Speyer. „Dieses U-Boot wird in Speyer nicht anlanden“: In der Domstadt deuten sich harte Auseinandersetzungen zwischen den Interessen von Klimaschützern und jenen von Technik-Enthusiasten an. Die Ankündigung der Technik Museen Sinsheim/Speyer, im Mai ein 50 Meter langes und 500 Tonnen schweres U-Boot aus dem Altbestand der Bundesmarine in der Domstadt an Land zu holen, sorgt für Konfliktlinien, die sogar mitten durch die Partei der Speyerer Grünen verlaufen. In einem Video, das Volker Ziesling, Gründer der Initiative „Waldwende jetzt“, am Mittwochmittag auf Facebook veröffentlichte, kündigte er an, dass man verhindern werde, dass der Koloss aus dem Wasser des Berghäuser Altrheins im Speyerer Süden gezogen wird. Im dortigen Auwald hat ein Unternehmen, das vom Technik Museum beauftragt war, in den vergangenen Tagen ordentlich gewirkt.
Rodung im Auwald
Volker Ziesling ist Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen und des Speyerer Stadtrates. Als Forstdirektor stand der 64-Jährige über Jahre in Diensten des Landes Rheinland-Pfalz. Seine Widerstände, die ihn in der gesamten Metropolregion Rhein-Neckar bekannt gemacht haben, trugen ihm den Beinamen „Forstrebell“ ein.
Mit Blick auf die aktuell bekannt werdenden Rodungsaktionen im Auwald von Ende Februar spricht Ziesling von gesetzeswidrigem Verhalten an der Speyerer Stadtspitze und meint damit insbesondere seine eigene Parteikollegin Irmgard Münch-Weinmann, die den Fachbereich Umwelt, Forsten, Nachhaltigkeit und Klimaschutz leitet. Nie und nimmer hätte man auf einer Fläche von rund einem Hektar Sträucher und Stämme roden dürfen, so Ziesling.
Bei einem Vor-Ort-Besuch offenbart sich dem Waldbesucher eine Schneise. Gefällt oder entfernt wurden nach einer Bestandsaufnahme Zieslings „Bergahorn, Esche, Weide und die auentypische Strauchschicht aus Hasel und Weißdorn“. Die Maßnahme habe – auch durch die Verdichtung – zu erheblichem Schaden an Boden, Vegetation und Tierwelt beigetragen.
Als FFH-Schutzgebiet ausgewiesen
Es handle sich bei der betroffenen Fläche um einen Teil des Schutzgebietes Natura 2000, das als FFH-Gebiet ausgewiesen sei. Eingriffe seien per Strafgesetzbuch verboten, so ein Schreiben der Grünen-Fraktion an die Untere Naturschutzbehörde, die bei der Stadt angesiedelt ist. Der Brief liegt der Redaktion vor und erhebt schwere Vorwürfe. Eine Verträglichkeitsprüfung, die nach neuester Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes erforderlich wäre, sei ebenfalls nicht erfolgt. Es handle sich konkret um die Zerstörung von Flächen, die einem Biotop zuzuordnen seien.
Stadtverwaltung zeichnet harmloseres Bild
Die Antworten, die die Speyerer Stadtverwaltung auf Nachfrage dieser Redaktion gibt, zeichnen ein deutlich harmloseres Bild. Nüchtern formuliert eine Sprecherin: „Die Rodung ist in Abstimmung mit dem städtischen Forst und der Unteren Naturschutzbehörde erfolgt. Allerdings handelte es sich bei der betroffenen Fläche nicht um Wald mit größeren Bäumen, sondern um Gebüsche sowie jüngere Bäume, da die Fläche bereits bei den vorherigen Großtransporten als Bereich zum Rangieren genutzt wurde. Eine entsprechende Kompensation (Ersatzpflanzung, Wiederaufforstung) wird festgesetzt."
Kein Wort aber von der Stadt, dass es sich hier um ein schützenswertes FFH-Gebiet handeln könnte. Weitere Ausführungen zu der Nachfrage, welche Bäume und Sträucher genau betroffen seien, beinhalten die Information, dass beispielsweise Robinien und Ahorn auch aus Gründen der Verkehrssicherung beseitigt worden seien. Eine Auflichtung sei ohnedies geplant gewesen, heißt es. Am Altrheinufer seien außerdem zwei einzeln stehende, ältere Baumweiden sehr stark zurückgeschnitten. Diese würden vermutlich aber trotzdem wieder austreiben.
Ziesling: "Das grenzt an Satire"
Ziesling reagiert mit Sarkasmus, als wir ihn mit den Antworten der Stadt erneut konfrontieren. „Das grenzt an Satire“, sagt der unter Kollegen nicht allseits beliebte Experte. In Speyer befindet er sich zudem seit Jahren in einer kontroversen Auseinandersetzung mit Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler (SPD). Ziesling trug mit einer Initiative unter anderem dazu bei, dass die Unterstützung für die Austragung einer Landesgartenschau in der Domstadt unter den Stadtbewohnern nur relativ schwach ausgeprägt war. Neustadt bekam den Zuschlag.
Nun kündigt Ziesling an, die nächste Attraktion für Speyer verhindern zu wollen. Viele Zuschauer werden im Mai erwartet, wenn der Stahlkoloss aus dem Rhein gehoben werden soll, um Monate später in Richtung Sinsheim transportiert werden zu können.
Wird jetzt noch geschottert?
Das Technik Museum reagiert auf Nachfrage pragmatisch: Die Schneise im Speyerer Auwald gebe es bereits seit 1993. Ähnlich äußert sich die Stadt auf weiteres Nachbohren: „Bei der gerodeten Fläche handelt es sich um eine kleine, randliche Teilfläche in einem jungen Entwicklungsstadium“, heißt es rechtfertigend. Zuletzt sei im Jahr 2011 auf demselben Weg der Seenotrettungskreuzer ins Technik Museum transportiert worden. Ziesling hat nun die Befürchtung, dass die gerodete Fläche nun auch noch geschottert werden könnte, weil ansonsten das 500 Tonnen schwere U-Boot auf der Auwald-Fläche einsinken würde.
Interessant: Drei Stunden bevor die Stadtverwaltung auf unsere Fragen antwortete, hatte sie eine Pressemitteilung an die angeschlossenen Redaktionen verschickt. Mehr oder weniger jubilierend verkündete man dort, dass die Stadt nun dem Kommunalen Klimapakt beigetreten sei. Zitat: „Damit bekräftigt die Stadt, die Themen Klimaschutz und Klimawandelfolgenanpassung weiterhin aktiv umzusetzen und so für das Erreichen der Landesklimaschutzziele Sorge zu tragen.“
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Rodung im Speyerer Auwald wegen U-Boot: Können wir uns das leisten?