aber: „Es macht unglaublich Spaß, Kindern Freude am Lernen zu vermitteln“, findet Biologin und Lernbegleiterin Grambow. „Es ist toll geworden, und wir freuen uns auf gemeinsame Projekte“, sagt Schreiner Albert Klar-Bauder (Glashaus-Initiative im Waldpark), der den vielbestaunten Schulbriefkasten gebaut hatte. „Das Konzept begeistert uns“, erklärt Richard Seipp vom Budoclub, der als Karatelehrer ebenso an der Generationenwerkstatt der Draußenschule mitwirkt.

Freier Autor Peter Jaschke ist freier Mitarbeiter seit 1997 und macht überwiegend regionale Berichterstattung, nimmt aber auch Sport- und Kultur-Termine wahr.

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